Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

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Wie mit der genetischen Transparenz umgehen

Patientenwohl: Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen haben jetzt einen Kodex vorgelegt

Zentrale ethische und rechtliche Fragen wirft die Einführung der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms in die klinische Praxis auf. Mit ihr verbindet sich die Hoffnung, dass Behandlung und Vorbeugung schwerer Krankheiten auf genetische Merkmale der Patienten abgestimmt werden können – so konnten für einige Krebserkrankungen bereits individuell zugeschnittene Therapien entwickelt werden. Dabei stellt sich die Frage, wie Ärzte, Forscher und Patienten mit der Verantwortung umgehen sollen, die sich aus diesem Erkenntnisgewinn ergibt. Im Projekt „Ethische und rechtliche Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms“ (EURAT) wurden am Marsilius-Kolleg der Ruperto Carola in zweijähriger Arbeit dazu konkrete und praxisnahe Lösungen entwickelt.

Die Mitglieder der EURAT-Gruppe sind Wissenschaftler der Universität und des Universitätsklinikums Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie und des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht sowie der Universität Hannover. Sie bringen Expertise in den Bereichen Humangenetik, Onkologie, Pathologie, Molekularbiologie, Bioinformatik, Ethik, Recht und Gesundheitsökonomie ein. Ihre Stellungnahme wurde jetzt in Heidelberg der Öffentlichkeit vorgestellt (von links nach rechts: Prof. Dr. Klaus Tanner, Prof. Dr. Claus R. Bartram, Prof. Dr. Paul Kirchhof, Prof. Dr. Wolfgang Schluchter und Prof. Dr. Peter Lichter; Foto: Rothe).

News1 Genom I

Für EURAT haben die Wissenschaftler den Ansatz gewählt, nicht nur einzelne Fragen sondern alle zentralen Aspekte der Ganzgenomsequenzierung zu behandeln. Neben einem Forscherkodex und der Patientenaufklärung gehören dazu der Umgang mit Zusatzbefunden, Orientierungspunkte für den Datenschutz oder die ökonomische Dimension beim Einsatz der Sequenzierungstechnologien. Die Formulierung von Grundsätzen und die daraus entwickelten Lösungsvorschläge bilden die „Eckpunkte für eine Heidelberger Praxis der Ganzgenomsequenzierung“ (pdf), die in der Stellungnahme niedergelegt sind.

Nach den dort verankerten Prinzipien ist es ethisch geboten, die Fortschritte in der Genomforschung für die Verbesserung von Diagnosen und Therapien zu nutzen. Für die Forscher entstehen dabei jedoch neue Formen der Verantwortung im Umgang mit ihrem Wissen über Patienten und deren Familien. Der in der Stellungnahme formulierte Kodex für nicht-ärztliche Wissenschaftler, die an der Totalsequenzierung beteiligt sind, bestimmt in Anlehnung an das Standesethos der Ärzte einen Kanon von Handlungsregeln. Gleichzeitig legt das Eckpunktepapier fest, dass dem Patienten bei der schriftlichen Aufklärung verschiedene Möglichkeiten der Rückmeldung von Befunden und Ergebnissen vorgeschlagen werden – er erhält damit die Möglichkeit, seine Präferenzen differenziert zu äußern. Denn gefordert sind die Gestaltung von Kommunikationsprozessen und die Umsetzung gestufter Verfahren der Patienteneinwilligung, wie die Experten in ihrer Stellungnahme deutlich machen.

www.marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de/presse/presseunterlagen.html

UB ist zum vierten Mal in Folge die Nummer eins

Nutzerfreude: Universitätsbibliothek glänzt im Bibliotheksindex BIX besonders beim Angebot

Zum vierten Mal in Folge belegt die Universitätsbibliothek Heidelberg im renommierten Bibliotheksindex BIX den Spitzenplatz. Und als einzige der großen wissenschaftlichen Bibliotheken erreichte sie in allen vier Kategorien „Angebot“, „Nutzung“, „Effizienz“ und „Entwicklung“ die Spitzengruppe. Der Bibliotheksindex wurde 1999 von der Bertelsmann Stiftung und dem Deutschen Bibliotheksverband entwickelt. Seit dem Jahr 2005 erhebt ihn der Bibliotheksverband zusammen mit dem Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen im Zuge des Kompetenznetzwerks für Bibliotheken. In diesem Jahr haben 84 wissenschaftliche Bibliotheken – darunter 54 Universitätsbibliotheken in zwei Klassen – teilgenommen.

„Die sehr gute Position im BIX freut uns in diesem Jahr, das durch viele Umbau- und Umstrukturierungsmaßnahmen im laufenden Betrieb geprägt war, ganz besonders“, betont Bibliotheksdirektor Dr. Veit Probst. Verglichen mit den vergangenen Jahren konnte sich die UB besonders in der Kategorie „Angebote“ steigern durch die Verlängerung der Öffnungszeiten von 22 auf 1 Uhr in der Nacht. Probst: „Beim Service für die Benutzerinnen und Benutzer vor Ort wollen wir uns zukünftig noch weiter verbessern. Im Zentrum steht dabei die laufende Norderweiterung der Bibliothek mit dem Ziel, das zu knappe Arbeitsplatzangebot auf 1000 Plätze auszubauen.“

In den drei Kategorien „Nutzung“, „Effizienz“ und „Entwicklung“ konnte die Heidelberger Bibliothek ihre hervorragenden Ergebnisse der Vorjahre bestätigen. Mit rund 1,8 Millionen Ausleihen und 2,1 Millionen Besuchern im Jahr gehört die UB zu den am stärksten frequentierten wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland. Das sehr gute Abschneiden in der Kategorie „Nutzung“ zeigt sich zudem in der Zahl der virtuellen Besuche: Hier erzielt Heidelberg mit über 3,4 Millionen Zugriffen den Spitzenwert aller am BIX teilnehmenden Bibliotheken. Das herausragende Resultat bei der Effizienz in der Medienbearbeitung sowie in der Aus- und Fernleihe belegt die gute Organisation der internen Prozesse und ist zugleich Ausdruck der hohen Motivation der Beschäftigten.

Neben den erwähnten grundlegenden Dienstleistungen wird in der Kategorie „Entwicklung“ sozusagen die Zukunftsfähigkeit der Bibliotheken gemessen. Dazu gehören die Investitionen in den Ausbau elektronischer Dienstleistungen wie die Höhe der eingeworbenen Dritt- und Sondermittel, mit denen zahlreiche Projekte realisiert werden. Die Neuentwicklungen an der UB betreffen beispielsweise die Sondersammelgebiete Ägyptologie, Klassische Archäologie, Europäische Kunstgeschichte und Südasienwissenschaften, die Digitalisierung historischer Bestände aber auch die Reorganisation der Bibliotheksstrukturen in den Asienwissenschaften.

Legale Prostitution begünstigt den Menschenhandel

Frauenleid: Studie zur modernen Sklaverei in der Sex-Industrie im Kontext der Gesetze

In Ländern ohne gesetzliches Prostitutionsverbot wird Menschenhandel in größerem Umfang registriert als in Ländern, in denen die Prostitution verboten ist. Das ist das Ergebnis einer statistischen Querschnittsanalyse. „Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich Länder, in denen Prostitution gesetzlich erlaubt ist (Foto: iStockphoto), stärker im Fokus von Menschenhändlern befinden“, erläutert Prof. Dr. Axel Dreher vom Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg, der die Studie mit Prof. Dr. Eric Neumayer von der London School of Economics und Juniorprofessorin Dr. Seo-Young Cho von der Universität Marburg in der Fachzeitschrift „World Development“ veröffentlicht hat.

Der Menschenhandel zählt den Vereinten Nationen zufolge zu den lukrativsten und weltweit am schnellsten wachsenden kriminellen Wirtschaftszweigen. Die Mehrheit der Opfer sind Frauen und Mädchen, die in den Zielländern zur Arbeit in der Sex-Industrie gezwungen werden. Mit ihrer Analyse wollten die Wissenschaftler aufdecken, ob legale Prostitution zu mehr oder zu weniger Menschenhandel in den betreffenden Staaten führt. Axel Dreher: „Es wird oft angenommen, dass legaler käuflicher Sex den Menschenhandel reduzieren könnte, da dann mehr legal in einem Land lebende Prostituierte zur Verfügung stehen. Unsere Studie deutet jedoch auf das Gegenteil. Die Daten zeigen, dass in Ländern, in denen die Prostitution nicht gesetzlich verboten ist, mehr Fälle von Menschenhandel erfasst werden.“ Einen möglichen Grund dafür sehen die Forscher darin, dass weniger strenge Gesetze zu einer Ausweitung der Prostitution führen, wodurch auch die Zahl der zwangsweise arbeitenden Frauen und Mädchen zunimmt.

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Eine der größten Schwierigkeiten von Untersuchungen zum Menschenhandel ist laut Prof. Dreher der Mangel an verlässlichen und vergleichbaren Daten. „Da sich diese Form moderner Sklaverei nur schwer dokumentieren lässt, ist die genaue Zahl der Opfer unbekannt und kann nur grob geschätzt werden.“ Für ihre statistische Querschnittsanalyse werteten die Autoren der aktuellen Studie einen Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 aus – der „Report on Trafficking in Persons: Global Patterns“ hat Daten von 113 internationalen Organisationen sowie Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen, Forschungseinrichtungen und Medien zum Menschenhandel in 161 Ländern zusammengetragen.

Wie die Wissenschaftler betonen, lassen sich mit den Methoden der Statistik trotz der schlechten Datenqualität Rückschlüsse auf den generellen Zusammenhang zwischen Prostitution und Menschenhandel ziehen. Sie warnen jedoch davor, die Ergebnisse auch als Beweis für die Situation in einzelnen Ländern heranzuziehen. „Eine solche Beweisführung ist auf Basis der existierenden Daten nicht möglich“, sagt Axel Dreher. Seine Kollegen und er wenden sich ebenfalls gegen vorschnelle Schlüsse und Forderungen nach einem generellen Verbot der Prostitution: „Es darf zum Beispiel nicht übersehen werden, dass sich mit der Legalisierung von Prostitution die Arbeits- und Lebensbedingungen der in diesem Bereich tätigen Frauen und Männer verbessern können.“

Studie „Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?“ als pdf

Einkristalle unter nahezu einzigartigen Bedingungen

Forscherglück: Hochdruck-Kristallzüchtungsanlage am Kirchhoff-Institut in Betrieb

Ein neues Großgerät, mit dem hochreine Kristalle für die physikalische und materialwissenschaftliche Grundlagenforschung hergestellt werden können, ist am Kirchhoff-Institut für Physik der Heidelberger Universität in Betrieb gegangen. Die Hochdruck-Kristallzüchtungsanlage wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Zuge des Schwerpunktprogramms „Werkstoffe mit neuem Design für verbesserte Lithium-Ionen-Batterien“ mit über 600 000 Euro gefördert. Sie steht der Arbeitsgruppe „Korrelierte Elektronen und Magnetismus“ unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Klingeler für die Herstellung von Modellsystemen zur Untersuchung grundlegender Prozesse in den Batterien zur Verfügung.

Die Hochdruck-Kristallzüchtungsanlage wurde am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden entwickelt. Sie ermöglicht die Synthese von Einkristallen unter extremen, weltweit nahezu einzigartigen Bedingungen, wie Rüdiger Klingeler erläutert. Dazu zählen ein hoher Gasdruck von bis zu 150 bar sowie Prozesstemperaturen von über 2700 Grad Celsius, die durch die Fokussierung von Licht mit Hilfe elliptischer Spiegel erreicht werden (elliptischer Spiegel und Innenraum der Hochdruck-Kristallzüchtungsanlage; Foto: Julia Stoye).

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Die Forschungsergebnisse werden, so der Heidelberger Physiker, von hoher technologischer Relevanz sein: „Die Anlage ist optimal geeignet, um Lithium-basierte, hochreine Einkristalle herzustellen und ihre grundlegenden physikalischen und elektrochemischen Eigenschaften zu untersuchen. Wir versprechen uns davon wichtige Beiträge für die gezielte Entwicklung neuer Materialien für den Einsatz in verbesserten Lithium-Ionen-Batterien.“

Das Forschungsgroßgerät ist zudem ein zentraler Baustein des neuen Labors zur materialorientierten Festkörperforschung, das seit 2011 am Kirchhoff-Institut entsteht. Die Arbeiten dort sind direkt verknüpft mit den Heidelberger Bemühungen in der Innovationsallianz „Lithium Ionen Batterie LIB2015“ und werden auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Mittelfristig ist geplant, die neuartigen Möglichkeiten der Hochdruck-Kristallzüchtungsanlage ebenfalls auf grundlagenorientierte Fragestellungen der Arbeitsgruppe von Prof. Klingeler auf dem Gebiet der Quanten-Spin-Systeme und komplexer Übergangsmetall-Verbindungen anzuwenden. Diese sind unter anderem für die Erforschung von Hochtemperatur-Supraleitung von Bedeutung.

Campus-TV: Neue Energie aus neuen Materialien