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Meinungen

Reform der Lehrerausbildung:
Ministerielle Intention und universitäre Kritik

Die moderne Lehrerausbildung besteht aus fachwissenschaftlichen, erziehungswissenschaftlichen, fachdidaktischen und schulpraktischen Studien. Je nach Schulstufe und -art haben diese Komponenten in der Ausbildung unterschiedliche quantitative Anteile – der fachwissenschaftliche Bereich ist für Gymnasiallehrer/innen am größten. Als besondere Bedingung kommt hier noch die Zweiphasigkeit hinzu: Die Ausbildung ist in eine theorieorientierte Studienphase in der Universität und eine praxisorientierte Phase in einem Studienseminar aufgeteilt. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen hat das Kultusministerium Baden-Württemberg mit dem Entwurf der neuen Lehramtsprüfungsordnung ein Reformkonzept vorgelegt. Die Motive: Der erziehungswissenschaftliche Studienanteil hatte bislang in der ersten Ausbildungsphase einen so geringen Umfang, dass die Gleichwertigkeit mit der Lehrerbildung anderer Bundesländer nicht mehr gegeben war; die Praxisphase war auf den zweiten Aubildungsabschnitt konzentriert.

Die Einwände der Lehrerbildungskommission und des Senats der Universität an der jetzt zur Anhörung vorgelegten Lösung der Strukturprobleme richten sich insbesondere gegen (1) das Praxissemester, (2) die Einschränkung des fachwissenschaftlichen Studienanteils, (3) Einzelheiten der Prüfungsgestaltung.

  1. Kernstück des ministeriellen Reformvorhabens ist die Einführung eines Praxissemesters nach der fachwissenschaftlichen Zwischenprüfung, das in der Verantwortung der Studienseminare an einer Ausbildungsschule absolviert werden soll. Die Universitätsgremien wenden hierzu ein, dass die Kontinuität der Fachstudien dadurch beeinträchtigt und notwendige Auslandsaufenthalte in den sprachlichen Fächern behindert werden. Hinzu kommt, dass die Termine des Schuljahres mit der Semesterfolge nur schwer zu koordinieren sind und höhere finanzielle Aufwendungen für die Studierenden entstehen, beispielsweise durch die Notwendigkeit eines Umzugs. Aus der Sicht der Lehrerbildungsforschung ist zu ergänzen, dass sich professionelles Handlungswissen von Lehrkräften in langfristigen Reflexionsprozessen aufbaut. Da dieses Wissen bei den Praktikanten noch nicht in zureichendem Maße vorhanden ist, haben Kritiker von einem "Praxisschocksemester" gesprochen.
  2. Die Ausweitung des erziehungswissenschaftlichen Begleitstudiums ist aus Sicht der Pädagogik nur zu begrüßen. Die im Studienseminar angebotene Erziehungswissenschaft und Pädagogische Psychologie ist zwar in der Regel auf dem neuesten Stand. Aber es handelt sich um rezipierte Wissenschaft – Forschung, gehört nicht zu den Dienstaufgaben der Fachleiter/innen. Die Universitätsgremien wenden sich nicht gegen die Ausweitung des erziehungswissenschaftlichen Studiums als solches, sondern gegen die damit verbundene Verkürzung der fachwissenschaftlichen Studien.
  3. Bei den Prüfungseinzelheiten richtet sich die Kritik dagegen, dass den Prüfungsvorsitzenden, die aus der Schule kommen, die Rolle eines gleichberechtigten Mitprüfers zugeschrieben wird – und dass überhaupt in der Lehrerbildung tätige Gymnasiallehrer/innen zu Prüfern bestellt werden können. Die Universität sieht darin einen Eingriff in ihre Lehr- und Prüfungsfreiheit. Die Gefahr einer Aushöhlung des fachlichen Gehaltes der mündlichen Prüfung sei – so die Gremien – nicht abzuweisen.

Neben diesen zentralen Kritikpunkten ist aus meiner Sicht besonders die unbefriedigende Einbeziehung der Fachdidaktik in die erste Phase der Ausbildung zu nennen.

Die Universität war zur Kommentierung eines vorliegenden Entwurfs, nicht zur Vorlage eines eigenen Vorschlags aufgefordert. Unter den gegebenen Bedingungen könnte eine Lösung, die sowohl die Reformintentionen des Ministeriums als auch die Kritik der Gremien aufnimmt, folgendermaßen aussehen:

  1. Das Praxissemester wird in mehrere Blockpraktika während der vorlesungsfreien Zeit, eventuell auch in Tagespraktika während der Vorlesungszeit, aufgeteilt. Ein Vorbild könnte die Praktikumsgestaltung an Pädagogischen Hochschulen sein.
  2. Die Gesamtstudienzeit bleibt, einschließlich des Praxissemesters, in dem Rahmen, den der Entwurf festgelegt. Das zusätzliche Semester wird genutzt, um drohende fachwissenschaftliche Defizite zu kompensieren. Die Gesamtausbildungsdauer, einschließlich Referendariat, bleibt unverändert.
  3. Die Prüfungseinzelheiten werden im Sinne der Monita der Universität geregelt.
Prof. Dr. Volker Lenhart
Direktor des Erziehungswissenschaftlichen Seminars 
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