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Das Glas und seine Geheimnisse

Gläser gehören zum täglichen Leben. Was wir selbstverständlich in unserem Alltag verwenden, gibt den Physikern noch immer Rätsel auf. Wie entstehen Gläser? Oder wie verhalten sie sich bei tiefen Temperaturen? Siegfried Hunklinger vom Kirchhoff-Institut für Physik berichtet von den raffinierten Methoden, die Wissenschaftler einsetzen müssen, um den Gläsern einige ihrer bestgehütetsten Geheimnisse zu entlocken.

Gläser werden seit langer Zeit im täglichen Leben angewendet. Dennoch sind viele ihrer physikalischen Eigenschaften noch weitgehend unverstanden. Hierzu zählen insbesondere der Prozess ihrer Entstehung, der so genannte Glasübergang, und das Verhalten von Gläsern bei tiefen Temperaturen – das Thema dieses Beitrages.

Was heißt ",tiefe Temperaturen"? Bekanntlich ist in der Physik die Temperatur ein Maß für die Stärke der atomaren Bewegung. Am absoluten Nullpunkt (T = 0 K) sind im klassischen Sinne alle Atome in Ruhe. In der üblichen Temperaturskala ausgedrückt, entspricht dies einer Temperatur von -273,15 °C. Die Thermodynamik lehrt uns, dass man sich dem absoluten Nullpunkt experimentell nur nähern, ihn aber niemals erreichen kann. Welche Temperaturen kommen überhaupt in der Natur vor? Die Abbildung auf Seite 11 gibt einen Überblick: Die Darstellung im logarithmischen Maßstab beginnt mit der Temperatur der heißesten Sterne bei 109 K und endet bei 10-6 K, der tiefsten Temperatur, die im Labor erreicht wurde. Der kleine Punkt in der Mitte der Skala auf Seite 11 ("Organisches Leben") spiegelt den enorm schmalen Temperaturbereich wider, in dem sich unser Leben abspielt.

Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf Vorgänge, die unter 1 K ablaufen. Merkwürdigerweise sind derartig tiefe Temperaturen in der Natur nicht anzutreffen, denn die tiefste Temperatur im Universum beträgt 2,7 K. Sie wird durch die Hintergrundstrahlung bestimmt, welche vom Urknall herrührt. Ohne den gezielten Einsatz von speziellen Kühlmechanismen kann diese Temperatur nirgendwo unterschritten werden. Physikalische Phänomene, die wir im Labor nur unter 2,7 K beobachten, treten daher in der Natur nicht auf, es sei denn, intelligente Wesen sind in der Lage, lokal tiefere Temperaturen zu erzeugen.

In der Vergangenheit beschäftigte sich die Festkörperphysik vorzugsweise mit Kristallen, die sich durch die reguläre Anordnung ihrer Atome oder Moleküle auszeichnen. Ein Blick auf die Abbildung auf Seite 11 (oben links) verdeutlicht, dass für jeden perfekten Kristall nur eine, wohldefinierte, Anordnung der Atome existiert.

Die hohe Symmetrie der Kristalle ist eine große Erleichterung bei der mathematischen Beschreibung ihrer Eigenschaften. Bei glasartigen Festkörpern dagegen liegen die Verhältnisse ganz anders. Da Gläser üblicherweise durch rasches Abkühlen ihrer Schmelzen hergestellt werden, erfolgt die Verfestigung so rasch, dass den Atomen nicht genügend Zeit bleibt, sich regelmäßig anzuordnen. Es bilden sich kleine Hohlräume von atomarer Dimension. Daher wird jedes Glas – auch bei gleicher Zusammensetzung – einen unterschiedlichen atomaren Aufbau aufweisen.

 

Zwar besitzt auch in Gläsern die Mehrzahl der Atome eine eindeutige Gleichgewichtslage, in der sie wie die Atome der Kristalle thermische Schwingungen ausführen. Es gibt aber auch immer wieder Konfigurationen, in denen die Lage einzelner Atome oder ganzer Atomgruppen nicht eindeutig festgelegt ist. Diesen Sachverhalt illustrieren die oberste und die rechte Abbildung auf dieser Seite. Sie sind nahezu äquivalent und unterscheiden sich nur durch die Verlagerung von zwei blau markierten Atomen. Betrachtet man die beiden Atome auf dem Weg von einer Gleichgewichtslage zur anderen, so bewegen sie sich in einer Energie- oder Potenziallandschaft, wie sie in der Abbildung auf Seite 12 (Mitte) gezeigt ist. Tatsächlich wechselt das Atom bei höheren Temperaturen auf Grund der thermischen Bewegung ständig seine Ruhelage: Es springt über den Potenzialberg des Doppelmulden-Potenzials von einer zur anderen Gleichgewichtslage. Wäre die klassische Physik uneingeschränkt gültig, so käme das Atom beim Abkühlen schließlich in einer der beiden Mulden zur Ruhe. Die Quantenmechanik erlaubt aber – wenn auch mit geringer Wahrscheinlichkeit – ein "Durchtunneln" des Potenzialbergs. Dadurch sind in Gläsern auch bei sehr tiefen Temperaturen atomare Bewegungen über relativ große Entfernungen möglich. Kristalle hingegen erstarren bei tiefen Temperaturen völlig, da jedes Atom fest in seiner Ruhelage sitzt.

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Schematische zweidimensionale Darstellung der Struktur eines Kristalls (links) und von Glas (mitte, rechts). Dunkelblau hervorgehoben ist ein Atom, das zwei unterschiedliche Gleichgewichtslagen einnehmen kann.

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Die logarithmische Temperaturskala zeigt einige charakteristische Phänomene.

Die tatsächlichen Verhältnisse sind etwas komplexer: In Wirklichkeit bewegen sich nicht nur einzelne Atome, sondern auch kleine Gruppen mit wenigen Atomen. Man spricht daher von "Tunnelsystemen", in denen sich ein nicht näher spezifiziertes "Teilchen" bewegt, dessen genauer atomarer Aufbau unbekannt ist. Da sich die Muldentiefen auf Grund der irregulären Struktur im Allgemeinen ein wenig unterscheiden, besteht bereits ohne Berücksichtigung des Tunnelns eine Energiedifferenz zwischen den beiden Zuständen. Die Tunnelbewegung erhöht diese Differenz, beziehungsweise bewirkt eine Differenz, wenn die beiden Mulden gleich tief sind. Unabhängig von den speziellen Umständen kann das Teilchen immer nur zwei wohldefinierte Energiewerte einnehmen, weshalb man auch von "Zwei-Niveau-Systemen"spricht. Da sich die Energielandschaft und auch die Größe des tunnelnden Teilchens in der irregulären Glasstruktur von System zu System unterscheiden, variiert auch deren Energieaufspaltung. Nahe dem absoluten Nullpunkt befinden sich die Zwei-Niveau-Systeme im energetisch tieferen Zustand. Bei endlichen Temperaturen nehmen die Tunnelsysteme thermische Energie auf: Sie werden angeregt.

Einen ersten Hinweis auf die Existenz von Tunnelsystemen in Gläsern und deren Fehlen in perfekten Kristallen liefert die Messung der spezifischen Wärme. Sie gibt an, welche Energie einer Probe zugeführt werden muss, um eine bestimmte Temperaturerhöhung zu bewirken. Ihr Wert ist ein Maß für die Zahl der Schwingungen oder strukturellen Umlagerungen, die thermisch besetzt werden kann. In der Abbildung auf Seite 12 rechts ist der Temperaturverlauf dieser Messgröße für kristallinen Quarz und für Quarzglas (im logarithmischen Maßstab) dargestellt. Die Differenz zwischen den beiden Kurven wird mit abnehmender Temperatur immer ausgeprägter, bis bei 25 mK die spezifische Wärme des Glases etwa 5000 mal größer ist als die des Kristalls. Dieses Ergebnis zeigt, dass in Gläsern selbst bei tiefen Temperaturen neben den atomaren Schwingungen noch weitere Freiheitsgrade angeregt werden können.

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Spezifische Wärme von Quarzglas und kristallinem Quarz als Funktion der Temperatur.

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass dieses Verhalten keine Eigenart des Quarzglases ist, sondern dass bei allen Gläsern eine so hohe spezifische Wärme gefunden wird. Überraschenderweise ist nicht nur der Temperaturverlauf, sondern auch der Absolutwert der spezifischen Wärme unabhängig von der chemischen Zusammensetzung in allen Gläsern ähnlich: Hochreines Quarzglas, Fensterglas, metallische Gläser und glasartige Polymere enthalten in etwa ein Tunnelsystem auf eine Million Atome.

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Doppelmuldenpotenzial mit Energieniveaus.

Dass Zwei-Niveau-Systeme existieren, wurde von uns vor fast drei Jahrzehnten mit Hilfe von Ultraschallmessungen bei Frequenzen um 1 GHz und Temperaturen unter 1 K nachgewiesen. Dies gelang durch die Beobachtung des Sättigungsverhaltens der Ultraschallabsorption. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass die Zwei-Niveau-Systeme der Gläser nicht klassisch beschrieben werden können und tatsächlich durch quantenmechanische Tunnelbewegungen hervorgerufen werden, lässt sich durch die Erzeugung von "kohärenten Echos" erbringen. Dazu wird die Probe zunächst auf Temperaturen unter 50 mK abgekühlt, um die Folgen der unerwünschten thermischen Bewegung zu vermindern. Dann wird für kurze Zeit eine Mikrowelle in die Glasprobe eingestrahlt. Deren elektrisches Wechselfeld regt die geladenen Tunnelteilchen zu Schwingungen im Takt der Welle an. Mit der gemeinsamen Schwingung ist eine oszillierende elektrische Polarisation verbunden, die sich mit geeigneten Messmethoden nachweisen lässt.

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Der Einfluss eines schwachen Magnetfeldes auf die Dielektrizitätskonstante eines Mehrkomponentenglases

Schaltet man die Mikrowelle wieder ab, schwingen zwar die Tunnelsysteme weiter, kommen aber innerhalb weniger Nanosekunden außer Takt. Damit verschwindet die messbare makroskopische Polarisation der Glasprobe. Nach wenigen Mikrosekunden wird ein zweites Mal die Mikrowelle eingeschaltet. Wählt man Stärke und Dauer der beiden Mikrowellenpulse in geeigneter Weise, findet man, dass sich nach einiger Zeit spontan eine elektrische Polarisation aufbaut, die gemessen werden kann und nach kurzer Zeit wieder verschwindet. Dabei stellt man fest, dass zwischen dem zweiten Puls und dem Auftreten des "Echos" gerade die gleiche Zeit verstreicht wie zwischen erstem und zweitem Puls.

Eine eingehendere Betrachtung zeigt, dass dieses Phänomen – welches übrigens von Experimenten zur Kernspinresonanz wohlbekannt ist – nur dann auftreten kann, wenn die Phase aller mitschwingenden Tunnelsysteme zu allen Zeiten (also auch zwischen den beiden Mikrowellenpulsen) einen wohldefinierten Wert besitzt. Daraus muss gefolgert werden, dass sich auch die Phase der quantenmechanischen Wellenfunktion der Tunnelsysteme während der ganzen Beobachtungszeit in vorhersagbarer Weise entwickelt. Damit ist eindeutig gezeigt, dass die Zwei-Niveau-Systeme durch quantenmechanische Tunnelprozesse hervorgerufen werden. Mit zunehmender Temperatur werden die Tunnelsysteme durch die erhöhte thermische Bewegung der Umgebung immer stärker gestört, so dass sich kaum mehr Echos erzeugen lassen. Der Tunnelprozess verliert an Bedeutung, bis die Bewegung der Teilchen in den Doppelmulden-Potenzialen den Gesetzen der klassischen Physik folgt.

Im zweiten Teil des Artikels möchte ich auf neue Untersuchungen eingehen, bei denen die Dielektrizitätskonstante von Gläsern gemessen wurde. Zur Erinnerung: Die Dielektrizitätskonstante ist ein Maß für die Stärke der elektrischen Polarisation, die in der Probe von einem elektrischen Feld hervorgerufen wird. Da Tunnelsysteme eine elektrische Ladung tragen können, bestimmen sie bei tiefen Temperaturen nicht nur weitgehend die elastischen und thermischen Eigenschaften von Gläsern, sondern auch das Verhalten der Dielektrizitätskonstanten. Welchen Einfluss sollte aber ein Magnetfeld auf die Dielektrizitätskonstante ausüben?

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Dreidimensionales Potenzial ("Mexikanerhut") mit zwei Mulden

Zieht man klassische Theorien zu Rate, so erwartet man allenfalls eine sehr schwache quadratische Abnahme der Dielektrizitätskonstanten mit dem anliegenden Feld. Diese Voraussage wurde durch die bisherigen Experimente bestätigt: Bei Feldstärken von einem Tesla, die in etwa dem 20000-fachen Erdfeld entsprechen, wurden relative Änderungen von höchstens 10-5 berichtet. In unseren neuen Experimenten wurde die Dielektrizitätskonstante eines Glases untersucht, das aus BaO, Al2O3 und SiO2 bestand. In der Abbildung auf Seite 12 unten ist das Ergebnis einer Messung bei 64 mK dargestellt. Überraschenderweise steigt die Dielektrizitätskonstante zunächst stark mit dem Magnetfeld an, durchläuft ein ausgeprägtes Maximum, dem ein zweites schwächeres folgt. Messungen bei unterschiedlichen Temperaturen zeigen, dass dieser Effekt mit abnehmender Temperatur immer stärker wird.

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Variation der Dielektrizitätskonstanten eines Mehrkomponentenglases als Funktion des Magnetfeldes

Zunächst ist erstaunlich, dass das Glas überhaupt auf Magnetfelder anspricht, da es keine magnetischen Bestandteile enthält. Wenn auch die Beobachtungen noch nicht voll verstanden sind, existieren doch Ansätze zur Erklärung dieses Phänomens. Dabei geht man davon aus, dass das tunnelnde Teilchen keine geradlinige Bewegung ausführt, sondern sich längs einer gekrümmten Bahn bewegt. Das Potenzial könnte dann (wie in der Abbildung auf Seite 12/13 gezeigt) die Form eines Mexikanerhuts besitzen, dessen Krempe zwei Mulden aufweist. Dem tunnelnden Teilchen stehen dann zwei Wege zur Verfügung, um von einer Potenzialmulde zur anderen zu gelangen.

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Beim Anliegen eines Magnetfelds wirkt auf das geladene Teilchen die so genannte Lorentz-Kraft, wodurch die Tunnelbewegung beeinflusst wird. Die Quantenmechanik lehrt uns, dass im Magnetfeld beide Wege nicht mehr gleichberechtigt sind und Interferenzeffekte berücksichtigt werden müssen, die zu einer Veränderung der Energieaufspaltung der Zwei-Niveau-Systeme führen. Da die Energieaufspaltung auch die Dielektrizitätskonstante beeinflusst, macht diese Überlegung verständlich, dass das Magnetfeld tatsächlich diese Messgröße verändern kann. Mit Hilfe der Interferenzeffekte lässt sich im Prinzip auch das Auftreten der Oszillationen verstehen ("Aharanov-Bohm-Effekt").

Obwohl sich damit die Beobachtungen grundsätzlich erklären lassen, bleibt die enorme Größe des Effekts und die Tatsache unverstanden, dass relativ kleine Magnetfelder bereits Anlass zu Oszillationen geben. Setzt man typische Zahlenwerte in die Theorie ein, findet man, dass Oszillationen erst bei Magnetfeldern auftreten sollten, die hunderttausendmal größer sind als die tatsächlich verwendeten. Es muss deshalb noch ein weiterer Effekt eine wichtige Rolle spielen, nämlich die Kopplung der Bewegung der Tunnelsysteme untereinander.

Das Auftreten einer derartigen Kopplung wird verständlich, wenn man bedenkt, dass die tunnelnden Teilchen geladen sind. Die Tunnelsysteme tragen somit ein elektrisches Dipolmoment. Ist die Kopplung durch die resultierenden elektrischen Felder hinreichend stark, dann wird die Tunnelbewegung der einzelnen Teilchen "synchronisiert". Die gemeinsame Bewegung verstärkt den Beitrag der einzelnen Tunnelsysteme und die Oszillation der Dielektrizitätskonstanten findet bei wesentlich kleineren Feldern statt. Das hier entwickelte Bild erklärt zusätzlich die Beobachtung, dass die Magnetfeldabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten bei höheren Temperaturen verschwindet und mit abnehmender Temperatur immer deutlicher zutage tritt. Es ist offensichtlich, dass die Wechselwirkung zwischen den Tunnelsystemen nur dann von Bedeutung sein kann, wenn die thermische Energie vergleichbar oder kleiner als die Kopplungsenergie ist. Nach unseren Erkenntnissen wird diese Bedingung aber erst unterhalb von 0,1 K erfüllt.

Was erwartet man, wenn die Probe weiter und weiter abkühlt? Wenn auch hierzu noch keine systematischen Untersuchungen existieren, gibt es doch bereits einige bemerkenswerte Resultate. So wurde bei 5,8 mK ein Knick im Temperaturverlauf der Dielektrizitätskonstanten beobachtet. Das legt den Schluss nahe, dass sich bei dieser Temperatur das dynamische Verhalten der Tunnelsysteme stark verändert.

Die Ergebnisse einer Messung im Magnetfeld bei einer Temperatur von nur 1,85 mK sind in der unteren Abbildung auf Seite 13 wiedergegeben. Dieses Experiment wurde in einem so genannten Kernspin-Entmagnetisierungs-Kryostaten durchgeführt, in dem Temperaturen weit unter 1 mK erreicht werden. Die Probe befand sich an einem Ort, an dem das Magnetfeld zunächst nur etwa 20 µT (Mikrotesla) betrug, das heißt, es war schwächer als das Magnetfeld der Erde. Wie die obere Hälfte der Abbildung zeigt, wurde das Feld langsam verändert. Obwohl die Änderungen nur etwa einem Fünftel des Erdfeldes entsprachen, folgt die Dielektrizitätskonstante des Glases gut messbar dieser Feldvariation. Offensichtlich verstärkt sich der oben diskutierte Effekt mit abnehmender Temperatur dermaßen, dass bereits kleinste Magnetfelder einen Einfluss auf die Dynamik der Tunnelsysteme ausüben.

Möglicherweise führt bei diesen tiefen Temperaturen ein merklicher Bruchteil der vorhandenen Tunnelsysteme eine korrelierte Bewegung aus, das heißt, die tunnelnden Teilchen dieser Systeme bewegen sich alle im gleichen Takt. Bisher wurde eine derartige gemeinsame Bewegung einer großen Zahl von Atomen noch in keinem Festkörper beobachtet.

Während die Tieftemperatur-Eigenschaften von perfekten dielektrischen Kristallen gut verstanden sind, halten Gläser immer wieder Überraschungen bereit. Anlass hierzu geben die Tunnelsysteme, deren Existenz eine Folge der irregulären Struktur der Gläser ist. Wenngleich in den beiden letzten Jahrzehnten ein grundlegendes Verständnis dieser Phänomene erarbeitet werden konnte, bleibt noch immer eine Reihe von Fragen unbeantwortet. Hierzu gehört die Frage nach der mikroskopischen Natur der Tunnelsysteme. Weiterhin ist unverstanden, warum die chemische Zusammensetzung der Gläser keinen Einfluss auf die Zahl der vorhandenen Tunnelsysteme besitzt.

Völlig neue Perspektiven eröffnen Experimente, in denen der Einfluss von Magnetfeldern untersucht wird. Es treten Phänomene auf, wie sie in Gläsern und auch in anderen Festkörpern bisher nicht beobachtet und auch nicht erwartet wurden. Die Kopplung an Magnetfelder kann so stark sein, dass selbst Felder schwächer als das Erdfeld deutliche Auswirkungen auf die dynamischen Eigenschaften des untersuchten Glases haben.

Autor:
Prof. Dr. Siegfried Hunklinger
Kirchhoff-Institut für Physik, Albert-Ueberle-Straße 3-5, 69120 Heidelberg,
Telefon (0 62 21) 54 92 61, Fax (0 62 21) 54 92 62

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