Siegel der Universität Heidelberg
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Ehrungen für exzellente Leistungen

Für ihre hervorragenden Leistungen wurden in Heidelberg Ende 2005 sechs junge Wissenschaftler ausgezeichnet. Professor Paul Kirchhof stellt die Preisträger des Ruprecht-Karls-Preises, des Fritz Grunebaum-Preises und des Umwelt-Preises der Viktor und Sigrid Dulger-Stiftung vor und erläutert die Bedeutung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten.

Eine Universität beobachtet in ihren Forschungen alle Handlungsmöglichkeiten des Menschen. Dieses bestätigen die fünf besten Dissertationen unserer Heidelberger Universität, die mit dem Ruprecht-Karls-Preis des Jahres 2005 ausgezeichnet werden.

Die kunsthistorische Arbeit von Dr. Constanze Itzel sucht die Frage zu erklären, warum die niederländische Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts Steine wirklichkeitsgerecht nachmalte. Dr. Itzel deutet die wirklichkeitsgetreue Darstellung von Steinen in Bildern als eine Anweisung zum richtigen Bildgebrauch. Das Malen der Steine solle die Wirklichkeit nicht entmaterialisieren und damit überhöhen, verweise vielmehr auf den Materialcharakter des Bildes und warne damit vor dessen Gleichsetzung mit einer religiösen Wirklichkeit.

Die Gleichsetzung von Bild und Wirklichkeit werde schon durch den breiten Bilderrahmen der Bilder vermieden. Die Anwesenheit von Stiftern und Skulpturen widerlege ebenso die Gleichstellung von Bild und Realität. Vor allem aber zeigten die Bilder den Stein oder auch totes Holz als bloße Materie, in bearbeiteter oder auch beschädigter Form, machten damit die dienende, auf eine andere Wirklichkeit hinweisende Aufgabe des Bildes bewusst. Die Schrift von Dr. Constanze Itzel ist ein kühner Wurf, der mit sicherer Hand eine Vielfalt von Material im geistesgeschichtlichen Umbruch seiner Zeit deutet und damit einen weiterführenden bildtheoretischen, kunsthistorischen und religionsgeschichtlichen Beitrag leistet.

Renommierte Auszeichnungen für außerordentliche Arbeiten:Die Preisträger des Jahres 2005 mit Rektor Prof. Peter Hommelhoff und Stiftungsvertretern.
Renommierte Auszeichnungen für außerordentliche Arbeiten:Die Preisträger des Jahres 2005 mit Rektor Prof. Peter Hommelhoff und Stiftungsvertretern.

Dr. Jochen Walter widmet sich in seinen Untersuchungen der Frage, inwieweit Laktanz – der Cicero des Christentums – Bildungsgut und Wissen der heidnischen, nicht christlichen Kultur aufgenommen und sich zu eigen gemacht hat. Laktanz war, noch heidnisch geboren und erzogen, um 300 n. Chr. Christ geworden und wurde erster Apologet und Systematiker des konstantinischen Christentums.

Dr. Jochen Walter geht der Frage nach, ob die Nutzung heidnischen Bildungsgutes für das christliche Denken äußerlich geblieben oder ob dadurch die jüdisch-urchristliche Offenbarungsreligion mit griechisch-römischer Kultur verschmolzen worden ist. Laktanz geht nach dem Prinzip vor, das Nützliche, das Beste in den Dienst seiner Aufgabe stellen zu dürfen. Er macht sich die Ciceronische Rhetorik zu eigen, stellt sie aber in den Dienst des Kampfes gegen heidnische Religion und Philosophie. Begleitet wird die vereinnahmende Argumentation vom rhetorisch- pädagogischen Verfahren der Synkatabasis, also der Anpassung des Redners an das Niveau seiner Zuhörer. Vor Bischöfen redet man anders als vor dem Volk. Die Arbeit von Dr. Jochen Walter enthält eine herausragende Interpretationsleistung, welche die Laktanzforschung von einem Irrweg zurückholt.

Dr. Jan-Markus Schwindt stößt mit seiner physikalischen Dissertation in fast unvorstellbare Dimensionen unseres Kosmos vor. Er ist einer geheimnisvollen Größe, der "dunklen Energie", auf der Spur, die etwa 75 Prozent der Energiedichte unseres Universums ausmacht, also der alles bestimmende Stoff unserer Welt ist. Unsere Welt hat vier Dimensionen, drei räumliche – die Länge, die Breite und die Höhe – sowie die Zeit. Diese vier Dimensionen können wir unmittelbar wahrnehmen und erleben. Sie sind Grundlage unserer Welt- und Lebenssicht. Dr. Schwindt stellt nun die Frage, ob tatsächlich mehr Dimensionen existieren als wir sie unvermittelt wahrnehmen können. Er sieht uns in unserer Beobachtung ähnlich einer Wanze, die sich nur auf einer ebenen Fläche bewegt, deshalb überhaupt nicht bemerkt, dass der Raum noch eine dritte Dimension hat.

Dr. Jan-Markus Schwindt untersucht, ob unsere sichtbare Welt etwas wie eine vierdimensionale Membran in einem tatsächlich sechsdimensionalen Universum darstellt, wir also gegenwärtig ähnlich den Wanzen beobachten und ein Teil der Wirklichkeit bisher außerhalb unseres Blickwinkels bleibt. Dr. Schwindt diskutiert sein sechsdimensionales System nicht in einer hypothetischen Theorie, sondern in seinen empirisch greifbaren Konsequenzen. Er entdeckt die Existenz eines so genannten skalaren Feldes, die geheimnisvolle Größe, die das sein könnte, nach dem die Kosmologen unter dem Stichwort "dunkle Energie" suchen. Dr. Jan-Markus Schwindt hat in seiner Dissertation Pionierarbeit geleistet. Er betrachtet ein sechsdimensionales Modell, baut aber hierfür erstmals einen konkreten kosmologischen Bezug zwischen einem "Brane-Modell" und konkreten Eigenschaften unserer Welt, wie der Existenz der dunklen Energie. Seine Arbeit ist im Spitzenbereich der internationalen Forschung anzusiedeln.

Die Grundlagenarbeit von Dr. Christian Schlieker ist ein Beispiel dafür, wie die Zellforschung das Verstehen unserer Welt weitet, aber auch konkrete Fortschritte der Biotechnologie fördert. Stresszustände der Zelle, beispielsweise ein Hitzeschock, führen zu einer massiven Akkumulation von Proteinen in unlösliche Proteinaggregate und somit zu deren Inaktivierung. Diese Aggregate können aufgelöst und in ihren Ursprungszustand zurückgeführt werden.

Dr. Christian Schlieker setzt sich zum Ziel, diesen Mechanismus der Disaggregationsreaktion zu verstehen und zu erklären. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht ein bakterielles Hitzeschockprotein. Dieses Protein ist an der Auflösung von Proteinaggregaten beteiligt und deshalb für das Überleben von Zellen unter Hitzestressbedingungen wesentlich. Dr. Schlieker ist es gelungen, einzelne ungefaltete Proteine aus dem Aggregat herauszulösen, durch einen Proteinkanal zu schleusen und zu entfalten. Seine Erkenntnisse sind für die Produktion bestimmter Proteine in der Biotechnologie anwendbar. Die Arbeit ist methodisch breit angelegt, überbrückt mit kreativen Ideen methodische Schwierigkeiten und deckt in einer experimentell umfassenden Analyse den zellulären Mechanismus der Proteinentfaltung in der Zelle auf.

Den Fritz-Grunebaum-Preis erhält Dr. Florian Kienle, der sich in seiner Arbeit mit fehlerhaften Banküberweisungen im internationalen Rechtsverkehr beschäftigt hat. Wenn in einem gegenseitigen Vertrag eine Störung auftritt, wird der Vertrag rückabgewickelt: So muss ein Verkäufer den empfangenen Kaufpreis an den Käufer zurückgeben. So einfach liegen die Rechtsverhältnisse im modernen Massenverkehr der Banküberweisungen nicht. Bei der Rückabwicklung von Überweisungen können mehrere Rechtssubjekte beteiligt sind und es sind die Fragen der Rückabwicklungsverantwortung, des Vertrauensschutzes und der Abwicklungshilfe zu klären. Haben die Beteiligten ihren Sitz in unterschiedlichen Ländern, so stellt sich für die grenzüberschreitende fehlgeschlagene Überweisung die Frage, welches Recht, etwa das deutsche oder das amerikanische Recht, Anwendung findet.

Im Ergebnis entwickelt Dr. Florian Kienle die These von einem umfassenden und einheitlichen Rechtstatut für alle Überweisungsvorgänge und deren Fehler. Anzuknüpfen sei an das "Sitzrecht" der Überweisungsbank, also an das Recht der "Zahlstelle". Damit schlägt die Arbeit für das Massengeschäft der internationalen Banküberweisung eine einfache, praktikable und wirtschaftliche Lösung vor. Die Dissertation vertritt in souveräner Stoffbeherrschung, Verständnis für das wirtschaftlich Notwendige und Feinsinnigkeit für das internationale Privatrecht mutige und weiterführende Thesen und wird damit die Rechtsentwicklung hilfreich beeinflussen können.

Den Viktor und Sigrid Dulger-Preis erhält Dr. Martin Friedrich Quaas. Der Dulger-Preis zeichnet Arbeiten aus, die für den Umweltschutz von Bedeutung sind. Die Untersuchung von Dr. Quaas handelt von den ökonomischen Folgen von Bevölkerungswachstum und Umweltbelastung. So liegt die Verschmutzung mit Staub in den bevölkerungsreichen Städten Peking, Kalkutta oder Teheran weit über den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation. Grundsätzlich wird vermutet, dass eine wachsende Weltbevölkerung die globalen Umweltprobleme vermehrt und eine zunehmende Verstädterung lokale Umweltprobleme verursacht und verschärft.

Dr. Quaas untersucht zunächst, inwieweit das freie Spiel der Marktkräfte in der Lage ist, die Wanderungsbewegungen der Menschen so zu lenken, dass sich Konsum, Verschmutzung und Bevölkerungswachstum optimal aufeinander abstimmen, damit Wachstum möglich bleibt. Sodann führt Dr. Quaas am Beispiel von Bombay in Indien anschaulich das Zusammenwirken von Bevölkerungswachstum und Umweltproblemen vor Augen. Infrastruktur und Umweltprobleme beeinflussen die Bevölkerungsverteilung zwischen Land und Stadt wesentlich. "Slums" seien meist das Ergebnis erfolgsloser Regulierung der Zuwanderung in die städtischen Teile der Region.

Schließlich zeigt die Arbeit, dass das Anliegen, Transportkosten zu ersparen, die Konzentration der Bevölkerung auf einen kleinen Raum fördere, während die Umweltverschmutzung eher auf eine Dezentralisierung der Bevölkerung hinwirke. Hier entwickelt der Verfasser ein Grundmodell der Wirtschaftsgeographien, die in Zukunft vermehrt Beachtung finden werden. Die Arbeit ist sorgfältig angelegt, verständlich geschrieben und entwickelt ein modernes Thema im Blickwinkel der Ökonomie und Geographie. Sie bietet deshalb einen weiterführenden Beitrag für zentrale Fragen weltweiter Umweltpolitik.

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