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Der Trugschluss von der Liebe

Die Wahl des Partners ist nur vermeintlich eine höchst private Entscheidung, bei der Zuneigung und Zufall die wichtigsten Rollen spielen. Thomas Klein vom Institut für Soziologie entmystifiziert die Partnerwahl. Er schildert die Entscheidung für einen Lebenspartner als komplexes Geflecht unterschiedlichster Faktoren, das entscheidend von der Arithmetik des Heiratsmarkts regiert wird.

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Die Wahl des (Ehe-) Partners ist nicht nur eine Angelegenheit der privaten Lebensführung – sie ist auch Gegenstand soziologischer Forschung. Die Partnerwahl hat weit reichende soziale Konsequenzen, betrachtet man sie in Bezug auf den Sozialstatus, die Konfession, die Nationalität und andere Merkmale. Ungleiche soziale Herkunft und/oder ungleicher Sozialstatus der Partner können zum Beispiel zu sozialen Auf- und Abstiegsprozessen führen, die beruflichen Auf- und Abstiegen in nichts nachstehen. An einer Dominanz statusgleicher Partnerwahl kann man außerdem die Abgeschlossenheit sozialer Schichten erkennen. Gemischtkonfessionelle Eheschließungen sind ein nicht unwesentlicher Motor der Säkularisierung. Und die Heiratsbeziehungen zwischen Deutschen und (hier lebenden) Ausländern sind ein wichtiger Aspekt der (familialen) Integration von Ausländern in die Bundesrepublik. Die Liste sozialer Konsequenzen höchst privater Partnerwahl-Entscheidungen ließe sich beliebig fortsetzen. Allgemein lässt sich sagen, dass die Reproduktion sozialer Strukturen von den Strategien der Partnerwahl abhängt – eine rein zufällige Partnerwahl würde über kurz oder lang viele wohl bekannte soziale Strukturen zum Verschwinden bringen, Schichtunterschiede und schichtspezifische Erziehungsstile würden nivelliert, der Fortbestand von Konfessionen und Religionen wäre in Frage gestellt und vieles mehr.

Die Soziologie der Partnerwahl beschäftigt sich mit den sozialen Konsequenzen, die aus der Summe individueller Partnerwahl-Entscheidungen, den Heirats- beziehungsweise Partnerwahl-Mustern, resultieren. Sie hat außerdem eine Reihe von Erklärungen des Partnerwahl-Verhaltens parat, bei denen nicht nur Persönlichkeitsmerkmale im Mittelpunkt stehen, sondern in erster Linie Werte, Normen und Sozialisation sowie individuelle Motive, die die Partnerwahl steuern. Zu den individuellen Motiven zählen beispielsweise soziale Absicherung oder ein attraktiver Partner.

Soziologische Erklärungen der Partnerwahl sind zudem mit den Gelegenheiten befasst, einen Partner mit bestimmten Merkmalen überhaupt kennen zu lernen. Diese Gelegenheiten entstehen einerseits aus der Einbindung in soziale Handlungskontexte (Arbeit, Freizeit usw.) und andererseits über die gesamtgesellschaftliche Verteilung bestimmter Partnerwahl-Merkmale. Die geschlechtsspezifische Bildungsverteilung verbunden mit dem geringeren Bildungsniveau von Frauen in den älteren Generationen hat beispielsweise nicht unwesentlich zu dem traditionellen Bildungsgefälle zwischen Ehepartnern beigetragen. Auch in Bezug auf andere Merkmale werden in sozialen Handlungskontexten vermeintlich höchst private Entscheidungen schlicht von der Arithmetik des Heiratsmarkts regiert.

Wie verschiedene Faktoren zusammenwirken, wird bei der binationalen Partnerwahl deutlich. Die Abbildung auf Seite 29 gibt am Beispiel spanischer Gastarbeiter wieder, wie sich der Anteil von hier lebenden Spaniern und Spanierinnen entwickelt hat, die eine Deutsche/-einen Deutschen heiraten. Die Kurve der Spanier und der Spanierinnen beginnt in den 60er Jahren mit einem zunächst hohen Anteil derer, die in die deutsche Bevölkerung einheiraten. Die Kurven sinken dann ab und zeigen schließlich einen moderaten Wiederanstieg.

Dabei ist der zunächst mit dem Beginn der Einwanderungswelle hohe Anteil von Einheiraten in die deutsche Bevölkerung mit der anfänglich noch geringen Größe der ausländischen Bevölkerungsgruppe zu erklären. Eine kleine ausländische Bevölkerungsgruppe – die womöglich über die gesamte Bundesrepublik verteilt ist – geht mit einem sehr ineffizienten internen Heiratsmarkt einher. Die Möglichkeiten, einen Partner gleicher Nationalität zu finden, sind vor diesem Hintergrund stark eingeschränkt. Mit zunehmender Einwanderung werden jedoch die Möglichkeiten zahlreicher. Dies erklärt die absinkende Einheiratsquote. Der Wiederanstieg hängt hingegen mit zunehmender Assimilation zusammen.

In der Anfangsphase der Zuwanderung geben somit Heiratsmarkt-Mechanismen und später kulturelle Annäherung und Integration den Ausschlag für die Häufigkeit binationaler Partnerwahl. Dieser auch aus klassischen Einwanderungsländern bekannte, U-förmige Verlauf ist für alle so genannten Gastarbeitergruppen in der Bundesrepublik typisch. Die familiale Integration der betreffenden Gruppen steht jeweils im Spannungsfeld von Assimilation und endogamen Heiratsgelegenheiten (Als endogam wird die Partnerwahl innerhalb der eigenen Gruppe bezeichnet.).

Noch vielfältiger wirken verschiedene Faktoren bei der Frage zusammen, wie sich die Bildungsexpansion auf die bildungsbezogene Partnerwahl ausgewirkt hat. In Bezug auf individuelle Motive lässt sich die bildungsbezogene Partnerwahl auch als statusbezogene Partnerwahl interpretieren: Je höher das Bildungsniveau, umso höher der Sozialstatus. Die Bildungsexpansion hat allerdings zu einer beträchtlichen Entwertung von Bildungszertifikaten auf dem Arbeitsmarkt geführt. Bildung hat damit an Bedeutung für den Sozialstatus verloren. Vor diesem Hintergrund lässt sich folgern, dass Bildung auch für die statusbezogene Partnerwahl weniger wichtig geworden ist und die Bildungshomogamie – die bildungsgleiche Partnerwahl – eher ab- als zugenommen hat. Zu beachten sind jedoch auch die Gelegenheitsstrukturen.

Unter dem Gesichtspunkt der sozialen Handlungskontexte, in denen man einen Partner kennen lernt, sind die Bildungsinstitutionen ein nicht unwichtiger Heiratsmarkt. Bis zu 22 Prozent der Paare lernen sich hier zu Lande in der Schule oder während der Berufsausbildung kennen. Dabei sind die jeweiligen bildungsinstitutionellen Heiratsmärkte natürlich ausgesprochen bildungshomogen vorstrukturiert. Der längere Verbleib in Schule und Berufsausbildung verlängert die Gelegenheit, einen gleich gebildeten Partner kennen zu lernen. Ob insgesamt die Entwertung der Bildungsabschlüsse stärker wiegt oder die verlängerten Gelegenheiten, ist bislang ungeklärt.

Schließlich ist aber unter dem Aspekt der Gelegenheiten auch zu berücksichtigen, dass die Bildungsexpansion die Bildungsverteilung unter Männern und Frauen verändert hat – sowohl in der Gesamtgesellschaft wie auch in den verschiedenen sozialen Kontexten und Handlungszusammenhängen des Menschen: Der Anteil der Bevölkerung mit höheren Bildungsabschlüssen ist gestiegen, die Bildungsverteilung unter Männern und Frauen hat sich in den jüngeren Geburtsjahrgängen weitgehend angeglichen. Dies bewirkt erstaunlicherweise, dass die Chancen einer bildungshomogamen Partnerwahl gesunken (sic!) sind.

Um dies zu verstehen, ist in der Tabelle auf Seite 28 eine Beispielberechnung dargestellt. Die Tabelle geht der Einfachheit wegen von nur zwei Bildungsstufen aus, nämlich mit und ohne Abitur. Sie beruht obendrein auf fiktiven, aber doch realitätsnahen Zahlen, deren Verrechnung leicht nachzuvollziehen ist. In der Tabelle ist im oberen Teil unterstellt, dass die Abiturientenquote der Männer 20 Prozent, die der Frauen zehn Prozent betragen habe. Um den Effekt dieser Bildungsverteilung auf die Bildungshomogamie zu erläutern, sei davon ausgegangen, dass keinerlei Präferenzen, individuelle Motive, Normen oder sonstige Regeln der Partnerwahl wirksam sind. In diesem Fall rein zufälliger Partnerwahl ist die Bildungshomogamie nur von der Bildungsverteilung bei Männern und Frauen – den beiden Randverteilungen der Tabelle – abhängig. Dabei resultiert in Ermangelung sozialer Regeln unter dem Regime des Zufalls jede Partnerkonfiguration aus dem Produkt der Randverteilungen: Der Anteil der Partnerschaften, in denen beide Partner Abitur haben, ist beispielsweise (0,10 x 0,20 =) 2 % (vergleiche die Tabelle auf Seite 28, oberer Teil). Der Anteil, in denen beide kein Abitur haben, ist dementsprechend (0,90 x 0,80 =) 72 %, und die Homogamiequote in der betreffenden Gesellschaft beträgt (0,02 + 0,72 =) 74 %.

Dies ist auch gleichzeitig für das einzelne Individuum die durchschnittliche Chance einer bildungshomogamen Partnerwahl: Beispielsweise haben Männer mit Abitur eine Chance von (0,02 / 0,20 =) zehn Prozent eine Frau mit Abitur zu finden, und für Männer ohne Abitur ist die Chance der homogamen Partnerwahl immerhin (0,72 / 0,80 =) 90 Prozent (hier macht sich der Einfluss der Gruppengröße bemerkbar). Die Männer mit Abitur machen jedoch nur 20 Prozent der männlichen Bevölkerung aus, die Männer ohne Abitur 80 Prozent. Nach den Regeln der Durchschnittsbildung errechnet sich für den einzelnen somit eine durchschnittliche Chance homogamer Partnerwahl von (0,10 x 0,20 + 0,90 x 0,80 =) 74 Prozent. Natürlich sieht die Berechnung für Frauen analog aus.

Geht man nun davon aus, dass sich die Bildungsverteilung der Frauen an die der Männer angeglichen hat (Tabelle Seite 28, mittlerer Teil), führt dies erstaunlicherweise nicht zu einer Erhöhung, sondern zu einer Reduzierung der Homogamiequote beziehungsweise der Chancen homogamer Partnerwahl auf nur noch 68 Prozent. Lediglich für die Männer mit Abitur sind die Chancen homogamer Partnerwahl größer geworden. Berücksichtigt man, dass letztlich beide Geschlechter von der Bildungsexpansion profitiert haben, fällt die Homogamiequote noch niedriger aus (vergleiche die Tabelle auf Seite 28, unterer Teil).

Die beschriebenen Randverteilungseffekte – die natürlich nicht nur bei der bildungsbezogenen Partnerwahl wirksam sind und nicht nur in der Gesamtgesellschaft, sondern auch in eng umgrenzten Handlungskontexten Einfluss nehmen – , sind intuitiv nicht unbedingt leicht zu erfassen. Sie sind zum Teil sogar kontraintuitiv, und die Erforschung individueller Mechanismen der Partnerwahl ist nicht möglich, ohne gesellschaftliche Verteilungsparameter angemessen zu berücksichtigen. Oft ist dazu ein aufwendiges statistisches Instrumentarium notwendig.

Im übrigen wirken bei der Partnerwahl die Randverteilungen des Heiratsmarkts (beziehungsweise des Partnermarkts) mit den individuellen Präferenzen eng zusammen. Die Randverteilungen erzeugen Knappheit und eine Konkurrenz um den attraktivsten Partner, das heißt den Partner, der den Präferenzen am besten entspricht. Homogamie entsteht dabei als das Ergebnis des Wettbewerbs auf dem Heiratsmarkt, wenn jede Person (wechselseitig) die Partnerschaft mit anderen ablehnt, die (in welcher Hinsicht auch immer) weniger attraktiv sind. Als Konsequenz haben Personen mit gleicher Attraktivität die größte Chance auf eine Partnerschaft – vorausgesetzt, dass die Randverteilungen ausgeglichen sind. Bei geschlechtsspezifisch unterschiedlicher Randverteilung (zum Beispiel unterschiedlicher Bildungsverteilung) wird deutlich, dass im Grunde nicht der Ausgleich der absoluten Attraktivität, sondern der der relativen Attraktivität auf dem Heiratsmarkt ausschlaggebend ist. So findet der relativ attraktivste Mann die relativ attraktivste Frau, der zweitattraktivste die zweitattraktivste und so weiter, selbst wenn sich jeweils in der Partnerschaft die Attraktivität der Partner deutlich unterscheidet. Bei unterschiedlichen Randverteilungen trägt also der Marktmechanismus nicht zur Homogamie, sondern zur Heterogamie bei.

Die Bedeutung gesellschaftlicher Verteilungsparameter bei der Partnerwahl wird noch augenfälliger, wenn man berücksichtigt, dass auf dem realen Heiratsmarkt nicht nur die Quantitäten gleicher Partnermerkmale oft unausgeglichen sind, sondern sogar die Gesamtzahl von Männern und Frauen in einem Ungleichgewicht steht. Solche Heiratsmarkt-Ungleichgewichte haben vielfältige Ursachen: Für den gegenwärtigen Männerüberschuss in den jüngeren und mittleren Altersgruppen ist beispielsweise auch der Überschuss an Söhnen gegen-über Töchtern verantwortlich (es werden etwa 106 Jungen auf 100 Mädchen geboren.) Hinzu kommt, dass Männer im Durchschnitt älter sind als ihre Partnerin. Dies führt in Phasen eines anhaltenden Geburtenrückgangs dazu, dass die entsprechend jüngeren Frauenjahrgänge schwächer besetzt sind. In spezifischen sozialen Umfeldern oder spezifischen Lebenssituationen sind Heiratsmärkte unter Umständen besonders unausgewogen.

Ein wichtiges Merkmal der Lebenssituation ist in dieser Hinsicht schlicht das Alter. Je höher das Alter der Partnerwahl, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer heterogamen Partnerwahl – und dies, obwohl doch das Alter auch als Zeit der Partnersuche interpretiert wird und die "Passung" demgemäß größer werden müsste. Dieser Widerspruch ist ohne den Heiratsmarkt nicht zu erklären. Dabei spielen vier Mechanismen eine Rolle: Mit zunehmendem Alter ist eine zunehmende Zahl potentieller Partner in demselben Altersbereich bereits verheiratet oder in einer stabilen Partnerschaft gebunden. Der Partnermarkt wird dadurch kleiner und ineffizienter. Der meist homogam gesuchte Partner ist in zunehmendem Maße entweder schon "vergeben" oder so selten geworden, dass er über geographische Distanzen und andere Hindernisse hinweg kaum noch kennen zu lernen ist. Mit der Verkleinerung des Partnermarkts ist zudem eine "Verschlechterung" (in den Augen der Beteiligten!) verbunden – schließlich bleiben ja nicht nur diejenigen mit einer geringen Bindungsneigung auf dem Markt, sondern insbesondere auch diejenigen, die keiner (mehr) haben wollte. In Bezug auf Homogamiepräferenzen dürfte diese Entwicklung eine zunehmende Kompromissbereitschaft mit sich bringen.

Mit der Verkleinerung des Partnermarkts ist außerdem eine Verschärfung numerischer Ungleichgewichte verbunden. Dies wird mit einem an reale Zahlen angelehnten Beispiel leicht einsichtig: 1995 stehen sich in der Bundesrepublik im Alter von 20 Jahren 435 600 Männer und 413 500 Frauen unverheiratet gegenüber. Dies klingt zunächst nicht sehr dramatisch. Wenn aber nach einigen Jahren jeweils 400 000 geheiratet haben, hat sich das Missverhältnis auf dem Partnermarkt von dann 35 600 Männern zu nur noch 13 500 Frauen drastisch verschärft. In der Konkurrenz um den attraktivsten Partner können sich die verbliebenen Frauen einen Mann mit "besseren" Eigenschaften aussuchen als sie selbst bieten. Die verbliebenen Männer hingegen sind zur Kompromissbereitschaft gezwungen. Eine heterogame Partnerwahl wird damit zusätzlich begünstigt.

Die genannten Mechanismen numerischer Ungleichgewichte bei der Erzeugung zunehmend heterogamer Partnerschaften im Lebensverlauf werden nochmals drastisch verstärkt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Ungleichgewichte unter potentiellen Partnern mit gleichen Eigenschaften oft noch weit ausgeprägter sind. Gerade diese strukturellen Ungleichgewichte des Partnermarkts spitzen sich im Lebensverlauf soweit zu, dass eine homogame Partnerwahl unter Umständen kaum noch möglich ist.

Die Vernachlässigung der Randverteilungen des Partnermarkts führt gelegentlich zu krassen Fehlinterpretationen empirischer Befunde. Ein interessanter Befund ist beispielsweise, dass Frauen mit zunehmendem Heirats-alter zunehmend jüngere Partner wählen. Dies hat wenig mit zunehmender Emanzipation oder Ähnlichem zu tun. Nämlich: Für Männer gilt gleichfalls, dass die Partnerin umso jünger ist, je älter der Mann. Der einfache Grund liegt bei den Gelegenheiten des Partnermarkts: Je älter Mann oder Frau selbst ist, umso mehr potentielle Partner gleichen oder höheren Alters sind bereits vergeben und um so stärker verschiebt sich die Chancenstruktur zu Gunsten eines jüngeren Partners.

Ähnlich fehlinterpretiert wird oft der im Durchschnitt konstante Altersabstand zwischen Partnern. Dieser beträgt knapp drei Jahre. Dieser Durchschnitt hat sich trotz vielfältiger gesellschaftlicher Umbrüche über Jahrzehnte hinweg kaum verändert. Unter Missachtung des Heiratsmarkts wird diese Konstanz nicht selten voreilig als Ausdruck des "de facto-Status" von Frauen oder als Anzeichen für die Persistenz überkommener Rollenorientierungen fehlinterpretiert. Diese Interpretationsmuster übersehen, dass der durchschnittliche Altersabstand zu einem Heiratsmarkt-Ungleichgewicht führt, das gleichzeitig den Altersabstand erklärt: Der existierende Abstand bedingt, dass in jedem Alter der Anteil der noch ledigen Frauen geringer ist als der der noch ledigen Männer. Auf dem Heiratsmarkt existiert somit eine unterschiedliche Altersstruktur "wählbarer" Männer und Frauen. Insoweit wie diese Altersstrukturierung des Heiratsmarkts erneut zu entprechenden Altersunterschieden beiträgt, wird der Altersabstand stetig von Generation zu Generation weitergegeben.

Entwicklung der Einheiratsquote

Man kann in diesem Sinne von einer in der Bevölkerungsdynamik angelegten, historischen Perpetuierung des durchschnittlichen Altersunterschieds zwischen Partnern sprechen. Natürlich ist damit nicht erklärt, warum der durchschnittliche Altersunterschied gerade drei Jahre beträgt und wie diese "ursprünglich" zu Stande gekommen sind. Die beschriebene Bevölkerungsdynamik macht aber verständlich, warum sich veränderte Werte und Partnerschaftsvorstellungen nur sehr langsam auf den Altersabstand der Partner auswirken.

Ein weiteres Beispiel für den Einfluss von Gelegenheiten betrifft die konfessionelle Partnerwahl. Deren Häufung ist in der Bundesrepublik fast ausschließlich den regional unterschiedlichen Konfessionsverteilungen zuzuschreiben. Die Liste nachhaltiger Struktureffekte ließe sich noch beträchtlich verlängern. Auffällig ist insgesamt, dass die auf der Handlungsebene gelagerten kulturellen und motivationalen Faktoren weit mehr der Intuition entsprechen, während gesamtgesellschaftliche Verteilungsparameter auch in der wissenschaftlichen Diskussion oft unbeachtet bleiben.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Unsere vermeintlich privatesten Entscheidungen werden von der Arithmetik des Heiratsmarkts stark mitregiert. Unsere Wünsche und Motive sind deshalb jedoch keineswegs ohne Bedeutung. Manche der zuvor beschriebenen Marktmechanismen wurden hier sehr stilisiert herausgestellt, um sie zu verdeutlichen. Die Realität ist wie immer wesentlich komplexer. Vor allem das beschriebene Marktprinzip des Ausgleichs relativer Attraktivität muss dahingehend verallgemeinert werden, dass es sich in der Realität nicht auf jedes einzelne Merkmal der Partnerwahl, sondern auf die Gesamtattraktivität einer Person bezieht. Dabei ist die Gewichtung zwischen verschiedenen Eigenschaften eines potentiellen Partners und die Bewertung partnerschaftlicher Interaktions (-möglichkeiten) nicht nur kulturellem Wandel unterworfen, sondern auch mit einer beträchtlichen inter-individuellen Variabilität verbunden. Vor diesem Hintergrund entstehen die beobachtbaren Heiratsmuster aus einem komplexen und für den Forscher interessanten Geflecht der beschriebenen Faktoren.

Autor:
Prof. Dr. Thomas Klein
Institut für Soziologie, Universität Heidelberg, Sandgasse 9, 69117 Heidelberg,
Telefon (0 62 21) 54 29 72, Fax (0 62 21) 54 29 96, E-Mail: thomas.klein@urz.uni-heidelberg.de

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