Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Durch Austausch, durch Anpassungsprozesse, durch transkulturelle Phänomene

Von Oliver Fink

Zum Kern der Heidelberger Forschungsstrategie im Zuge der Exzellenzinitiative gehört es, Themenfelder über Einzeldisziplinen hinweg zusammenzuführen. Herauskristallisiert haben sich dabei vier große Forschungsfelder, die sogenannten Fields of Focus. Im Zentrum des Field of Focus 3 mit dem Titel „Kulturelle Dynamik in globalisierten Welten“ steht die Erforschung kultureller Räume, wie sie durch Mobilität, Migration oder historische Verflechtungen entstehen. Der Assyriologe Prof. Dr. Markus Hilgert (Foto: privat), der in Heidelberg Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften“ ist und im kommenden Frühjahr das Direktorenamt des Vorderasiatischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin übernehmen wird, ist an der Ruperto Carola auch Sprecher des Research Council für den Field of Focus 3. Im Interview gibt er darüber Auskunft, welche Ideen dahinterstecken:

Was ist das Besondere an den Fields of Focus und worin besteht die Aufgabe der ihnen zugeordneten Research Councils?

Kult Hilgert I„Es geht um den Versuch, im Bereich der Forschung eine Struktur aufzubauen, die sehr flexibel reagieren kann auf neue Entwicklungen und dabei komplementär steht zur Struktur der traditionellen Fakultäten. Es geht darum, wie man Forschung strategisch so weiterentwickeln kann, dass sich für die Universität daraus ein international sichtbares und auch konkurrenzfähiges Profil ergibt. Die besonders starken Bereiche sollen identifiziert werden. Da, wo sich etwas mit großem Zukunftspotenzial entwickelt, wollen wir schnell und unbürokratisch fördern können.“

Das Field of Focus 3 repräsentiert die Geisteswissenschaften. Was haben Sie in diesem Bereich vor?

„Wir wollen sagen können, wofür die Heidelberger Geisteswissenschaften eigentlich stehen. Früher waren es oft berühmte Autoritäten in einzelnen Fächern, die Studierende und junge Wissenschaftler auch aus dem Ausland geradezu magisch angezogen haben – denken Sie in Heidelberg an Namen wie Karl Jaspers oder Hans-Georg Gadamer. Die große Herausforderung für uns besteht aktuell darin, die vorhandene Vielfalt an Inhalten und Methoden in den Geisteswissenschaften produktiv zu nutzen und zusammenzuführen. Es gilt, Anschlusspotenziale zu finden und gemeinsame Forschungsfragen zu entwickeln.“

Wie muss man sich das vorstellen?

„Die Profilbildung erfolgt aus den Fächern und Fakultäten heraus und wird von den Wissenschaftlern getragen. Es geht nicht um Forschungssteuerung, sondern um einen Bottom-up-Prozess. Jeder ist eingeladen, sich daran zu beteiligen. So dient das Research Council vor allem auch als Kommunikationsplattform und Diskussionsforum. Inhaltlich geht es uns vor allem darum, mithilfe der Förderlinien, die unsere Schwerpunktbereiche abbilden, eine methodische und theoretische Weiterentwicklung anzustoßen. So wollen wir beispielsweise im Rahmen unserer Förderlinie Text-Welten nicht einfach eine weitere Edition eines unbekannten oder noch nicht edierten Textbestandes unterstützen, sondern das Nachdenken darüber anstoßen, das Edieren als wissenschaftliche Technik überhaupt weiterzuentwickeln.“

Das Field of Focus 3 trägt den Titel „Cultural Dynamics in Globalised Worlds“. Was für ein Begriff von Kultur kommt hier zum Tragen?

„Es handelt sich um ein sehr variables Verständnis von Kultur. Kultur wird von uns nicht begriffen als etwas Statisches, etwas national-territorial Gebundenes oder auch zeitlich Begrenztes. Sondern Kultur wird verstanden als etwas, was sich ständig neu ereignet, was ständig neu generiert wird – durch Austausch, durch Anpassungsprozesse, durch transkulturelle Phänomene. Und das wiederum manifestiert sich in den Texten und in den Artefakten, die wir untersuchen. Wir beschäftigen uns damit, wie wir solche Prozesse erforschen und wie wir sie wissenschaftlich darstellen und beschreiben können. Dahinter steht zugleich die Frage: Wie kann all das auch langfristig dokumentiert und in digitalen Formaten zugänglich gemacht werden? Hier schlagen wir die Brücke von der inhaltlichen zur infrastrukturellen Fragestellung.“

Damit spielen Sie auf die Förderlinie „Core Facilities“ in Ihrem Bereich an, also auf die gemeinsame, fächerübergreifende Nutzung aufwändiger Technologien. Solche infrastrukturellen Maßnahmen kennt man bislang nur aus den Naturwissenschaften – in Heidelberg zum Beispiel bei der computergestützten Genom-Sequenzierung. Was muss man sich darunter in den Geisteswissenschaften vorstellen?

„Ich denke da beispielsweise an Analysegeräte aus den Materialwissenschaften, etwa zur Datierung von Objekten, an Restaurierungslabors oder an 3D-Scanner und -Drucker. In den sprachwissenschaftlichen Disziplinen gibt es den Bedarf nach der Eye-Tracking-Technologie zur Analyse von Blickbewegungen. Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Digital Humanities. Da geht es zum Beispiel um die Frage der digitalen Aufbereitung: Wie kann ich Grundlagenforschung etwa mit Objekten verknüpfen in einer Ausstellung oder in einem Museum, beispielsweise über mobile Endgeräte?“

Was sind die weiteren Schritte bei der Ausgestaltung des Field of Focus „Kulturelle Dynamik“?

„Wir haben in einem sehr langen und – wie ich finde – sehr sorgfältigen Prozess geschaut, was denn die großen Bereiche sind, die wichtig zu sein scheinen in den Heidelberger Geisteswissenschaften. Ich bin ganz überrascht und stolz, dass es uns doch relativ schnell gelungen ist zu sagen: Es gibt jetzt diese vier großen Bereiche – Kulturelles Erbe und Geschichte; Sprache, Kognition, Kultur; Text-Welten sowie Transkulturelle Studien – plus die Core Facilities, für die in einer ersten Ausschreibungsrunde Projekte beantragt werden konnten. Nun müssen wir beobachten, wie das funktioniert. Wichtig für uns ist auch die Außenwahrnehmung. Deshalb hoffe ich, dass es uns gelingt, im nächsten oder übernächsten Jahr vielleicht auch ein Heidelberg Humanities Forum zu veranstalten, zu dem wir international einladen.“

www.uni-heidelberg.de/forschung/profil/field_of_focus_3