Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Moleküle auf Zellreise

In Zellen herrscht reger Verkehr: Auf filigranen Schienensträngen fahren Güterzüge mit wertvoller Fracht, gezogen von eigens für Nah-, Mittel- und Fernstrecken konstruierten Lokomotiven. Ralf-Peter Jansen vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg erzählt die spannende Reisegeschichte eines besonders wichtigen und prominenten Fahrgastes, der Boten-RNS. Dieses Molekül macht sich auf den Weg, um Botschaften aus der Steuerzentrale, dem Zellkern, zu den Protein-Produktionsstätten im Zellplasma zu übermitteln. Die perfekte Organisation seiner Reise ist von zentraler Bedeutung für das Leben der Zelle und des Organismus. Fehler, beispielsweise eine ungültige Fahrkarte, können fatale Folgen haben.

Gene sind Abschnitte des Erbmoleküls Desoxyribonukleinsäure, kurz DNS. Die meisten Gene enthalten Informationen, die notwendig sind, um Eiweißmoleküle (Proteine) herzustellen. Proteine sind gleichsam die zelluläre Exekutive: Sie haben lebensnotwendige Funktionen und dienen beispielsweise zur Energieerzeugung, zur Synthese von Bausteinen oder zur Vermehrung einer Zelle.

Aus mehreren Gründen kann die genetische Information der DNS nicht direkt in Proteine übersetzt werden. In höheren Zellen, den so genannten Eukaryonten, befindet sich die DNS beispielsweise im Innern des Zellkerns – die Herstellung der Proteine erfolgt aber außerhalb des Kerns im Zellplasma. Nicht zuletzt wegen dieser räumlichen Trennung muss es eine Art Mittelsmann geben, der den Informationsfluss zwischen der DNS im Zellkern und den Proteinaufbaustätten im Zellplasma bewerkstelligt. Dieser "Mittelsmann" ist ein Molekül, das seiner Funktion entsprechend Boten-Ribonukleinsäure, kurz Boten-RNA (engl. messenger-ribonucleic acid), genannt wird.

Boten-RNAs werden durch einen Vorgang erzeugt, der Transkription genannt wird. Dabei wird ein Gen durch einen Helfer – ein Enzym namens RNA-Polymerase – abgelesen. Während dieses Ablesens, an dem viele weitere zuarbeitende Proteine beteiligt sind, entsteht eine RNA-Kette mit dem Informationsgehalt des abgelesenen DNS-Abschnittes. Das ist jedoch zumeist noch nicht die fertige Boten-RNS. Der Bote entsteht, indem das Primärprodukt, die RNA-Kette, verändert wird. Es werden beispielsweise bestimmte Bereiche herausgeschnitten, ein Vorgang, der als "Spleißen" bezeichnet wird. Da aus einer RNA-Kette oft unterschiedliche Bereiche herausgeschnitten werden, können aus einem einzigen Gen viele verschiedene Boten entstehen. Sie sind die Ausgangsbasis für unterschiedliche Protein-Varianten. Im Extremfall, etwa bei Genen, welche die Information für Rezeptormoleküle von Nervenzellen tragen, entstehen auf diese Art und Weise aus einem Gen über 30 000 Varianten von Boten-RNAs.

Diese Variabilität und ihr Zustandekommen könnte ein Phänomen erklären helfen, das die neueste Analyse des menschlichen Erbguts (Genoms) ergeben hat: Menschen haben offensichtlich viel weniger Gene als zunächst angenommen – vielleicht gerade einmal doppelt so viel wie eine Fruchtfliege. Dennoch ist diese überraschend geringe Anzahl von Genen fähig, einen derart komplexen Organismus wie den des Menschen zu erzeugen. Das "Spleißen" sowie während der Evolution stetig verbesserte Kontrollmechanismen, die auf die entstehenden Boten-RNAs einwirken, sind für das Entstehen der Proteinvielfalt in den verschiedenen Zellen sicher ebenso wichtig wie die unterschiedlichen Gene selbst.

Fertige Boten-RNAs haben einen charakteristischen dreiteiligen Aufbau. Ihr erster Bauabschnitt enthält keine Informationen über das zu synthetisierende Protein. In dieser "5'-nichttranslatierten Region" existieren aber Bindestellen für Faktoren, die eine Boten-RNA als solche erkennen. Sie führen die Boten-RNAs ihrer Verwendung als "Matrize" für die Herstellung des Proteins zu. Diese Identifizierung ist wichtig, da es neben der eigentlichen Boten-RNA noch eine Reihe anderer RNAs mit abweichenden Aufgaben gibt. Der Mittelteil – die so genannte "kodierende Region" – enthält die Information für ein Protein. Im hinteren Bereich – der "3'-nichttranslatierten Region" – befinden sich wiederum Bindestellen für zahlreiche Faktoren, die über das Schicksal der Boten-RNA entscheiden.

Gelangen fertige Boten-RNAs aus dem Zellkern in das Zytoplasma, wird die RNA vom Proteinsynthese-Apparat erkannt und ihre Botschaft – verschlüsselt als Basenabfolge – in eine Aminosäurenabfolge – Aminosäuren sind die Grundbausteine der Proteine – übersetzt. Dieser Vorgang wird "Translation" genannt. Das Ergebnis ist ein eine spezifische Kette von Aminosäuren (das Protein), die auf Grund der Informationen, welche die Boten-RNA übermittelt hat, zusammengesetzt wird. Zentrum der "Proteinsynthese-Maschine" sind die Ribosomen. Dabei handelt sich um große Komplexe aus Eiweißen und Nukleinsäuren, den "ribosomalen RNAs". Deren einzige Aufgabe ist die genaue Übersetzung der Boten-RNA in ein Protein.

Nicht alle Boten-RNAs, die ins Zytoplasma gelangen, werden dort direkt zu Proteinen übersetzt. In letzter Zeit wird immer deutlicher, dass die Boten-RNAs im Zytoplasma mannigfaltigen Regulationsprozessen unterworfen sind. Es gibt beispielsweise Boten-RNAs, die beim Eintritt ins Zytoplasma "stillgelegt" oder derart maskiert werden, dass die Übersetzungsmaschine sie nicht erkennen kann. Andere Boten-RNAs werden, kaum im Zytoplasma angekommen, wieder abgebaut. Der Zelle verbleibt dann kaum Zeit, um die übermittelte Botschaft zu entschlüsseln und in Protein zu übersetzen. Eine weitere Gruppe von Boten-RNAs wird zunächst in bestimmte Bereiche der Zelle transportiert, und nur dort wird die Übersetzung in Proteine zugelassen.

Regulationsprozesse auf der Ebene der Boten-RNAs sind sehr wichtig. Dies zeigen Krankheiten, die darauf zurückzuführen sind, dass unterschiedliche Boten-RNAs nicht ausreichend kontrolliert worden sind. Zwei Beispiele sollen dies demonstrieren.

Eisen ist ein lebenswichtiges Element, das unter anderem für den Transport von Sauerstoff benötigt wird. Das Metall ist aber ein zweischneidiges Schwert: Zu wenig Eisen kann für den Organismus verheerende Folgen haben – aber auch zu viel Eisen beeinträchtigt den Körper, weil es dazu beiträgt, dass zellschädigende Sauerstoffradikale entstehen. Aus diesem Grund muss die Eisenmenge in den Zellen streng kontrolliert werden. Dies geschieht, indem Eisen an einen Eisenspeicher – das Protein Ferritin – gebunden wird. Die Menge an Ferritin wiederum wird mit Hilfe eines eisenabhängigen Kontrollmechanismus reguliert: Ist viel Eisen in der Zelle vorhanden, wird die für Ferritin zuständige Boten-RNA von den Ribosomen abgelesen. Das Protein Ferritin entsteht, kann Eisen aufnehmen und speichern. Ist nur wenig Eisen in der Zelle vorhanden, bindet ein Kontrolleur (IRP = "iron-responsive protein") an eine bestimmte Kontrollregion (IRE = "iron-responsive element") der Ferritin-Boten-RNA und verhindert so, dass die Information der RNA in Protein übersetzt wird. Ferritin wird nicht gebildet und kann Eisen demzufolge auch nicht speichern: Die Zelle kann über die geringen Eisen-Mengen verfügen.

Es gibt eine Erbkrankheit, das "Hyperferritinämie-Katarakt-Syndrom", bei der dieser Kontrollmechanismus nicht funktioniert, weil der "Kontrolleur" nicht mehr effizient an seine Kontrollregion bindet. Die Folge ist, dass zu viel Ferritin gebildet und freigesetzt wird. Auf noch nicht genau verstandenem Wege führt dies letztlich zu Trübungen (Katarakten) der Augenlinse.

Fehler bei der Kontrolle einer anderen Boten-RNA spielen auch bei einer der häufigsten Krankheitsursache unserer Zeit – der Thrombose – eine Rolle. Neben anderen Risikofaktoren wirkt auch ein erhöhter Thrombinspiegel des Blutes mit, wenn eine Thrombose, ein Blutgerinnsel, entsteht. Das Protein Thrombin ist das letzte Glied einer Enzymreaktionskette, die zur Blutgerinnung führt. Ein erhöhter Thrombinspiegel erhöht das Risiko von Thromben, die zum Gefäßverschluss – zur Embolie – führen.

Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung haben eine genetische Veränderung (eine Mutation), die einen erhöhten Thrombinspiegel bedingt und das Krankheitsrisiko ansteigen lässt. Überraschenderweise führt die Mutation jedoch nicht zu einem veränderten Thrombin-Protein. Die Mutation betrifft die Thrombin-Boten-RNA und sitzt dort an einer Stelle (fast am Ende), die auf den ersten Blick nichts mehr mit der Synthese von Thrombin zu tun hat. Die Mutation bewirkt eine Anhäufung der Thrombin-Boten-RNA. Das Resultat ist eine erhöhte Thrombin-Produktion. Wie dieses Beispiel zeigt, muss die Zelle auch die Menge und Stabilität von Boten-RNAs kontrollieren können.

Der Schwerpunkt unserer Arbeiten am Zentrum für Molekulare Biologie ist der Boten-RNA-Transport. Das auch der korrekte Transport von RNAs für die Zellen und den Organismus sehr bedeutend ist, zeigen unter anderem die Forschungsergebnisse von Christiane Nüsslein-Volhard, deren Arbeiten über die Embryonalentwicklung von Fruchtfliegen vor sechs Jahren mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurden.

Während ihrer Forschungsarbeiten entdeckte Nüsslein-Volhard Fliegenweibchen, die ausschließlich missgebildete Embryonen hervorbringen. Ursache hierfür waren Genveränderungen, die zu "Verteilungsproblemen" in den Eizellen der Weibchen führten: Einige Proteine, die für eine korrekte Embryonalentwicklung entscheidend sind, tauchten nicht mehr an den richtigen Orten auf. Dies sind die entgegengesetzten Enden der Eizelle. Dort werden die Proteine benötigt, um die Körperachsen der künftigen Fliege auszubilden. Es stellte sich heraus, dass nicht die Proteine selbst dorthin transportiert werden, sondern "nur" die entsprechenden Boten-RNAs. Diese Ergebnisse wiesen erstmals darauf hin, dass es neben dem damals bereits bekannten Transport von Proteinen auch einen gerichteten Transport von Boten-RNAs gibt und dass Fehler im RNA-Transport fatale Folgen haben können.

Mittlerweile wissen wir, dass der Transport von Boten-RNA nicht nur für Fliegen, sondern auch für die Embryonalentwicklung von Wirbeltieren wichtig ist. Es verdichten sich auch die Hinweise, wonach ein korrekter Boten-RNA-Transport entscheidend für die Entstehung des Gedächtnisses sein könnte. Bei bestimmten Formen der Gedächtnisausbildung kommt es zu einer Signalverstärkung in den Bereichen von Nervenzellen, die den Reiz von anderen Nervenzellen empfangen. Um das Signal zu verstärken, werden die Verbindungen zwischen den Nervenzellen – die so genannten Synapsen – verändert, indem neue Proteine in sie eingebaut werden. Da jede Nervenzelle Tausende von Synapsen enthält, die jeweils mit anderen Nervenzellen kommunizieren, muss es ein Sortiersystem geben, das jede Synapse spezifisch ansteuert. Dies geschieht möglicherweise durch den ziel-, das heißt synapsen-gerichteten Transport von Boten-RNAs. Sie werden genau zu den Synapsen gebracht, die modifiziert werden sollen, und dienen als Ausgangsbasis für die Synthese der Proteine "vor Ort".

Gezielt transportierte RNAs finden sich aber nicht nur in Nervenzellen und Embryonen, sondern wahrscheinlich in fast allen Zelltypen. Auch in einfachen Einzellern, etwa Amöben und Hefepilzen, sind "reisende" RNAs nachzuweisen. Dies zeigt, dass es sich um einen generellen Transportmechanismus handeln muss, der sich möglicherweise schon früh in der Entstehung des Lebens herausgebildet hat.

Wie aber funktioniert der Transport von Boten-RNAs? Wie unterscheiden sich Boten-RNAs, die transportiert werden, von solchen, die keinem Transport unterworfen werden?

Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Proteine Bereiche besitzen, die als Transportsignale dienen und von spezifischen Transportapparaten erkannt werden. Ähnlich verhält es sich auch mit transportierten Boten-RNAs. Sie besitzen so genannte Lokalisations-Signale, die von ganz speziellen Transportmaschinen erkannt werden. Die Signalbereiche liegen generell im hinteren Abschnitt der RNA, der 3'-nichttranslatierten Region. Solche Signalbereiche können sehr variabel sein: In verschiedenen transportierten Boten-RNAs sehen die Lokalisationssignale recht unterschiedlich aus. Sie können sehr lang sein oder auch sehr kurz und umfassen dann nur wenige Bausteine (Nukleotide). Innerhalb des Signalbereichs kann die korrekte Abfolge der Nukleotide wichtig sein oder stattdessen die räumliche Struktur, die "Faltung", dieses Signals.

Bis heute hat man noch kein einheitliches Muster erkannt, mit Hilfe dessen man RNA-Lokalisationssignale voraussagen könnte. Auch die Bioinformatik kann uns dabei bislang noch nicht weiterhelfen. Es bleiben nur Experimente, mit denen man herausfinden will, ob man eine RNA vor sich hat, die sich "bloß" durch das Zytoplasma treiben lässt – oder ob man es mit "fahrenden Gesellen" zu tun hat.

Lokalisierte Boten-RNAs "fahren" tatsächlich – und zwar auf Schienen. Bei dem Schienennetz, welches das Zytoplasma durchzieht, handelt es sich um die Fäden (Filamente) des zellulären Skeletts. Auf diesen verschiedenartigen Filamenten fahren Güterzüge, die von unterschiedlichen Lokomotiven gezogen werden. Entlang der "Mikrotubuli"-Filamente fahren Fernzüge, die Proteine wie Kinesin oder Dynein als Triebwagen nutzen. Mittelstrecken- und Nahverkehrsverbindungen werden entlang der "Aktin"-Filamente aufrechterhalten, wobei "Myosin" als Motor dient.

Werden Boten-RNAs, die es zu befördern gilt, als solche erkannt, werden sie mit den jeweiligen Motorproteinen verkoppelt und fahren auf den Schienen mit. RNAs, die in großen Zellen wie Eizellen oder Nervenzellen über weite Strecken transportiert werden müssen, reisen mit Hilfe von Mikrotubuli-abhängigen Motorproteinen. In kleineren Zellen bewegen sie sich häufig entlang von Aktin-Filamenten. Die Signale in den RNAs dienen dabei als "Fahrkarten". Eine natürliche oder künstlich hervorgerufene Veränderung eines solchen Signals führt also gleichsam zu einem ungültigen Fahrschein.

Die als Lokomotiven dienenden Motorproteine sind nicht nur am Boten-RNA-Transport, sondern an vielen anderen Transportprozessen beteiligt. Wahrscheinlich ist, dass sie ihre Passagier-RNAs nicht direkt, sondern über Mittelsmänner erkennen – andere Proteine, die fähig sind, Signale in lokalisierten RNAs zu erkennen und zu interpretieren.

Arbeiten verschiedener Forschergruppen, unter anderem auch unserer Arbeitsgruppe, haben in den letzten Jahren aufklären können, wie lokalisierte Boten-RNAs als solche erkannt und wie sie mit Motorproteinen verknüpft werden. Die Aufklärung erfolgte am Beispiel einer transportierten Boten-RNA in der Bäckerhefe.

Kurz bevor sich eine Hefezelle teilt, wird ein Protein namens ASH1 asymmetrisch verteilt. ASH1 ist im Zellkern an der Regulation von Genen beteiligt. Seine ungleichmäßige Verteilung führt dazu, dass sich das Protein in nur einer der beiden aus der Teilung hervorgehenden Zellen anhäuft. Die Asymmetrie beruht auf dem gerichteten Transport der Boten-RNA für das Protein ASH1 während der Zellteilung von der einen in die andere zukünftige Zelle.

Während meiner Forschungstätigkeit am Institut für Molekulare Pathologie in Wien konnte ich zeigen, dass diese Hefe-Boten-RNA entlang von Aktin-Schienen transportiert wird und dass ihre "Lokomotive" ein Myosin-Motorprotein namens MYO4 ist. Nach meinem Wechsel an das Zentrum für Molekulare Biologie konnte meine Arbeitsgruppe dann nachweisen, dass das Verknüpfen von transportierter RNA und Motorprotein über zwei weitere Proteine erfolgt. Eines davon erkennt die "Fahrkarte" – also Signale innerhalb der ASH1-Boten-RNA, die eine bestimmte Struktur annehmen. Es handelt sich dabei um ein neuartiges RNA-bindendes Protein, das bisher einzigartig ist, weil es eine ganz spezifische Faltung der Boten-RNA erkennen kann. Bei einer ungültigen "Fahrkarte" – einem defekten Lokalisationssignal -, wird die RNA von diesem Protein nicht gebunden. Ist die Fahrkarte jedoch gültig, kann der Doppelpack aus RNA und RNA-erkennendem Protein (auch RNP-Komplex = Ribonukleoprotein-Komplex genannt) von einem weiteren Protein erkannt werden, dass direkt am Motorprotein sitzt. Wir bezeichnen es als "Motor-RNP-Adapter", da es den RNP-Komplex mit dem Triebwagen direkt verkoppelt.

Auf diese Art führt der Brückenschlag von der RNA zum Motor über nur zwei Zwischenstationen. Dies ist sicher nicht immer der Fall, und sicher auch nur eine einfache Variante dessen, was in höheren Organismen geschieht. Von den Arbeiten anderer Arbeitsgruppen, die Eizellen der Fruchtfliege untersuchten, wissen wir, dass dort über zehn verschiedene Proteine am Transport von Boten-RNAs beteiligt sind. Diese Proteine besitzen Funktionen wie RNA-Erkennung, RNA-Maskierung und RNA-Stabilisierung. Die beiden letztgenannten Funktionen werden in Eizellen und Nervenzellen wahrscheinlich benötigt, weil die Boten-RNAs in diesen großen Zellen einen längere Reise unternehmen müssen. Deshalb gilt es, die Boten besser zu schützen (RNA-Stabilisierung) und vor einer verfrühten Übersetzung zu bewahren (RNA-Maskierung). Da die von uns untersuchten Hefezellen relativ klein sind und die Boten nur kurze Reisen unternehmen, kann es sein, dass ein derartig ausgeprägter Schutzmechanismus bei ihnen nicht vonnöten ist.

Dennoch glauben wir mit der Hefe ein gutes Modellsystem gefunden zu haben, um die Logistik der Boten-RNA-Verteilung zu verstehen, kann doch weniger (Beteiligte) auch mehr (Verständnis) bedeuten. Zur Logistik eines Transports gehört nämlich nicht nur der Fuhrpark, also alle am Transport beteiligten Komponenten, sondern auch die Kontrolle über diesen und seinen effizienten Einsatz.

Wie etwa reguliert die Zelle diejenigen Proteine, die Boten-RNAs transportieren? Auf welche Signale hin fahren die "Züge" los und wie erkennen sie, dass sie am Ziel angekommen sind? Darüber wissen wir trotz intensiver Forschung noch immer so gut wie nichts. Es bleibt also weiterhin spannend bei der Analyse des intrazellulären Zugverkehrs.

Autor:
Dr. Ralf-Peter Jansen,
Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg,
Im Neuenheimer Feld 282,
69120 Heidelberg,
Telefon (06221) 546869,
e-mail: r.jansen@zmbh.uni-heidelberg.de

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang