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Meinungen

Juniorprofessur: "Eine neue Karriereperspektive"

 Pro

 

Es ist an der Zeit, den Weg in die akademische Selbstständigkeit zu reformieren. Das neue Hochschulrahmengesetz schafft mit den Juniorprofessuren Bedingungen, die es erlauben, früher als bisher eigenverantwortlich zu forschen und zu lehren. Mit der Schaffung von Juniorprofessuren soll die bislang übliche Habilitation entfallen. Die Berufung erfolgt für maximal sechs Jahre entweder direkt nach der Promotion oder nach einer Postdocphase von zwei bis drei Jahren. Die Stellen bieten ein solides Gehalt und sind zusätzlich mit 60000 Euro für Sachmittel zur eigenen Disposition ausgestattet. Eine Zwischenevaluation der Forschungs- und Lehrtätigkeit nach drei Jahren soll sicherstellen, dass der eingeschlagene Weg in die wissenschaftliche Selbstständigkeit erfolgversprechend ist. Der Gesetzgeber möchte also nicht nur das Eintrittsalter für Professorinnen und Professoren senken, sondern auch die Qualifikation für die Lehre verbessern.

International kommt die Juniorprofessur am ehesten einer "tenure-track"-Stelle in den USA gleich, und doch gibt es entscheidende Unterschiede. Auch die tenure-track-Stelle wird meist nach ein oder zwei Postdocstellen angetreten, sie ist stets mit einem Lehrdeputat verbunden und die Stelleninhaber führen den Professorentitel. Eine finanzielle Grundausstattung gibt es in den USA nicht; dafür ist die Stelle in der Regel mit der Perspektive verbunden, als "assistant professor" in die Fakultät aufgenommen zu werden.

Die tenure-track-Stelle ist einem Lehrstuhl zugeordnet. Dies bedeutet eine gewisse finanzielle Abhängigkeit, gleichzeitig ist damit die Möglichkeit gegeben, Doktoranden in eigene Projekte einzubinden und zu betreuen. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Anbindung ist die Unterstützung beim Verfassen von Forschungsanträgen. Dies frühzeitig zu lernen, garantiert die spätere Eigenständigkeit beim Durchführen wissenschaftlicher Projekte.

In Deutschland ist die Juniorprofessur keinem Lehrstuhl zugeordnet. Unabhängig von einem Lehrstuhl sind die oben erwähnten Erfahrungen nur schwer zu machen. Die Grundausstattung von 60000 Euro mag in vielen Fällen ausreichend sein, Forschungsprojekte zu finanzieren. Dennoch wäre eine Differenzierung wünschenswert, damit Juniorprofessorinnen und -professoren auch bei kapitalintensiveren Projekten eine Chance haben. Zudem wäre es nötig, außerhalb der meist mehrjährigen Förderperioden beim Bund, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder ähnlichen Organen Programme zu schaffen, die es erlauben, kurzfristig Mittel für Doktorandenstellen zu erhalten. Anders dürfte es schwer fallen, im vorgegebenen Zeitrahmen eigene Doktoranden einzustellen und vom Promotionsrecht tatsächlich Gebrauch zu machen.

Ein wichtiger Gesichtspunkt der Juniorprofessur ist die Lehrverpflichtung und die damit einhergehende Evaluation der Lehre. Nur so lassen sich Lehrbefugnis und -befähigung künftig in Einklang bringen. Der neue Gesetzentwurf sieht vier bis acht Semesterwochenstunden vor, um ein Lehrprogramm außerhalb des eigenen Spezialinteresses zu entwickeln. Jeder, der das erste Mal eine Vorlesung erarbeitet hat, weiß, dass während dieser Zeit Abstriche bei der Forschungsarbeit gemacht werden müssen. Hier muss die Erfahrung zeigen, ob die Zwischenevaluation nach drei Jahren praktikabel ist.

Was bleibt bei der neuen und schnelleren Art, Professor auf Lebenszeit zu werden, auf der Strecke? Die Zeit, die man bislang vor und während der Habilitation verbracht hat, war ja durchaus nicht nutzlos – wenn auch finanziell deutlich karger. Meine Stationen auf dem Weg in die wissenschaftliche Selbstständigkeit waren die Zeit als Assistent und die beiden Postdocstellen, die erste in einem deutschen Großforschungslabor, die zweite an einer amerikanischen Universität. Diese "Wanderjahre" waren prägend. Die Kontakte, die sich während dieser Zeit ergeben haben, waren äußerst wichtig; auch andere Forschungs- und Lehrsysteme kennen zu lernen, war eine nicht zu unterschätzende Erfahrung. Wenn die Postdocphase tatsächlich stark verkürzt wird, und wenn im Extremfall eine Lebenszeitstellung mit nur einem einzigen Hochschulwechsel verbunden ist, können diese wichtigen Erfahrungen nicht mehr gesammelt werden.

Zusammenfassend sind Juniorprofessuren dennoch begrüßenswert. Die einzelnen Fachbereiche an den Hochschulen werden davon profitieren. Vor allem dann, wenn sie bei der gesetzlich nicht geregelten personellen Ausgestaltung der neuen Stellen mitwirken.

Johannes Wessels,
Kernphysiker am Physikalischen Institut der Universität Heidelberg

Contra

Das Ziel der Reform des Hochschuldienstrechts ist, die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Wissenschaft und Forschung zu stärken, die deutsche Wissenschaft international konkurrenzfähig zu machen und zu diesem Zweck vor allem die Qualifikationswege für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu verkürzen. Ein entscheidender Faktor ist die Einführung der Juniorprofessur. Sie ist eine enorme Chance und attraktive Herausforderung. Dennoch kann kein eindeutiges Pro ausgesprochen werden.

Der Pflichtenkatalog eines Juniorprofessors umfasst zahlreiche Aufgaben, für deren Erfüllung er häufig nicht ausgebildet ist: vier bis acht Semesterwochenstunden Lehre, Examina und Gutachten, Promotionsrecht, Drittmitteleinwerbung, Verwaltung der Sach- und Personalmittel, Gremienarbeit, innovative Forschung. Man kann dieses Spektrum weder pauschal als unzumutbare Belastung, noch als generelle Chance und uneingeschränkte Verbesserung werten. Umfang und Gewichtung der Aufgaben im Berufsalltag werden von den Bedürfnissen der einzelnen Fächer abhängen. So bedeuten vier bis acht Wochenstunden in geisteswissenschaftlichen Fächern einen erheblichen Arbeitsaufwand; bei kleinen Fächern dürfte er sich in Grenzen halten, ebenso wie die Drittmitteleinwerbung in den Geisteswissenschaften eine geringere Rolle spielt als in den Naturwissenschaften.

Da die existenz- und karrierebestimmende Evaluation der Leistungen des Juniorprofessors zumindest partiell seinen Vorgesetzten obliegt, werden trotz Abschaffung der Habilitation Abhängigkeiten fortbestehen. Unter verantwortungsbewussten Institutsleitern konnte man bislang auch auf C1-Stellen selbständig forschen, lehren und publizieren. Für die entsprechend begünstigten Fälle wird die Juniorprofessur einen Zugewinn an Rechten, Freiheiten und attraktiven Betätigungsfeldern bringen und wäre zu begrüßen. Unter weniger glücklichen Umständen kann sich dieser Zuwachs aber zu einem unbewältigbaren Pflichtenpensum ausweiten.

Die vorgesehene Implementierung weist erhebliche Schwächen auf: Sie soll kostenneutral und damit zwangsläufig auf Kosten bestehender Stellen vonstatten gehen. Sie wird das bisherige breite Spektrum an Qualifikationswegen nicht um eine Alternative ergänzen, sondern weitgehend konkurrenzlos ersetzen. Ihre Einführung ist nicht zu trennen von den neuen Befristungsregelungen für wissenschaftliche Angestellte, deren dramatische Konsequenzen bislang in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden.

Bislang konnten junge Wissenschaftler noch auf weitgehend gleichberechtigten Wegen die Qualifikation für eine Professur erwerben und sich als Privatdozenten mit Zeit- oder gar Lebensverträgen finanzieren, wenn sie nicht zu den wenigen Berufenen zählten. Diese Generation wird von heute auf morgen mit der Alternative "Professur oder Nichts" konfrontiert, da das neue Gesetz neben den Lebenszeitprofessuren nur noch Anstellungen von maximal zwölf Jahren vorsieht. Das Konzept der Juniorprofessur reduziert und hierarchisiert die Qualifikationswege mit Wettbewerbsvorteilen für die Juniorprofessoren. Neben diesen Privilegierten soll es nur noch befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter geben.

Ein echter Wettbewerb um die begehrten Lebenszeitprofessuren scheint sowieso nicht vorgesehen zu sein, da die Zahl der Juniorprofessuren am Bedarf an Hochschullehrern ausgerichtet werden soll. Auf diese Weise wird den Juniorprofessoren im Prinzip nie Konkurrenz von Kollegen und in der Realität wohl auch kaum von Nicht-Juniorprofessoren entstehen. Das erinnert auffällig an Planwirtschaft, die nur eben gar nicht plant, was mit der derzeitigen hochqualifizierten Nachwuchsgeneration und in Zukunft mit den gleichfalls aufwändig ausgebildeten, aber ‚nutzlosen' wissenschaftlichen Mitarbeitern nach Ablauf ihrer Verträge geschehen soll. Die Verengung der wissenschaftlichen Qualifikationswege nach der Promotion basiert offenbar auf der fragwürdigen Annahme, dass man schon einzig anhand der Dissertation entscheiden könne, wer die zukünftigen wissenschaftlichen Hoffnungsträger sein werden. Dass schließlich die freigewordenen Juniorprofessuren nicht von den Fakultäten eigenständig verwaltet, sondern von der Hochschulleitung den Fachbereichen jeweils neu vergeben werden sollen, lässt für die vielerorts schlecht gelittenen Geisteswissenschaften Böses befürchten.

Viele Wege führen nach Rom. Die Juniorprofessur könnte bei verantwortungsvoller Gestaltung und in flexibler Anpassung an die Bedürfnisse der einzelnen Fächer durchaus ein attraktiver neuer Weg neben anderen werden. Sie sollte sich aber in der Praxis erst einmal bewähren, bevor man sie per Gesetz pauschal unter Ausschaltung potenzieller Konkurrenzmodelle und auf Kosten der existenten Vielfalt verordnet.

Monika Trümper,
Wissenschaftliche Assistentin am Archäologischen Institut
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