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Kurzberichte junger Forscher

Wenn das Herz aus dem Takt gerät – neue Diagnose- und Therapieansätze

Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen in den westlichen Industrieländern. Allein in den USA fordert er jährlich mehr als 300 000 Opfer. Für das fatale Ereignis werden hauptsächlich schnelle (tachykarde) Herzrhythmusstörungen verantwortlich gemacht. Sie entstehen in den Herzkammern und beeinträchtigen ein effizientes, regelmäßiges Schlagen des Herzens. Langsame (bradykarde) Herzrhythmusstörungen bremsen die Herzschlagfolge ab und sind durch nicht umkehrbare Schädigungen (Degeneration) des Reizleitungssystems im Herzen bedingt. Häufig ist der Taktgeber des Herzens, der so genannte Sinusknoten, betroffen. Bradykarde Herzrhythmusstörungen nehmen im Alter deutlich zu und betroffene Patienten erleiden häufig einen kurzdauernden Bewusstseinsverlust.

Die elektrische Aktivität von Herzmuskelzellen wird durch besondere Eiweiße gesteuert, die so genannte Ionenkanäle formen. Die Kanäle sind in die äußere Zellmembran der Herzmuskelzellen eingebaut und lenken den zellulären Ein- und Ausstrom von Ionen wie Kalium, Kalzium und Natrium. Sie sorgen auf diese Weise für ein gerichtetes Zusammenziehen und Entspannen des Herzmuskels. Die Verteilung der Ionenkanäle in der Zellmembran und ihre funktionellen Besonderheiten werden über weitere in der Zelle vorhandene Struktureiweiße beeinflusst.

Angeborene tachykarde und bradykarde Herzrhythmusstörungen sind Erkrankungen, die durch Gendefekte (Mutationen) bedingt sind. In diesen Fällen sind die Gene betroffen, welche die Information zur Herstellung wichtiger herzmuskelaktiver Ionenkanäle beziehungsweise assoziierter Struktureiweiße tragen. Dieses Wissen – verbunden mit den Möglichkeiten einer modernen Laboranalytik – erlaubt es, Patienten mit angeborenen Herzrhythmusstörungen auf Veränderungen in spezifischen Kandidaten-Genen zu untersuchen. Mit Hilfe der "Polymerase-Ketten-Reaktion" (PCR) führen wir in unseren Labors ein systematisches "Mutationsscreening" durch, das Fehler in diesen Genen identifiziert. Durch Bestimmung der Sequenzabfolge wird in der genetischen Information (DNA-Sequenz) erkrankter Patienten der exakte Defekt ermittelt. Mittlerweile konnten wir 20 neue, noch nicht beschriebene Mutationen in fünf unterschiedlichen Genen erfassen.

Zusammen mit kooperierenden Forschungseinrichtungen untersuchen wir die Mutationen funktionell. Dazu werden Ionenkanalproteine in die Zellmembran von Froscheiern eingebaut. Mit Hilfe physikalischer Messmethoden können dann Veränderungen in der Aktivität defekter Ionenkanäle direkt gemessen werden. Darüber hinaus entwickeln wir derzeit gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg Mausmodelle, welche defekte Ionenkanäle in den Herzmuskelzellen herstellen und damit die Situation ähnlich wie in erkrankten menschlichen Herzen imitieren sollen. Mit diesen Modellen kann untersucht werden, wie Herzrhythmusstörungen entstehen und wie die Entwicklung dieser Krankheiten verläuft. Möglicherweise können so molekulare Mechanismen entschlüsselt werden, die diesen Krankheiten zugrunde liegen.

Patienten mit angeborenen tachykarden Herzrhythmusstörungen werden mit Medikamenten und/oder mit einem elektrischen Aggregat (interner Defibrillator) behandelt. Die Auswahl der Medikation hängt auch vom identifizierten Gendefekt ab und ist exemplarisch für eine moderne, auf genetischen Grundlagen basierende Diagnostik als Grundlage einer verbesserten individuelleren Behandlungsstrategie. Ein interner Defibrillator, der durch eine kleine Operation unter die Haut an der linken Brustwand eingebaut wird, ist in der Lage, gefährliche Herzrhythmusstörungen zu entdecken und durch die Erzeugung einer eigenen elektrischen Aktivität zu terminieren.

Angeborene Formen der bradykarden Herzrhythmusstörungen sind seltener, müssen aber ebenso wie die häufiger auftretenden degenerativen Veränderungen des Reizleitungssystems mit dem Einbau eines künstlichen elektrischen Herzschrittmachers behandelt werden. Schrittmacher wirken als neue Taktgeber des Herzens, indem sie regelmäßig eine elektrische Aktivierung der Herzaktion auslösen. Nachteil dieser Aggregate ist die begrenzte Lebensdauer der Antriebsbatterie und die fehlende Flexibilität der Frequenzsteuerung in Abhängigkeit von körperlichen Aktivitäten, beispielsweise im Sport oder beim Schlaf.

Moderne Forschungsansätze beschäftigen sich mit der Frage, ob Herzschrittmacher aus körpereigenem Gewebe hergestellt und unabhängig von externen Steuerungssignalen reguliert werden können. Wir untersuchen derzeit, ob ein bestimmter körpereigener Stammzelltyp, die so genannten mesenchymalen Stammzellen, als biologischer Taktgeber im Sinne eines neuen Sinusknotens geeignet ist. Mesenchymale Stammzellen lösen, da aus dem Knochenmark des Patienten isoliert, im Körper des Patienten keine Abstoßungsreaktion aus. Ziel eines derzeit in Kooperation mit der Abteilung Innere Medizin V der Medizinischen Universitätsklinik durchgeführten Projektes ist es, mittels moderner molekular- und zellbiologischer Methoden mesenchymale Stammzellen in elektrisch aktive Zellen umzuwandeln, die – einmal in das Herzmuskelgewebe eingebaut – eine neue dauerhafte Schrittmacherfunktion übernehmen sollen. Die Entwicklung eines solchen biologischen Systems käme der angeborenen Sinusknotenfunktion deutlich näher als jedes elektrische Aggregat.

Autor:
Dr. Jörg Zehelein, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, Innere Medizin III
Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg
E-Mail: joerg.zehelein@med.uni-heidelberg.de

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