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Meinung

Die Akkreditierung ist verfassungswidrig!

Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit kennt keinen Gesetzesvorbehalt

von Jens Halfwassen

Jens Halfwassen ist Ordinarius für Philosophie am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg.  
Jens Halfwassen ist Ordinarius für Philosophie am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg.
„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ (Art. 5 Abs. 3 GG). Die damit garantierte Freiheit von Forschung und Lehre ist die Grundlage der Universität. Aus ihr folgt auch die Autonomie der Hochschulen. Diese fundamentalen Freiheitsrechte sind heute durch die Bologna-Reform massiv gefährdet. Konkret bedroht werden sie vor allem durch den Zwang, die neu eingerichteten Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditieren zu lassen, und zwar durch gegen Bezahlung tätige private Agenturen, die durch kein Gesetz dazu ermächtigt sind und deren Tätigkeit sich im rechtsfreien Raum abspielt. So ist neben der Ministerialbürokratie, aber mit deren Wissen, dagegen ohne Be-teiligung der Parlamente eine gigantische private Akkreditierungsbürokratie entstanden, die sich anmaßt, den Fakultäten vorzuschreiben, wie sie ihre Studiengänge zu gestalten haben. Das ist ein massiver Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und die Hochschulautonomie.

Im Landeshochschulgesetz heißt es lapidar: „Bachelor- und Masterstudiengänge sind grundsätzlich durch eine anerkannte Einrichtung zu akkreditieren“ (§ 30 Abs. 3). Das Gesetz definiert aber weder, was eine „anerkannte Einrichtung“ ist oder von wem sie eigentlich anerkannt wird, noch regelt es, wer die Kosten für die Akkreditierung zu übernehmen hat (immerhin pro Studiengang zwischen 10.000 und 20.000 Euro, die der Forschung und Lehre entzogen werden). Das Gesetz bestimmt auch nicht, in welchem Umfang und mit welchen Grenzen den Fakultäten die inhaltliche Ausgestaltung der Studiengänge und Prüfungsordnungen vorgeschrieben werden darf. Damit kann die Lehrfreiheit durch die Akkreditierung im Extremfall vollständig aus den Angeln gehoben und faktisch abgeschafft werden.

Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit kennt keinen Gesetzesvorbehalt. Eingriffe sind nur erlaubt zum Schutz konkurrierender Grundrechte oder zur Durchsetzung von Zielen, die ebenfalls Verfassungsrang haben. Das Ziel der Akkreditierung, das im Landeshochschulgesetz freilich nicht genannt wird, ist die mit der Bologna-Reform angestrebte Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums. Dieses Ziel hat keinen Verfassungsrang und kann somit den Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit nicht rechtfertigen. Die Bologna-Vereinbarung ist entgegen anders lautenden Gerüchten auch kein verbindlicher Rechtsakt der EU, die für die Hochschulen gar keine eigene Kompetenz hat. Sie ist nichts weiter als eine rechtlich völlig unverbindliche Absichtserklärung von drei Dutzend Ministern aus europäischen und außereuropäischen Staaten.

Für die Universität und ihre Fakultäten wird es höchste Zeit, sich gegen den Akkreditierungszwang zu wehren. Sie können sich dabei auf das Urteil sachkundiger Juristen berufen: Die Fachliteratur kommt nahezu einhellig zu dem Ergebnis, dass die Akkreditierung verfassungswidrig ist; zu demselben Ergebnis kommt jetzt auch ein Rechtsgutachten aus der Heidelberger Juristischen Fakultät. Die Fakultäten, in deren Rechte durch die Akkreditierung eingegriffen wird, können sich dagegen mit einer Klage wehren; der Deutsche Hochschulverband hat seine Unterstützung dafür schon zugesagt. Aber auch das Rektorat ist gefordert. Es muss die Landesregierung auf die Verfassungswidrigkeit des Akkreditierungszwangs hinweisen und darauf bestehen, dass dieser bei der anstehenden Novellierung des Landeshochschulgesetzes ersatzlos gestrichen wird.

Kontakt: J. Halfwassen@urz.uni-heidelberg.de

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