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Das Portrait

Hochschule für Jüdische Studien unter neuer Leitung

Professor Dr. Alfred Bodenheimer möchte aus ihr ein Kompetenzzentrum mit europäischen Dimensionen machen

Vor etwas mehr als einem Jahr feierte sie ihr fünfundzwanzigjähriges Bestehen, nun ist mit Prof. Dr. Alfred Bodenheimer, geboren 1965 in Basel, ein neuer Leiter an die Spitze der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg (HfJS) getreten.

Der Germanist – seine Doktorarbeit schrieb er über Else Lasker-Schülers Emigration in Palästina und seine Habilitation mit dem Titel "Wandernde Schatten" über Moses und Ahasver als dem ewig wandernden Juden als oszillierende Doppelgestalt in der jüdischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts – hat neben seinen Aufgaben in Heidelberg noch eine Professorenstelle am Institut für Jüdische Studien der Universität Basel inne. Da er deshalb nur teilzeitig in Heidelberg ist, führt Bodenheimer nicht den Titel eines Rektors, sondern den des Ersten Prorektors, eine Bezeichnung, die aus der Geschichte der Ruprecht-Karls-Universität herrührt. Der Kurfürst war in früheren Zeiten kraft seines Amtes automatisch Rektor, während der diensttuende Leiter als Erster Prorektor bezeichnet wurde.

Der Germanist Alfred Bodenheimer vor seiner neuen Wirkungsstätte.
Der Germanist Alfred Bodenheimer vor seiner neuen Wirkungsstätte. Zu seinen speziellen Projekten gehört die Verbesserung der Jugendausbildung. Damit hatte er bereits in der Schweiz Erfolg, wo er neben seiner Heidelberger Tätigkeit noch eine Professur in Basel innehat. Foto: Krug

Die Hochschule für Jüdische Studien zu leiten, so Bodenheimer, sei eine Herausforderung, die er gerne angenommen habe, denn sie ist die einzige ihrer Art in Deutschland. Hier werde das Fach Jüdische Studien in einer Differenziertheit unterrichtet wie sonst nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Während es an Instituten für Jüdische Studien an anderen Universitäten zumeist höchstens zwei Professorenstellen gebe, sind in der Heidelberger Hochschule acht Professorenstellen vorhanden, die sich neben den klassischen Texten der Bibel, der Mischna, des Talmud und der rabbinischen Literatur auch der Philosophie, der Geschichte, Kunstgeschichte, Literatur der Juden sowie jüdischer Religionspädagogik widmen. Teilweise sind diese Stellen von nicht-jüdischen Dozenten besetzt, zugleich steht die Hochschule für Studierende aller Konfessionen offen.

"Das Spektrum, das meine Stelle in Basel abdeckt, ist hier in Heidelberg auf vier Lehrstühle verteilt", erläutert Bodenheimer die Vorzüge. Während an Universitäten mit Jüdischem Institut immer mit anderen Fakultäten zusammengearbeitet werde – Bodenheimer ist in Basel Mitglied der Theologischen Fakultät –, könne in Heidelberg das jüdische Element stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Als Beispiel nennt er sein aktuelles literaturwissenschaftliches Seminar. Darin gehe es nicht nur um Kafka-Rezeption, wie vielleicht andernorts üblich, sondern explizit um jüdische Kafka-Rezeption. Wie breit gefächert das Angebot der Möglichkeiten ist, beweisen die verschiedenen Abschlüsse, die die Studierenden erlangen können. Neben Magister, Doktor und – im Zuge des Bologna-Prozesses – Bachelor sowie Master gibt es auch das Staatsexamen für jüdische Religionslehrer und die Ausbildung zum Rabbiner.

Die vom Zentralrat der Juden in Deutschland getragene Hochschule kooperiert eng mit der Universität Heidelberg. So stehen die an der HfJS angebotenen Kurse Studierenden an der Ruperto Carola offen und umgekehrt. Daneben befinden sich im Senat der Hochschule für Jüdische Studien Vertreter der Ruprecht-Karls-Universität. Die engen und hervorragend funktionierenden Beziehungen zeigen sich auch darin, dass der Rektor der Universität Heidelberg, Professor Peter Hommelhoff, für sein Engagement im Kuratorium der Hochschule für Jüdische Studien kürzlich den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden erhielt.

Um die Hochschule in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, hat sich Bodenheimer einiges einfallen lassen. Denn bisher habe ein Kommunikationsdefizit geherrscht, was geändert werden soll und auch schon geändert wurde. Hierfür hat die Hochschule eine eigene Stelle für Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet. "Wir haben die Homepage erneuert und geben mit "Mussaf" ein Magazin heraus, das die Projekte der Personen im Umfeld der HfJS, Berufsmöglichkeiten und andere Dinge für ein nichtwissenschaftliches Publikum aufbereitet. Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das Magazin für die öffentliche Wahrnehmung sehr relevant ist", betont der Erste Prorektor. Durch die verstärkte Wahrnehmung gerate die Hochschule dann auch insgesamt mehr in den Blick. Deshalb ist Alfred Bodenheimer dieses Jahr eingeladen worden, am Jahrestag der Befreiung des Kon- zentrationslagers Auschwitz die offizielle Rede der Stadt Heidelberg zu halten.

Die Hochschule vertritt auch die jüdische Gemeinschaft

Für die Zukunft sieht Bodenheimer die Hochschule für Jüdische Studien als europäisches Kompetenzzentrum, als das sie auch heute schon vermehrt wahrgenommen werde. Dafür werde ein Kontaktnetzwerk mit anderen Institutionen und Universitäten aufgebaut. "Die Hochschule ist aber nicht nur eine Einrichtung, die wissenschaftlich arbeitet, sondern auch die Ansprüche der jüdischen Gemeinschaft vertritt, um diese zu stärken." Dabei sei der Blick in Europa weniger nach Westen, sondern mehr nach Osten gerichtet. Denn dort sind die Strukturen weniger gefestigt, und viele der Juden, die heute in Deutschland leben, kommen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, so dass allein aus diesem Grund eine Verbindung bestehe. Als ganz konkretes Projekt möchte Bodenheimer demnächst die Jugendausbildung verbessern. So sollen jüdische Jugendliche an Schulen ihr ganz persönliches Judentum präsentieren, ein Projekt, mit dem der Prorektor in der Schweiz schon großen Erfolg hat und das hier ebenfalls Anklang findet – anschauliche Schritte auf dem Weg zum Kompetenzzentrum.

Katinka Krug
Seitenbearbeiter Email
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