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Aus der Stiftung Universität Heidelberg

Von Hattusa, Assur und Jerusalem nach Dubai

Interdisziplinäres Symposion des Internationalen Wissenschaftsforums

von Jan Christian Gertz

Viele Orte, aber auch ganze Landschaften sind mit einprägsamen Bildern und Bedeutungen im kulturellen Gedächtnis verankert. So lebt „Alt-Heidelberg, du feine“ von dem literaturgeschichtlich vertretbaren, architekturgeschichtlich jedoch schlicht irreführenden Image einer „Hauptstadt der Romantik“. Passende und unpassende Zuschreibungen haften an vielen Orten und Landschaften. Teils sind sie nur harmlos und liebenswert, teils haben sie erhebliche geschichtliche, politische und ökonomische Konsequenzen. Vorgeprägte Bilder beeinflussen die Darstellung eines Ortes, sei es in der Literatur, in der bildenden Kunst oder in der Architektur, deren Inszenierungen wiederum die Wahrnehmung der Orte steuern. Das gilt für die Antike ebenso wie für die römische Zeit, das Mittelalter oder die Neuzeit. Hinter dem etwas spröden Titel „Die Darstellung von Orten – von der Antike bis in die Moderne“ verbirgt sich also ein ganzes Bündel von geographischen und kulturgeschichtlichen Fragen, denen sich ein Symposion des Internationalen Wissenschaftsforums der Universität Heidelberg aus sehr unterschiedlichen Perspektiven gewidmet hat.

Der Ägyptologe Joachim Friedrich Quack (Heidelberg) stellte Texte aus dem 13. und 12 Jh. v. Chr. dar, in denen die Ramsesstadt als Sitz lokaler Gottheiten und zum Lob der königlichen Erbauer beschrieben wurde. Offenbar mit einem solchen Erfolg, dass die Städte noch nach ihrem Untergang als Orte der Sehnsucht galten. Auf die methodischen Schwierigkeiten, die Ortsangaben des Alten Testaments historisch und geographisch zu lokalisieren, und die Darstellungsabsichten, die sich mit in geographischer Hinsicht sehr gekünstelt wirkenden Ortsangaben verbinden, sind die Alttestamentler Detlef Jericke, Friedrich Emanuel Focken (beide Heidelberg) und Erasmus Gaß (Tübingen) eingegangen. Detlef Jericke konnte aufzeigen, dass eine komplexe Geographie eroberter und nicht eroberter Landstriche im Buch Deuteronomium (5. Mose) das schuldhafte Versagen des Volks hervorheben soll. Die Erzählung reflektiert dabei territoriale Verhältnisse und theologische Probleme der persischen Zeit (5./4. Jh.v.Chr.), datiert diese aber mittels der Erzählung in die für Israels Selbstverständnis grundlegende Zeit der Wüstenwanderung im 2. Jahrtausend v. Chr. Bis in die Neuzeit hinein ist die Inszenierung von Orten immer auch ein Thema der kirchlichen Liturgie, wie aus der Perspektive der orthodoxen Theologie Ekatarina Damjanova (Sofia) erläuterte. Vor allem ist sie aber ein Thema der Herrschaftsideologie, wie für das Hethitische Großreich im Kleinasien des 2. Jahrtausends v. Chr. die Hethitologin Susanne Görke (Mainz) und für das neuassyrische Reich im Mesopotamien des 1. Jahrtausends v.Chr. der Assyriologe Andreas Fuchs (Tübingen) aufzeigen konnten. In den neuassyrischen Texten sind die Baubeschreibungen der Residenzstädte, die Beschreibungen des Herrschafts- und Tributbereichs, die Beschreibungen von Feindesland und feindlichen Städten sowie die kurzen Skizzen des Reichsumfangs dem Preis des Herrschers gänzlich untergeordnet.

Für wenige Städte der Welt liegt die politisch oder religiös motivierte Inszenierung des Ortes aber so auf der Hand wie für Jerusalem, dessen prägende Bedeutung für Judentum, Christentum und Islam meist wenig mit dem tatsächlichen Zustand der Stadt zu tun hat. Auf der Grundlage von Aby Warburgs These vom „kulturellen Gedächtnis“ bot der Religionswissenschaftler Guy Stroumsa (Jerusalem) eine Übersicht über die Darstellung Jerusalems in christlichen, jüdischen und islamischen Quellen, wobei er ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkung der islamischen Eroberung Jerusalems im 7. Jh. richtete. Hieran konnte der Islamwissenschaftler Lutz Richter-Bernburg (Tübingen) mit einem Vortrag über muslimische Augenzeugen zur trireligiösen Heiligkeit Jerusalems und Palästinas anknüpfen. Der Althistoriker Kai Trampedach (Heidelberg) schlug mit einem Referat über den Bau der Nea-Kirche (531-543) durch Kaiser Justinian den Bogen zur Architekturgeschichte und wies anhand literarischer und archäologischer Dokumente auf, dass die Kirche in der typologischen Nachfolge des Jerusalemer Tempels stehen sollte und als eine Neuerrichtung des Tempels konzipiert war.

Dass und wie in anderen Kontexten architektonische Ideale (Topoi) nachgewirkt haben, belegte der Kunsthistoriker Gerd Blum (Heidelberg/Münster) für die Rezeption der römischen Zeit in der frühen Neuzeit, bevor der Geograph Heiko Schmid (Heidelberg) die nach dem historischen Anmarsch zur Darstellung von Orten nicht mehr ganz so fremde mediale Inszenierung und Ökonomie der Faszination am Beispiel Dubais vorführte.

Der Ertrag des Symposions lag neben den fachwissenschaftlichen Aspekten in seinem interdisziplinären Zugang und seinem kulturgeschichtlich weit gespannten, über vier Jahrtausende reichenden Bogen, der fächerübergreifende Standards erkennbar werden ließ und die Klärung methodischer Fragen bei der Untersuchung von Orten in verschiedenen Medien der Literatur oder der darstellenden Kunst wesentlich vorangebracht hat.

Kontakt: jan.gertz@wts.uni-heidelberg.de

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