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"Erklären können, was man eigentlich den ganzen Tag macht"

Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft: Interview mit den beiden Heidelberger Preisträgern Cristina Voss und Sebastian Sager

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse einer größeren Öffentlichkeit näher zu bringen, ist eine sinnvolle Sache. Doch die Sprache hoch spezialisierter Wissenschaftler wird oft gar nicht verstanden. Dem will die Klaus Tschira Stiftung entgegenwirken. Seit 2006 wird der von ihr verliehene Preis für verständliche Wissenschaft unter Nachwuchswissenschaftlern bundesweit ausgeschrieben. Deren Aufgabe lautet: das Thema ihrer Doktorarbeit allgemeinverständlich zu beschreiben. Zwei von fünf Preisträgern kommen diesmal aus Heidelberg: Cristina Voss, Biologin am DKFZ, sowie Sebastian Sager, Mathematiker am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR).

 

Dr. Christina Voss  
Cristina Voss war beim Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft mit ihrem Beitrag „Riproximin: Schamanenpulver oder Krebsmedikament?“ im Bereich Biologie erfolgreich. Ihre Doktorarbeit trägt den Titel: „Identifizierung und Charakterisierung des antineoplastischen Wirkstoffs Riproximin, ein neues Ribosomen-inaktivierendes Protein vom Typ 2 aus Ximenia americana“. Betreuer war Prof. Dr. Martin Berger vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).
Foto: Fink
Frau Doktor Voss, Herr Doktor Sager, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch. Sagen Sie uns: Warum ist es wichtig, Wissenschaft verständlich zu machen?

Voss: Wir leben in einer immer komplexeren, artifiziellen Welt, in der die Wissenschaft eine wichtige Rolle spielt. Das aber führt nicht selten zu Verunsicherungen, man denke nur an Begriffe wie "Klonen" oder "Genmais". Erst das Verstehen solcher Dinge kann zu einer Akzeptanz und Integration der Wissenschaft in die Gesellschaft führen.

Sager: Dem stimme ich zu. Hinzu kommt noch eine persönliche Komponente. Ich denke, jeder Doktorand kennt das Gefühl, ab einem gewissen Punkt in einem Elfenbeinturm zu sitzen, und die Verzweiflung, Freunden und Verwandten nicht erklären zu können, was man da eigentlich den ganzen lieben Tag so macht.

Warum ist Ihnen das so gut gelungen?

Voss: Traditionell belegt das DKFZ nicht nur eine Spitzenrolle in der weltweiten Krebsforschung, sondern sieht seine Aufgabe auch in der Beratung von Betroffenen und der Vermittlung von aktuellen Forschungsergebnissen. Zudem wird man oft von Laien nach seiner Arbeit gefragt, so dass man sich sehr früh in der Wissenschaftsvermittlung üben kann. Eine wichtige Rolle hat aber bestimmt auch meine grundsätzliche Begeisterung für die Wissenschaft gespielt. Ich finde, es gibt kaum einen spannenderen Beruf.

Sager: Ich denke, dass auch bei mir die besondere Struktur meines Instituts hilfreich war: Das IWR nimmt seit 20 Jahren eine weltweit führende Rolle in der interdisziplinären Zusammenarbeit von Physikern, Chemikern, Biologen, Medizinern, Ingenieuren, Informatikern und natürlich Mathematikern im Bereich des Wissenschaftlichen Rechnens ein – auch Wirtschafts- und Geisteswissenschaftler sind in unsere Projekte involviert. Wer am IWR ausgebildet wird und arbeitet, kann gar nicht anders, als seine Fachsprache abzuschütteln, um mit Partnern kommunizieren zu können.

Dr. Sebastian Sager  
Sebastian Sagers Beitrag „Von diskreten Mathematikern und Wanderungen im Gebirge“ wurde im Bereich Mathematik ausgezeichnet. Seine Doktorarbeit „Numerical methods for mixed-integer optimal control problems“ wurde von Prof. Dr. Hans Georg Bock und Prof. Dr. Gerhard Reinelt am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) betreut.
Foto: privat
Können Sie denn für uns in einem Satz zusammenfassen, was Sie in Ihren Arbeiten gemacht haben?

Sager: Ich fürchte, dass ich das nicht kann. Das hat damit zu tun, dass vielen Menschen immer noch nicht bewusst ist, dass wir in einer mathematischen Welt leben und viele der Dinge, die um uns herum passieren, die wir täglich selbstverständlich nutzen, nur durch den Einsatz von Mathematik so günstig, sparsam, qualitativ hochwertig oder überhaupt erst möglich sind. Wenn ich das aber nicht vorausschicken muss, dann würde ich es so versuchen: "Meine Arbeit leistet einen Beitrag dazu, mathematische Verfahren zu verbessern, die für sehr viele praktische Probleme wie beispielsweise der sparsamsten Fahrweise von U-Bahnen, dem effizienten Betrieb chemischer Anlagen oder neuen Einsichten in Biologie und Medizin genutzt werden können."

Voss: Da habe ich es einfacher. In meiner Arbeit ist mir gelungen, aus einem unbekannten afrikanischen Pulver einen Wirkstoff heraus zu isolieren, der das Tumorwachstum bremsen kann.

Und wie geht es bei Ihnen nun wissenschaftlich weiter?

Voss: Seit dem letzten Oktober arbeite ich bei der Firma Heidelberg-Pharma in Ladenburg, wo ich an dem von mir identifiziertem Wirkstoff Riproximin weiter forschen kann.

Sager: Ich bin für ein Jahr beurlaubt und arbeite mit Kollegen in Madrid daran, meine neuen Verfahren auf Probleme in der Aerodynamik zur Verbesserung von Flugzeugen einzusetzen. Ab April werde ich meine Stelle als Akademischer Rat am IWR wieder ausfüllen und auf eine Habilitation hinarbeiten.
Die Fragen stellte Oliver Fink

Alle Gewinneraufsätze sind in einer Sonderbeilage der Zeitschrift "bild der wissenschaft" im November 2007 zu lesen. Nähere Infos zum Preis und den Teilnahmemodalitäten unter: www.klaus-tschira-preis.info
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