Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

„Diese Verhältnisse sind dramatisch“

„Es ist eine zentrale Aufgabe unserer Fakultät, Lehrer auszubilden. Das jetzige Niveau sollte man durch den Regelabschluss des Master beibehalten und bei den Lehrerstudenten auf keinen Fall mit den gestuften Studiengängen eine Reduktion des fachwissenschaftlichen Studiums anstreben“, sagt Prof. Christiane von Stutterheim, die Dekanin der Neuphilologischen Fakultät an der Universität Heidelberg, im Interview:

Wie viele Professuren und Institute gehören zu Ihrer Fakultät?

Wir haben derzeit 31 hauptamtliche Professuren. Zur Fakultät gehören das Germanistische, Romanische und Anglistische Seminar sowie das Slavische Institut. Hinzu kommen die Computerlinguistik, das Seminar für Übersetzen und Dolmetschen, das Seminar für Deutsch als Fremdsprachenphilologie und schließlich das Zentrale Sprachlabor, an dem Studierende aller Fachrichtungen Fremdsprachen lernen können. Betreut wurden im letzten Semester insgesamt 10 200 Studierende. In der Relation von Studierenden und Professoren zeigt sich ein gravierendes Problem unserer Fächer, denn auf einen Professor entfallen im Schnitt 300 Studierende.

Da kann die Lehre eigentlich nicht mehr funktionieren.

Diese Verhältnisse sind dramatisch. Auch in Zeiten der Exzellenz hat die Universität die Aufgabe, neben der Forschung der Lehre gerecht zu werden. Letztere rückt zurzeit jedoch etwas in den Hintergrund, und dieser Tendenz muss man entgegensteuern. Etwa die Schaffung von Lehr- und Forschungsprofessuren halte ich für ganz falsch. Denn die Lehrprofessuren werden zweitrangig sein. Aber gerade die Lehre müssen wir fördern, wenn wir Bundesbildungsministerin Annette Schavan mit ihrem Ziel der „Bildungsrepublik“ ernst nehmen. Es ist eine zentrale Aufgabe unserer Fakultät, Lehrer auszubilden. Das jetzige Niveau sollte man durch den Regelabschluss des Master beibehalten und bei den Lehrerstudenten auf keinen Fall mit den gestuften Studiengängen eine Reduktion des fachwissenschaftlichen Studiums anstreben.

Wo liegen Schwerpunkte der Forschung in Literatur- und Sprachwissenschaft?

Neben der mediävistischen und klassischen Literatur hat die Literaturwissenschaft einen weiteren Schwerpunkt in der Moderne, die vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Etwa im Rahmen der Heidelberger Poetik-Dozentur werden ganz aktuelle literaturwissenschaftliche und poetologische Themen diskutiert. Auch in der Sprachwissenschaft erstreckt sich die historische Komponente über die verschiedenen Philologien. Wichtig sind hier zudem kognitionswissenschaftlich orientierte Themen, die sprachvergleichend behandelt werden.

An Ihrer Fakultät sind die Frauen stark vertreten.

In einigen Bereichen sind bis zu 80 Prozent der Studierenden Frauen. Auch bei Promotionen sind die Frauen in der Mehrzahl. Aber nach der Promotion kommt für sie in den meisten Fällen der Abbruch ihrer wissenschaftlichen Laufbahn. Heute entfallen etwa 20 Prozent der Professorenstellen auf Frauen.

Welche historischen Persönlichkeiten waren im Bereich Ihrer Fakultät wichtig?

Die neueren Philologien haben sich ja erst im 19. Jahrhundert entwickelt. Aus dieser Zeit soll man vor allem die eminenten Philologen Johann Heinrich Voss und Karl Bartsch nennen. In der Weimarer Zeit wirkte beispielsweise der berühmte Literaturwissenschaftler Friedrich Gundolf hier, dessen Studien zu Goethe und Shakespeare bis heute bedeutend sind. Auch der Romanist Ernst Rudolf Curtius zählte zu den bedeutendsten europäischen Philologen. Und natürlich ist der im vorvergangenen Jahr verstorbene Kurt Baldinger zu nennen, einer der ganz großen Linguisten seiner Zeit.

Der Sitz der Neuphilologischen Fakultät in Bergheim.
Foto: Universität

Und welche heutigen Wissenschaftler haben die Fakultät besonders geprägt?

Hier ist etwa der Germanist Eberhard Lämmert zu nennen. Wolfgang Klein, ehemals Sprachwissenschaftler an der Fakultät, ist einer der nicht sehr zahlreichen Geisteswissenschaftler, die den Leibnizpreis bekommen haben. Stolz sind wir auch auf Peter Wapnewski, den Nestor der Mediävistik, der lange Jahre der Fakultät angehörte, bevor er nach Berlin ging.

Frau Prof. von Stutterheim, wie hat sich der Exzellenzstatus der Universität auf die Neuphilologische Fakultät ausgewirkt?

An der dritten Säule der Exzellenzinitiative – dem Zukunftskonzept der Gesamtuniversität – haben wir durch Frontierprojekte Anteil, mit Prof. Ekkehard Felder hat die Fakultät einen Marsilius-Kollegiaten. In erster Linie ist das Förderformat der Exzellenzinitiative jedoch auf die Methoden der Natur- und Lebenswissenschaften zugeschnitten. Während dort häufig in großen Gemeinschaftsprojekten gearbeitet wird, steht in den Geisteswissenschaften der einzelne Forscher im Zentrum.

Aber vor kurzem wurde der geisteswissenschaftliche Cluster „Asia and Europe“ eröffnet.

Auch die Geisteswissenschaftler können sich zu großen interdisziplinären Projekten zusammenschließen. Linguisten der Fakultät sind an der Initiative zu dem interdisziplinären Sonderforschungsbereich „Kognition von Sprache, Musik und Kunst“ maßgeblich beteiligt. Aber die zentralen Themen eines Philologen gewinnen nicht unbedingt durch die Einbindung in interdisziplinäre Großprojekte. Die Neuphilologische Fakultät ist durch traditionelle geisteswissenschaftliche Einzelforschung gekennzeichnet. Da ist Exzellenz auch außerhalb der Exzellenzinitiative gegeben.

Die Internationalität der Ruperto Carola dürfte der Sprachenvielfalt in Ihrer Fakultät große Chancen eröffnen.

Die Internationalität ist ein wesentliches Merkmal unserer Fakultät. Zum einen haben wir einen sehr hohen Anteil an ausländischen Studierenden, derzeit 25 Prozent. Zum anderen bilden wir Studierende für andere Kulturen aus, womit zahlreiche internationale Kooperationen verbunden sind. Eine Kernfunktion der Fakultät besteht dabei in der Verbindung und Vermittlung europäischer Kulturen. Darüber hinaus ist vom Romanischen Seminar eine Forschungsinitiative mit Lateinamerika geplant. Auch in Asien gibt es zahlreiche langjährige Kooperationen.

Welche europäischen Kooperationen sind bedeutsam?

Da sind die Verbindungen nach Montpellier, Paris oder Lyon zu nennen, auch nach Rom und Neapel. In den Niederlanden arbeiten wir mit dem Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen zusammen. Besonders intensive Kontakte haben wir zu den osteuropäischen Ländern. Wichtige Partnerstädte sind Prag, Krakau und Budapest. Aber wir kooperieren auf Institutsebene zum Beispiel im Rahmen von Erasmus- und Sokratespartnerschaften im Grunde mit allen Ländern Europas.

Welche Sprachen werden in Heidelberg angeboten?

Die philologischen Wissenschaften an unserer Fakultät beschäftigen sich mit den großen germanischen, romanischen und slawischen Sprachgruppen und ihren zahlreichen Sprachen, vom Altenglischen bis zum Ukrainischen. Wir streben ein möglichst breites Spektrum an. So sind im Romanischen Seminar beispielsweise auch Katalanisch, Rumänisch und Portugiesisch vertreten.

Das neue Verbindungsbüro in New York wird von Prorektorin Vera Nünning, einer Anglistin, federführend betreut.

Am Anglistischen Seminar existiert auch der Zweig Amerikanistik – mit engen Verbindungen zu den USA. Häufig fungiert Kultur als Vorreiter für wirtschaftliche Kooperationen, wobei die Sprache ein wesentlicher Faktor ist. Das Seminar für Deutsch als Fremdsprachenphilologie ist in Deutschland einmalig: Es bietet Studiengänge für ausländische Studierende, die zu Germanisten im Ausland ausgebildet werden. Die Absolventen gehen als Multiplikatoren in alle Welt.

Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung