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Arterienverkalkung & Co.

Arterienverkalkung, Herzinfarkt und Schlaganfall, Nierenversagen und Rheuma scheinen auf den ersten Blick gänzlich unterschiedliche Erkrankungen zu sein. Und doch weisen neueste Ergebnisse der medizinischen Grundlagenforschung darauf hin, dass alle diese Leiden eine Ursache gemeinsam haben: einen Gendefekt, der dazu führt, dass wichtige Botenstoffe nicht gebildet werden. Markus Hecker und Marco Cattaruzza vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie lassen die spannenden Wege der Forscher zu der Wurzel vieler Übel nachvollziehen und erläutern, mit welchen Medikamenten diese Krankheiten möglicherweise "auf einen Streich" behandelt werden könnten.

Ein plötzlicher Druck in der Brust, starke Schmerzen, Luftnot und Übelkeit, kalter Schweiß und Todesangst – das sind die klassischen Symptome eines Herzinfarktes. In Deutschland erleiden rund 300 000 Menschen jährlich einen Infarkt. Im statistischen Mittel ist demnach alle zwei Minuten ein Mensch von diesem lebensbedrohlichen Ereignis betroffen. Männer haben ein höheres Herzinfarkt-Risiko als Frauen, immer öfter ereignet sich ein Infarkt jedoch auch beim weiblichen Geschlecht, und immer häufiger sind auch junge Menschen betroffen.

Die Sterblichkeit ist nach wie vor hoch: Jeder Zweite überlebt den Infarkt nicht oder stirbt an den Folgen. Ein Grund dafür ist, dass die Betroffenen zu spät ins Krankenhaus kommen: Ein Herzinfarkt wird oft nicht oder erst zu spät erkannt, zu selten wird ein Notarzt hinzugezogen, der die erforderlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen einleitet. Von diesem Missstand betroffen sind vor allem Frauen. Bei ihnen äußert sich der Infarkt mit anderen Symptomen: Sie empfinden beispielsweise selten ein starkes Angstgefühl, leiden häufig an Übelkeit und Erbrechen und empfinden Schmerzen eher im Oberbauch als im Brustkorb. Weil die Symptome bei Frauen häufig falsch gedeutet und zunächst nicht mit einem Herzinfarkt in Zusammenhang gebracht werden, geht kostbare Zeit verloren. Denn im Ernstfall zählt jede Minute. Wird der Patient rechtzeitig in ein Krankenhaus eingeliefert und behandelt, ist die Prognose wesentlich günstiger.

Was genau ist ein Herzinfarkt? Und wie entsteht er? Zu einem Herzinfarkt kommt es, wenn Blutgefäße verschließen, die den Herzmuskel mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Das sind die "Koronararterien" oder "Herzkranzgefäße". Je nachdem, welche Koronararterie oder welche ihrer Verästelungen von dem Verschluss betroffen ist, kommt es zu einem mehr oder weniger heftigen Sauerstoff- und Nährstoffmangel des Herzmuskels. Kann die Durchblutung nicht innerhalb von dreißig Minuten wiederhergestellt werden, beginnen erste Herzmuskelzellen abzusterben. Grundsätzlich gilt: Je länger die Durchblutung unterbrochen ist und je mehr Blutgefäße blockiert sind, desto gravierender sind die Folgen. Die Behandlung des Herzinfarktes zielt deshalb darauf, blockierte Koronararterien schnellmöglichst wieder zu öffnen. Dies geschieht am effektivsten mithilfe eines so genannten Ballonkatheters, der bis zur Engstelle vorgeschoben und dort aufgeblasen wird. Anschließend wird an diese Stelle häufig noch eine metallene Gefäßstütze, ein "Stent", platziert, um eine spontane Verkrampfung des Gefäßes und damit eine neue Blockade zu vermeiden.

Solche Verkrampfungen oder "Gefäßspasmen" sind für etwa jeden zehnten Herzinfarkt verantwortlich. Die überwiegende Mehrzahl der Infarkte geht auf einen Thrombus, einen Blutpfropf, zurück: Das Herzkranzgefäß wird von Blutplättchen verstopft, die sich zusammenballen. Das passiert nicht irgendwo im Gewirr der Koronararterien, sondern immer dort, wo die Gefäßwand aufgequollen und verhärtet ist, und das Blut nicht ungehindert strömen kann. Solche Engstellen entstehen durch "arteriosklerotische Plaques". Das sind Ablagerungen aus Fett und Kalk – die Folgen einer jahrelangen krankhaften Veränderung der Blutgefäße, die als Arteriosklerose oder "Arterienverkalkung" bezeichnet wird. Manche Ablagerungen verengen den Innendurchmesser des Herzkranzgefäßes um 70 Prozent oder mehr. Solche Plaques können mit einem Ballonkatheter vorsorglich entfernt werden. Ein akuter Infarkt scheint jedoch weniger von diesen großen Plaques, sondern von deutlich kleineren Plaques auszugehen. Deren besonderes Merkmal ist es, das sie stets stark entzündet sind. Der Entzündungsprozess lässt die Bindegewebskappe, die jedem Plaque aufsitzt, immer dünner werden. Reißt die Kappe, kann ein Thrombus entstehen, der das Gefäß verschließt.

Bei der Arteriosklerose handelt es sich um eine chronische Entzündungsreaktion in der Arterienwand. Je nachdem, in welchem Gefäß die Entzündung schwelt und ein Thrombus entsteht, kann ein Herzinfarkt oder ein Hirnschlag oder Nierenversagen die Folge sein. Auch ein Infarkt im Innenohr, ein so genannter Hörsturz, kann so verursacht werden. Für das Voranschreiten der Arteriosklerose bedeutend ist der Funktionszustand des "Endothels" – der einlagigen Zellschicht, die die Blutgefäße von innen wie eine Tapete auskleidet. Normalerweise wirkt ein Botenstoff – das gasförmige Stickstoffmonoxid, kurz NO – einer Degeneration der Gefäßwand entgegen. Stickstoffmonoxid wird von den Zellen des Endothels selbst gebildet; stimuliert wird die NO-Produktion vom kontinuierlich fließenden Blutstrom. Für ein erhöhtes Arterioskleroserisiko wird neuerdings eine gestörte Bildung oder eine verringerte Aktivität von Stickstoffmonoxid verantwortlich gemacht. Als "klassische" Risikofaktoren der Arteriosklerose gelten Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte, vor allem zu viel Cholesterin, ein hoher Zuckerspiegel (Diabetes) und Zigaretten rauchen. Darüber hinaus vermutet man schon lange eine erblich bedingte Neigung, eine "genetische Prädisposition".

Was ist eine genetische Prädisposition? Unsere Erbanlagen (Gene) bestehen aus unterschiedlich langen Abschnitten des Erbmoleküls DNS (Desoxyribonukleinsäure). Das doppelsträngige Molekül setzt sich aus den Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin zusammen, die in einer bestimmten Reihenfolge (Sequenz) hintereinander aufgereiht sind. In der Reihenfolge der Basen verschlüsselt ist die Information für den Bau von Proteinen, beispielsweise der lebenswichtigen Enzyme. Das Ablesen und Übersetzen der genetischen Information in das Genprodukt – ein Protein – wird fachsprachlich als Expression bezeichnet.

Genetisch betrachtet sind alle Menschen nahezu gleich; lediglich 0,1 Prozent Variationen in den Genen entscheiden darüber, ob ein Mensch groß oder klein ist, ob er gesund bleibt oder krank wird. Die mit Abstand häufigste Genvariante ist der Austausch einer einzelnen Base. Dies kann mehrfach an verschiedenen Stellen eines Gens passieren, weshalb die Konsequenzen eines Basenaustausches recht unterschiedlich ausfallen können: Eine fehlerhafte Base in der so genannten kodierenden Sequenz eines Gens bewirkt möglicherweise, dass ein fehlerhaftes Protein hergestellt wird, das nicht oder nicht richtig funktioniert. Ein Basenaustausch in der Kontrollregion des Gens kann dazu führen, dass das Gen nicht mehr oder zu häufig abgelesen wird und die Zelle zu wenig oder zu viel des entsprechenden Proteins herstellt. Zusätzlich kompliziert wird die Situation dadurch, dass jeder Mensch zwei Ausführungen ein und desselben Gens besitzt: eine Kopie von der Mutter und eine Kopie vom Vater.

Unsere Arbeitsgruppe im Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg beschäftigt sich mit einem Einzelbasenaustausch, der sich in der Kontrollregion desjenigen Gens befindet, das die Information für den Bau der "Stickstoffmonoxid-Synthase" (NO-Synthase) trägt. Dabei handelt es sich um das Enzym, das in den Endothelzellen für die Bildung von NO verantwortlich ist. In der Kontrollregion dieses Gens – genau: an der Position -786 – ist die Base Cytosin gegen die Base Thymin ausgetauscht. An solche Kontrollregionen von Genen binden Regulatorproteine. Sie bestimmen, wie häufig ein Gen abgelesen oder exprimiert wird. Gemeinsam mit Wissenschaftlern und Ärzten der britischen Universität Oxford und des Universitätsklinikums Göttingen ist es uns gelungen, diesen Einzelbasenaustausch als eigenständigen, von den klassischen Risikofaktoren unabhängigen Risikofaktor für das Entstehen der Arteriosklerose zu identifizieren. Es ist uns darüber hinaus gelungen aufzuklären, welche Folgen dieser Gendefekt hat.

Dazu verglichen wir zunächst das Erbgut von Patienten, bei denen während einer Herzkatheteruntersuchung ein oder mehrere arteriosklerotische Plaques in den Herzkranzgefäßen nachgewiesen worden waren, mit dem Erbgut von gleichaltrigen Personen, in deren Herzkranzgefäßen keine arteriosklerotischen Plaques zu finden waren. Die Analyse ergab, dass der Gendefekt bei Patienten mit Arteriosklerose häufig "homozygot" war. Das bedeutet: Sowohl die mütterliche als auch die väterliche Kopie des Gens sind von dem Basentausch betroffen. Es erwies sich außerdem, dass die Genvariation bei erkrankten Personen wesentlich häufiger vorkommt als in der Normalbevölkerung.

Daraus lässt sich schließen: Homozygote Träger der Genvariante haben verglichen mit heterozygoten Trägern (eine Kopie des Gens ist normal, die zweite Kopie ist fehlerhaft) oder verglichen mit Personen, bei denen beide Kopien des Gens normal sind, ein etwa doppelt so großes Risiko, vorzeitig an Arteriosklerose zu erkranken. Diesen Zusammenhang konnten Studien anderer Wissenschaftler, an denen mehrere Tausend Patienten teilnahmen, mittlerweile bestätigen.

Bemerkenswert ist, dass in Westeuropa und in Nordamerika zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung homozygot für diese Genvariante sind (45 bis 50 Prozent der Bevölkerung sind heterozygot, 40 Prozent besitzen zwei gesunde Genkopien). In der Bevölkerung Ostasiens hingegen liegt der Anteil Homozygoter unter 0,1 Prozent. Interessanterweise leiden die Menschen in diesem Teil der Welt deutlich weniger unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Europäer oder US-Amerikaner nichtasiatischer Herkunft.

Die Grafik zeigt den Effekt der Wandschubspannung auf die Produktion eines wichtigen Enzyms, der NO-Synthase (NOS), in den Endothelzellen (EZ)
Die Grafik zeigt den Effekt der Wandschubspannung auf die Produktion eines wichtigen Enzyms, der NO-Synthase (NOS), in den Endothelzellen (EZ), also denjenigen Zellen, die Blutgefäße wie eine Tapete von innen auskleiden. Dargestellt ist außerdem die Wirkung des gasförmigen Botenstoffes Stickstoffmonoxid (NO) auf die glatten Muskelzellen (GMZ) der Gefäßwand.

Welche Konsequenzen hat dieser Basenaustausch? Wie "bewirkt" er ein höheres Arterioskleroserisiko? Erste Hinweise fanden sich, als wir Gefäßsegmente untersuchten, die von Patienten stammten, die sich wegen zahlreicher arteriosklerotischer Plaques einer Bypass-Operation unterziehen mussten. Bei dieser Operation überbrücken die Chirurgen verengte Herzkranzgefäße mit einem Venenstück, das sie zuvor aus der Beinvene der Patienten entnehmen. Die dabei übrig bleibenden Venenreste nutzten wir, um im Labor zu untersuchen, wie viel Stickstoffmonoxid die in ihnen enthaltenen Endothelzellen bilden. Das Ergebnis war eindeutig: Unabhängig von den klassischen Risikofaktoren produzierten die Venensegmente der homozygoten Träger der Genvariante deutlich weniger des gefäßwandschützenden Botenstoffes Stickstoffmonoxid.

Warum aber produzieren die Endothelzellen zu wenig Stickstoffmonoxid? Funktioniert das ausführende Enzym, die NO-Synthase, nicht richtig? Oder wird das Enzym nicht in ausreichender Menge hergestellt? Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten wir menschliche Endothelzellen, die wir aus den Gefäßen der Nabelschnur Neugeborener gewinnen und anschließend in Kultur vermehren konnten. Die ersten Ergebnisse waren enttäuschend: Die Genvarianten schienen sich nicht hinsichtlich der in den Zellen vorhandenen Menge an Enzym zu unterscheiden. Wir wussten jedoch, dass Endothelzellen in Kultur das Ablesen des Gens herunterregulieren, weil ihnen unter den Kulturbedingungen ein Stimulus fehlt, der im Körper ständig auf Endothelzellen einwirkt. Es handelt sich dabei um Zugkräfte, die das zähe und leicht klebrige Blut auf die Endothelzellen ausübt und sie in Richtung der Blutströmung verformt. Diese Kraft – sie wird auch "Wandschubspannung" genannt – kann man mit einigen Tricks auch auf kultivierte Endothelzellen einwirken lassen: Ein fast planer Kegel dreht sich dazu über der Kulturschale mit den Endothelzellen und versetzt das Kulturmedium, das sich über den Zellen befindet, in eine Rotationsbewegung. Verändert man die Zähigkeit des Mediums und die Rotationsgeschwindigkeit des Kegels, ist die Zugspannung, die im Körper auf die Endothelzellen einwirkt, sehr gut im Experiment nachzuahmen. Setzt man die Endothelzellen ihrem natürlichen biomechanischen Stimulus aus – so unsere Erwartung – wird das Gen für die NO-Synthase vermehrt abgelesen. Als Folge davon nimmt die Konzentration des Enzyms in der Zelle zu und die Endothelzellen produzieren mehr Stickstoffmonoxid. Gespannt warteten wir auf das Resultat dieses entscheidenden Experiments. Das Ergebnis war eindeutig: In den Endothelzellen von Menschen mit homozygotem Basenaustausch konnten wir keinen wandschubspannungsabhängigen Anstieg der NO-Synthase-Expression feststellen.

Mit einem fehlenden äußeren Stimulus war die mangelhafte Enzym- und Stickstoffmonoxid-Produktion also nicht zu erklären. Wie aber dann? Als Erklärung boten sich folgende Möglichkeiten an: Entweder bindet an die defekte Kontrollregion des Gens ein Protein, das die Anlagerung eines schubspannungsaktivierten Regulatorproteins verhindert – oder die Bindestelle für das Regulatorprotein ist aufgrund des Gendefektes zerstört. Ohne die Bindung solcher Regulatorproteine an die Kontrollregion kommt es nicht zu einem vermehrten Ablesen der kodierenden Sequenz eines Gens.

Eine Antwort erhofften wir uns von einem noch wenig bekannten Verfahren, der "Decoy-Oligonukleotid-Technologie". Decoy-Oligonukleotide sind zehn bis 25 Basenpaare lange, doppelsträngige DNS-Moleküle mit einer Sequenz, die der natürlichen DNS-Bindungsstelle eines bestimmten Regulatorproteins entspricht. Man schätzt, dass es mehrere Tausend solcher Regulatorproteine gibt, die jeweils eine bestimmte Bindungsstelle erkennen und Gene aktivieren, die über die entsprechende Bindungsstelle in ihrer Kontrollregion verfügen. Schmuggelt man solche Decoy-Oligonukleotide in eine Zelle, neutralisieren sie ihr Zielregulatorprotein. Das Ablesen des Gens und das Übersetzen seiner Information in Protein kann nun nicht mehr stattfinden. Man kann diese DNS-Moleküle aber auch als eine Art Staubsauger benutzen, der hemmende Proteine von der DNS entfernt und die natürliche Steuerung der Gen-Expression durch Regulatorproteine wieder möglich macht.

Decoy-Oligonukleotide (dODN) sind künstlich hergestellte DNS-Moleküle
"Decoy-Oligonukleotide" (dODN) sind künstlich hergestellte DNS-Moleküle, die wie Mini-Staubsauger arbeiten: Sie "saugen" ein Hemmprotein (Inh.) ab und bewirken so, dass das Gen abgelesen und in Protein umgesetzt werden kann.

Wir haben mehrere Decoy-Oligonukleotide hergestellt, deren Sequenz mit der kranken beziehungsweise gesunden Variante des Abschnitts der Kontrollregion des menschlichen NO-Synthase-Gens übereinstimmte. Und tatsächlich: Die der kranken Variante entsprechenden Oligonukleotide waren in der Lage, die fehlerhafte Expression des Gens in Endothelzellen zu reparieren. Es muss also ein Hemmprotein geben, das an die Kontrollregion des NO-Synthase-Gens bindet und verhindert, dass das Gen abgelesen werden kann.

Mit einem Kegel-Platten-Viskometer kann der Effekt der Wandschubspannung auf Gefäßwandzellen im Experiment nachgeahmt werden.  
Mit einem "Kegel-Platten-Viskometer" kann der Effekt der Wandschubspannung auf Gefäßwandzellen im Experiment nachgeahmt werden.

Es ist sicher noch zu früh, um über die Erfolgsaussichten eines Medikamentes zu spekulieren, das auf dieser molekularen Ebene wirken und Arteriosklerose verhindern könnte. Dennoch unterstreichen unsere Forschungsarbeiten, welches Potenzial die funktionelle Genomanalyse – das Aufklären der Konsequenzen von Genveränderungen – für die Medizin der Zukunft hat. Hinzu kommt, dass es noch weitere schwerwiegende Erkrankungen gibt, die mit dem Defekt des NO-Synthase-Gens einhergehen. Hierzu zählt die rheumatoide Arthritis, eine schwere entzündliche Gelenkerkrankung, unter der viele Menschen leiden. Bisher unveröffentlichte Daten unserer Arbeitsgruppe zeigen, dass Menschen, die homozygot für die beschriebene Variante des NO-Synthase-Gens sind, ein doppelt so hohes Risiko haben, frühzeitig an rheumatoider Arthritis zu erkranken, als heterozygote Träger beziehungsweise Personen mit der normalen Genausstattung. Der Grund für das erhöhte Erkrankungsrisiko: Ein normalerweise entzündungshemmender Botenstoff (Interleukin-10) scheint nicht oder nicht wirksam genug zu sein. Auch dieser Botenstoff entfaltet seine Effekte unter anderem über eine gesteigerte Bildung von Stickstoffmonoxid in Endothelzellen. Liegt der Gendefekt vor, kann das Regulatorprotein nicht an die Kontrollregion des NO-Synthase-Gens binden, da die Bindestelle durch das Hemmprotein blockiert ist: Das Enzym kann nicht vermehrt gebildet werden, die gesteigerte Produktion von NO bleibt aus.

Interessant sind Parallelen, die bei der Entwicklung der Arteriosklerose und der rheumatoiden Arthritis zu beobachten sind: Fachärzte stellen beispielsweise regelmäßig fest, dass Patienten, die an einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße leiden, gleichzeitig an rheumatoider Arthritis erkrankt sind. Sollte es möglich werden, diese Patienten mit einem Decoy-Oligonukleotid zu behandeln, wäre ein erster entscheidender Schritt in Richtung "personalisierte Medizin" getan: Zunächst wird der Genotyp des Patienten festgestellt und so sein individuelles genetisches Risiko bestimmt; anschließend könnten diejenigen Patienten der Behandlung zugeführt werden, die davon auch tatsächlich profitieren. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es gelingen wird, diese Ergebnisse medizinischer Grundlagenforschung in die ärztliche Praxis umzusetzen.

Autoren:
Prof. Dr. Markus Hecker und Priv.-Doz. Dr. Marco Cattaruzza
Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 326, 69120 Heidelberg
Telefon: (0 62 21) 54 40 35
E-Mail: hecker@physiologie.uni-hd.de

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