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"Vor das Juckenn an haimlichen ortenn"

Die Heidelberger Handschriften sind der Stolz der Universitätsbibliothek. Codex Manesse, Sachsenspiegel, Rolandslied oder Parzival – wer von der "Bibliotheca Palatina" spricht, denkt zuerst an Minnesang und prachtvoll illuminierte Manuskripte. Viele der in Heidelberg verwahrten Schriften sind jedoch keine schöne Literatur, sondern Fachprosa, vor allem aus dem medizinischen Bereich. Dieser Schatz an Schriften wird derzeit erschlossen. Karin Zimmermann und Matthias Miller von der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek erläutern zusammen mit Wolfgang U. Eckart vom Institut für Geschichte der Medizin das Projekt und stellen einige unbekannte, in ihrer Art einzigartige "Rezepte für den Hof" vor.

Harnschau

Auf Ochsenkarren wurden die Heidelberger Handschriften im Jahr 1816 von Rom über Bozen und Konstanz zurück an den Neckar transportiert. Was die Heidelberger Professoren am 3. August feierlich in Empfang nahmen, waren 847 Manuskripte – darunter 298 medizinische aus dem 14. und 16. Jahrhundert. Die Abbildung unten zeigt ein Beispiel, den "Wundenmann", oben ist eine "Harnschau" zu sehen.

Wundenmann

"Bin ich fol gewesen", lautet der vielsagende Eintrag im Tagebuch des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz. Wen wundert es, dass seine Tagebuchnotiz vom 9. Juni 1598 Vorlage für den Refrain eines berühmten Heidelberger Studentenliedes wurde: "Wütend wälzt sich einst im Bette Kurfürst Friedrich von der Pfalz; Gegen alle Etikette brüllte er aus vollem Hals: Wie kam gestern ich ins Nest? Bin scheint's wieder voll gewest!"

Friedrich war bekannt für seinen Hang zu schlimmen Saufgelagen. Nicht zuletzt wegen seiner unmäßigen Trunksucht, die er vergebens zu bekämpfen suchte, starb er schon mit 36 Jahren. Der Gesundheit waren die üppigen Gelage am Heidelberger Hof des 16. Jahrhunderts offensichtlich wenig zuträglich. Bei den zahlreichen Festlichkeiten floss der Alkohol in Strömen, in der Region mehr Wein als Bier; die deftigen Mahlzeiten bestanden hauptsächlich aus Würsten und Fleisch, gefülltem Saumagen, Hammel oder Rind.

Die deutschsprachigen Manuskripte

Die deutschsprachigen Manuskripte repräsentieren eine von Laien am Heidelberger Hofe tradierte und praktizierte Volksmedizin.

Viele dieser Ernährungsgewohnheiten – besonders aber die körperlichen Folgen der Völlerei – spiegeln sich in den medizinischen Rezeptbüchern wider, die aus dem Umkreis des Heidelberger Hofes und der Kurfürsten in den Handschriftenbeständen der Universitätsbibliothek Heidelberg erhalten geblieben sind. Sie werden derzeit in einem aufwändigen Projekt erstmals genau katalogisiert. In diesen Texten tauchen besonders häufig Rezepte gegen die Gicht ("Podagra") auf, eine Erkrankung, die unter anderem von zu üppiger Ernährung und von übermäßigem Rot- und Süßweinkonsum herrührt. "Welcher daz Podagra hot, Dem ist der wein verbotten. Er soll drincken hünig wasser" (Cod. Pal. germ. 267, Bl. 96v). Ob diese Anweisung zum Ersatzgenuss von Honigwasser statt Pfälzer Weins konsequent eingehalten wurde, darf bezweifelt werden. Vielleicht griffen die damaligen Menschen dann doch lieber zu gestoßener Eichel in Ochsengalle als Heilmittel gegen die gichtige Großzehe und die schmerzende Hand: "doraus mach ein blaster das bind vff die füs oder hend das verdreibt daz Podagra" (Cod. Pal. germ. 267, Bl. 92v).

Harnschau

Auch die Flatulenz bei Hofe ist wohl maßgeblich auf die ungesunden Ernährungs- und Trinkgewohnheiten zurückzuführen. Als angenehm oder als gar wünschenswert wie in Luthers berühmt derber, bis heute aber nicht belegter Tischfrage "Was rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmacket?" sind die Heidelberger Neckar-"Winde" kaum empfunden worden, finden sich doch allerlei Rezepturen gegen die Blähung und den unangenehmen Abgang der Darmgase, sogar äußerlich anzuwendende, wie nachfolgend beschrieben: "Ein Puluer außwendig zu gebrauchen so einer Winde Im Magen hett: Cimmet, Spicanardi, Kümmel, Camehl hew jedes iij gm, Fisch kümmel, Römischen Kümmel, Epffig samen, Petterlein samen jedes ij gm, Alle zu eßig gebaitz vndt darnach getrucknett. Rauttensamen j gm. Mischet soliches alles zu einem Puluer, Streich Zuuor denn magen oder bauch mit honig vnndt wein darnach striech das Puluer darauff" (Cod. Pal. germ. 231, Bl. 154r).

Mit einem deftigen Rausch musste in Heidelberg am Hofe jederzeit gerechnet werden. Bei Friedrich IV. stand er gar auf der Tagesordnung. In den handschriftlichen Medicinalia finden sich Anweisungen, die einen Rausch schon im Voraus verhindern sollten ebenso regelmäßig wie Rezepte zur Ausnüchterung: "Ein druncken nüchtern zu machen: Henck eim sein hoden in essig vnd einer frawen ire brüscht" (Cod. Pal. germ. 263, Bl. 47r). Wie oft dieser drastischen Anordnung Folge geleistet wurde, ist nicht überliefert.

Renaissanceeinband
Renaissanceeinband mit Portraitplatte des Kurfürsten Ludwig V. von der Pfalz. Er zählte zu den fleißigsten Rezeptsammlern. In seinem zwölfbändigen "Buch der Medizin" hat er auf 6000 Seiten eine beachtliche Kollektion der Alltagsmedizin seiner Zeit zusammengetragen.

Besonders vielversprechend klingt die Rezeptur, "Das man nit druncken werde". Die Bestandteile für dieses Rezept dürften noch heute leicht zu beschaffen sein: "Bren zu sammen epffe fenchell somen enis vnd pfeffer Seude es dan mit hönig vnd gudtem wein Das drinck obents vnd morgens des dags bistu sicher fur drunckenhaidt" (Cod. Pal. germ. 263, Bl. 49v). Der Wein, so darf man mutmaßen, wird seine Wirkung dennoch gezeigt haben. Auch die körperlichen Konsequenzen des übermäßigen Trinkens bei Hofe spiegeln sich in den medizinischen Rezepturen der Codici Palatini germanici. Etwa in den Rezepturen gegen Hämorrhoiden, die damals wie heute häufig die Folge einer durch chronischen Alkoholkonsum hervorgerufenen Stauungsleber waren. Gegen diese schmerzhafte und unerwünschte Plage, die das Sitzen und Gehen zur Qual machten und die Aufmerksamkeit für Staatsgeschäfte minderte, finden sich Ratschläge, wie "vor das Juckenn an haimlichen ortenn" vorzugehen sei: "Poleÿ oder wermuth gesotten mit wasser, vnnd sich mit dem warmen wasser waschen. Das vertreibt das Jucken. Oder Salz gemischt mit weißwurtzsafft vnnd Baumolÿ vnd schmir es damit. Das vertreibt das Jucken" (Cod. Pal. germ. 195, Bl. 224r). Ob es geholfen hat, wissen wir nicht.

Heidelberger Totentanz

Heidelberger Totentanz, Heidelberger Druck von 1488 (Druck: Heinrich Knoblochtzer)

Die Heidelberger Rezeptsammlung der Codices Palatini germanici ist weder dunkle Fundgrube handschriftlicher medizinischer Curiosa, noch glänzende Schatztruhe einzigartiger Zimelien mit geheimnisvollen Wunderkuren der frühen Heilkunst. Sie spiegelt vielmehr den Alltag der praktizierten und suggerierten Selbstheilung am Hofe wider – die praktische Medizin der schlosshohen Herrschaft also, die vermutlich wenig gemein hatte mit der Medicina practica, wie sie unten in der Stadt von den "professoribus" den "studiosi medicinae" aus gelehrten Folianten eingetrichtert wurde. Man hoffte in Krankheit auf Gott und half sich "auf dem Schloss" im übrigen selbst gegen den Rausch, gegen Hämorrhoiden, Blähwinde, Verstopfung, Gicht und Übelkeit und manch weiteres Zipperlein.

Den Heidelberger Handschriften geht begründet Ruhm voraus: Codex Manesse, Sachsenspiegel, Rolandslied und Parzival – wer von der Bibliotheca Palatina des Kurfürsten Ottheinrich (reg. 1556-1559) spricht, denkt zuerst an den Minnesang und prachtvoll illuminierte Manuskripte. Dies ist verständlich, hat doch die Forschung seit jeher ihr Augenmerk auf die schöne Literatur und auf die Zimelien der Sammlung gerichtet. Viele der in Heidelberg verwahrten Handschriftenschätze sind allerdings Schriften für den alltäglichen Gebrauch, Fachprosa, vor allem aus dem medizinischen Bereich. Was im Jahr 1816 auf Ochsenkarren von Rom über Bozen und Konstanz zurück nach Heidelberg kam und am 3. August feierlich von den Professoren der Universität in Empfang genommen wurde, waren 847 Manuskripte, darunter 298 medizinische aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Zumeist handelt es sich um Rezepthandschriften und um Texte angrenzender Gebiete wie der Alchemie, die das Alltägliche in der Heilkunst jener Zeit repräsentieren. Von der Forschung ist dieser Quellenschatz bislang nur stiefmütterlich behandelt worden – zu Unrecht, handelt es sich doch um eine Quellengruppe von außergewöhnlicher Bedeutung für die nichtuniversitäre Medizin.

Im Gegensatz zu den lateinischen Medicinalia der Bibliotheca Palatina in Rom repräsentieren die deutschsprachigen Manuskripttexte in Heidelberg eine von Laien am Heidelberger Hofe tradierte und praktizierte Volksmedizin. Die Bände entstammen größtenteils der Hofbibliothek und den Privatsammlungen der Pfälzer Kurfürsten und ihrer Nebenlinien. Zu den Sammlern und Überlieferern medizinischer Literatur zählt vor allem Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz (reg. 1508-1544). Er hat mit dem von ihm persönlich niedergeschriebenen zwölfbändigen "Buch der Medizin" auf 6000 Seiten eine beachtliche Kollektion der angewandten Alltagsmedizin seiner Zeit zusammengetragen. Eine vergleichbare medizinische Sammeltätigkeit zeigte auch der Pfalzgraf und spätere Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz (reg. 1576-1583). Unter den Codices Palatini germanici haben sich immerhin 70 Rezeptbuchabschriften erhalten, die auf sein Verlangen hin angefertigt wurden und nicht selten eigenhändige Einträge von ihm enthalten. Als Rezeptsammlerin im großen Stil wirkte schließlich auch Pfalzgräfin Elisabeth von Pfalz-Lautern (1552-1590), die Schwägerin Ludwigs VI. Von ihr finden sich in zahlreichen Bänden der Palatina Anmerkungen und Kompilationsanweisungen; viele der Handschriften stammen aus ihrem persönlichen Besitz. Alle Verfasser der insgesamt rund 150 000 Rezepte sind heute kaum mehr zu identifizieren. Häufig waren es adlige Zuträger, die an der Medizin interessiert waren und sich laienärztlich betätigten, etwa Markgräfin Anna von Baden-Durlach (1540-1586), geb. Pfalzgräfin von Pfalz-Veldenz. Sie hatte an ihrem Witwensitz in Graben sogar eine Apotheke für Bedürftige eingerichtet. Unter den Zuträgern in den deutschsprachigen Rezeptbüchern der Bibliotheca Palatina finden sich daneben zahlreiche Ärzte und Apotheker, aber auch Angehörige und Bedienstete des Hofes, Bürgermeister und Bauern, und damit ein breites Spektrum des im 16. Jahrhundert an Medizin interessierten Publikums. Über die Art der Anwendung, den Nutzen oder die Heilkraft der Rezepte liegen uns so gut wie keine Erkenntnisse vor. Einige der Ingredienzien werden allerdings noch heute in der alternativen Kräutermedizin genutzt.

Die meisten der medizinischen Handschriften und Rezepte der Heidelberger Bibliotheca Palatina orientieren sich am antiken Konzept der Qualitäten- und Humoralphysiologie. Dieses Konzept, das die hippokratische Qualitäten- und Säftelehre vereinigt und bereits im 2. Jahrhundert nach Christus durch Galenos von Pergamon zur kanonischen Form erhoben wurde, beruht auf der Vorstellung, dass das ungleiche Mischungsverhältnis der Körpersäfte – Blut, gelbe und schwarze Galle, Schleim – Ursache aller Krankheitserscheinungen sei. Auch alle Therapie orientierte sich an diesem Konzept, wobei in die therapeutische Konzeption die Eigenschaften der vier Elemente Luft (trocken), Wasser (feucht), Feuer (warm) und Erde (kalt) sowie die ihnen zugeordneten Jahreszeiten Frühling, Winter, Sommer und Herbst einzubeziehen sind: "Got hat vier element geschaffen, das ist fewir lüfft wasser vnde erde. Dauon wirt alle menscheit vnd alle creatür vnde alle frücht vnde alles das auff erden ist daz ist dauon geschaffen vnd gemacht" (Cod. Pal. germ. 213, Bl. 1r/v).

Das ärztliche Handeln zielte zunächst darauf, das gestörte Mischungsverhältnis der Körpersäfte (Dyskrasie) zu erkennen. Dazu diente dem Arzt die Harnschau sowie die differenzierte Beobachtung der Pulsqualitäten. Sodann galt es, ein gestörtes Mischungsverhältnis durch geeignete Maßnahmen so zu verändern, dass wieder eine harmonische und gute Mischung (Synkrasie, Eukrasie) entstand. Zu den Maßnahmen gehörten das Schröpfen, Brech- und Abführmittel, das Fördern der Harnentleerung, des Schwitzens und des Niesens. Die Maßnahmen konnten durch antagonistisch wirkende Arzneimittel verstärkt und ergänzt werden: "Diese Purgation mag ainem menschen ohne sorge eingegeben werdenn, Nim holder wurtzen, wie manns aussgrebet vnnd wesche die sauber, als dann so schels oder schabs. Thue die rinden herab, biss auff das holtz vndd stoss zue ainem mueslen. Truck dann die durch ain weisse Lainen tuchle mach ain gesafft, nim dann vier oder sechs löffel voll morgens nüchteren, mit ainem macht oder milchwasser. Bleib sechs stundt darauf nüchteren dass reuniget dich vnden vnd oben ist bewehrt" (Cod. Pal. germ. 227, Bl. 173r/v).

Medikamentös wurde entsprechend der Qualitätenlehre im Sinne des "contraria contrariis" behandelt. Die jeweilige "intemperies" der Krankheit bestimmte, welches Medikament eingesetzt wurde. Eine überwiegend kalte Qualität musste also mit wärmenden Medikamenten behandelt werden, ein Übermaß an Trockenheit mit Arzneimitteln feuchter Qualität und so fort. Diätetische Maßnahmen, die sich im Sinne der hippokratischen "diaitia" auf die gesamte Lebensführung bezogen, ergänzten die Therapie und dienten gleichzeitig der Vermeidung zukünftiger Krankheiten. Leitendes Prinzip war der sorgsame Umgang mit den "sex res nonnaturales": Beschaffenheit der Luft (aer), Speise und Trank (cibus et potus), Ruhe und Bewegung (motus et quies), Schlafen und Wachen (somnus et vigilia), Füllung und Entleerung des Körpers (repletio et evacuatio) und schließlich die Gemütsbewegungen (accidentia animi). Überall sollte ein ausgewogenes Gleichmaß herrschen: im Schlafen und Wachen, im Arbeiten und Ruhen, im Essen und Trinken, im Liebesleben und in der Enthaltsamkeit, in der intellektuellen Beanspruchung und in der Muße. Humoralpathologie und Diätetik blieben die Leitkonzepte professioneller Medizin bis in die frühe Neuzeit.

In der mittelalterlichen Rezeption entstand aus der Säftekonzeption zusätzlich eine Charakterlehre, die im Volksglauben noch heute fassbar ist. Sie interpretierte die jeweilige Persönlichkeit abhängig von der Mischung der Körpersäfte. Das Überwiegen einer der vier Säfte wurde mit bestimmten Wesensarten in Zusammenhang gebracht: Dem Choleriker wurde ein aufbrausendes, jähzorniges und heftiges Wesen zugeschrieben, das ursächlich auf einem Überwiegen der gelben Galle beruhe. Beim Melancholiker hingegen dominiere die schwarze Galle. Dadurch entstünde ein Typus mit traurigem Wesen, einer getrübten Gemütsverfassung, Hemmungen und Verstimmungen bis hin zum Wahn. Beim Sanguiniker überwiege der Blutsaft. Dies führe zu Überreizungen und Erregungen, aber auch zur Heiterkeit. Der Phlegmatiker schließlich sei wegen der Dominanz des Schleims langsam, "zähflüssig" zögerlich und oberflächlich.

Auch "iatroastrologische" Rezepturen finden sich in großer Zahl. Ihnen lag die Annahme zu Grunde, dass eine Korrespondenz zwischen den Planeten und ihren Zeichen (Sternzeichen) – dem Makrokosmos und dem menschlichen Organismus mit all seinen Bestandteilen als Mikrokosmos – bestehe. Dem Einfluss der Gestirne sollten Gesundheit und Krankheit des Menschen folgen; entsprechend sollte der Arzt aus ihrer Konstellation auf die Krankheitsursachen, das therapeutische Vorgehen und die Heilungsaussichten rückschließen.

In der mittelalterlichen Krankheitsvorstellung verbanden sich darüber hinaus Humoralpathologie, Qualitätenpathologie und Iatroastrologie zu festen Zuordnungen. Man nahm etwa an, dass der Planet Mars von trockener und heißer Qualität sei und deshalb eine Korrespondenz zur Galle, den Adern und dem Rücken aufweise. Die Venus hingegen sei kühl und feucht und korrespondiere mit den Nieren sowie den Geschlechtsorganen und fördere den Schleim. Die Sonne wirke vor allem auf das Herz und habe einen trocken-heißen Einfluss auf das Blut.

Neben humoralistischen und iatroastrologischen Rezepturen unter den Rezepten der Bibliotheca Palatina sind schließlich auch solche aus dem Bereich der Iatromagie in vielfältigsten Versionen vertreten. Ihnen lag der Glaube an eine magische Weltbestimmtheit durch Entsprechungen und Sympathien zu Grunde. Überwiegend handelt es sich dabei um Formen der Simile-Magie, die auf einfache Stoff-, Farb-, Kraft- und Gestaltanalogien zurückgriffen. Beispiele hierfür sind Safran und Schöllkraut, die wegen ihrer gelben Blüten gegen die Gelbsucht helfen sollten (Chromanalogie), oder das Leberblümchen, das wegen seiner leberähnlichen Blätter gegen Leberleiden eingesetzt wurde. Der Rubin sollte bei Krankheiten des Blutes sowie des Herzens und der Bernstein bei Blasenleiden helfen. "Fur die Gelsucht Nim gelben augstain, ain vngstossenen Safran, vnd das gelb auss dem ringelblomen, Du magsts gedörtt oder sonst nemen, wie du es haben khanst, Stoss es alles durch ein andern vnd aines gulden schwer eingenohmen inn frischem wasser, vnd in ein beth gelegt, daz hilfft" (Cod. Pal. germ. 227, Bl. 84r).

Die deutschprachigen medizinischen Handschriften der Heidelberger Bibliotheca Palatina werden zurzeit in einem aufwändigen Projekt erschlossen und ausführlich katalogisiert. Finanziert wird das Projekt seit 1996 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg. Neu ist, dass die in Heidelberg erstellten Katalogisate nicht nur das Äußere der Handschriften formal beschreiben, sondern auch die Überschriften sämtlicher Einzelrezepte und die Namen der Rezeptzuträger enthalten. Die Rezepte werden zudem über ein Indikationenregister erfasst. Hiermit werden der Wissenschaft weitreichende Möglichkeiten eröffnet, den in seiner Reichhaltigkeit wohl einzigartigen Heidelberger Rezeptschatz aus dem 15. und 16. Jahrhundert zu erforschen.

Autoren:
Matthias Miller, M.A./Dr. Karin Zimmermann,
Universitätsbibliothek – Handschriftenabteilung,
Plöck 107-109,
69117 Heidelberg,
Telefon (06221) 54 25 92,
e-mail: miller@ub.uni-heidelberg.de/zimmermann @ub.uni-heidelberg.de;
Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart,
Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin,
Im Neuenheimer Feld 327,
69120 Heidelberg,
Telefon (06221) 54 82 12,
e-mail: wolfgang.eckart@urz.uni-heidelberg.de

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