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Kurzberichte junger Forscher

Microbubbles – winzige Arzneimittelcontainer für eine nebenwirkungsarme Therapie

Jeder kennt dieses Problem: Man ist krank und braucht Medikamente – was aber ist mit den Nebenwirkungen? Arzneimittelforscher haben in der Vergangenheit eine Fülle sehr wirksamer Medikamente entwickelt, die Krankheiten heilen oder lindern können. Die meisten Arzneimittel helfen, ohne dabei zu schaden. Es gibt jedoch auch Medikamente, die sehr ausgeprägte Nebenwirkungen haben. Ein typisches Beispiel sind die so genannten Zytostatika, Medikamente, die eingesetzt werden, um Patienten zu behandeln, die an Krebs erkrankt sind. Ihr Nutzen in der Krebstherapie ist unumstritten – die Nebenwirkungen aber sind oft erheblich. Es gibt außerdem Wirkstoffe, die man als Medikamente gegen Krankheiten verwenden könnte, die sonst nicht zu behandeln sind – wenn sie nicht mit allzu großen Gefahren für den Patienten einhergingen. Schließlich gibt es moderne Therapieformen, die einen großen Nutzen für den Patienten versprechen. Sie können aber nicht eingesetzt werden, weil es derzeit noch schwierig ist, die dafür notwendigen Substanzen gezielt in Gewebe und Organe einzuführen. Hierzu zählen beispielsweise Vektoren, die Träger "heilender" Gene, die über die so genannte Gentherapie einen Heilungsprozess in Gang setzen könnten.

Viele Wissenschaftler haben sich in den letzten Jahrzehnten damit beschäftigt, Methoden zu erarbeiten, mit denen die Hürden auf dem Weg zu wirksamen Therapien überwunden werden können. Verschiedenste Ansätze wurden entwickelt, aber nur wenige haben bislang die klinische Praxis erreicht. Möglicherweise könnten "Microbubbles", mikrokleine Bläschen, die Lösung für alle diese Problem sein.

Was sind Microbubbles? Sie bestehen aus einem Gas, das von einer stabilisierenden Hülle umgeben ist. Diese Hüllen können aus sehr unterschiedlichen Substanzen aufgebaut sein. Sie bestehen beispielsweise aus Albumin, Fettsäuren, Zucker oder Polymeren und können in verschiedenen Größen hergestellt werden. Wenn derartige Bläschen einen Durchmesser von zwei bis drei Mikrometern besitzen, sind sie kleiner als rote Blutkörperchen und können als Kontrastmittel für Ultraschalluntersuchungen eingesetzt werden. Diese Anwendung der Microbubbles beruht auf der Tatsache, dass Ultraschall von Gasen reflektiert wird. Stößt also eine Ultraschallwelle auf ihrem Weg durch das Gewebe, etwa das Herz, auf ein solches Bläschen, wird sie reflektiert und erzeugt im Ultraschallgerät ein starkes Signal, das im Ultraschallbild aufgezeigt wird. Die winzigen Bläschen lassen sich in ein Blutgefäß injizieren, verteilen sich dann im gesamten Blutkreislaufsystem und können Hohlräume, beispielsweise Herzkammern, und Gewebe, etwa den Herzmuskel, durch bessere Kontrastbildung gut darstellen. Solche Ultraschallkontrastmittel gibt es schon seit einigen Jahren. Sie haben sich mittlerweile in der Diagnostik bewährt und werden in der klinischen Routine häufig eingesetzt.

Eine besondere physikalische Eigenschaft der Microbubbles ist, dass sie nicht nur den Ultraschall reflektieren, sondern auch in einem Ultraschallfeld in Schwingungen versetzt werden können. Beschallt man die Microbubbles im Bereich der Resonanzfrequenz (1,3 MHz) werden sie durch die Schwingungen größer oder kleiner. Die Amplitude dieser Schwingungen ist abhängig von der Ultraschallenergie. Eine hohe Energie hat schließlich die Zerstörung der Microbubbles zur Folge. Diese Eigenschaft erlaubt es, Microbubbles zu einem bestimmten Zweck und an einem bestimmten Ort als Kontrastmittelbläschen zu nutzen, – und sie anschließend mit hochenergetischem Ultraschall zu zerstören. Wie aber lassen sich die Bläschen über den diagnostischen Bereich hinaus nutzen, um die Nebenwirkungen von Medikamenten zu reduzieren oder bestimmte Substanzen gezielt in ein Gewebe oder Organ einzuschleusen?

Ein Vorteil, den man sich dafür zunutze machen kann, ist, dass Microbubbles einfach hergestellt und dabei mit einer zu transportierenden Substanz "gefüllt" werden können. Die derart mit einer bioaktiven Substanz befüllten Bläschen können nun in eine Vene gespritzt werden, gelangen in den Kreislauf und mit ihm in jedes Organ des Körpers. Soweit besteht noch kein Unterschied zu herkömmlichen Medikamenten. Nun aber kommt der hochenergetische Ultraschall ins Spiel: Mit ihm können die Bläschen im Zielorgan – und nur dort – zerstört werden, worauf der in ihrem Inneren eingeschlossene Wirkstoff frei wird und gezielt, genau dort, wo der Effekt gewünscht ist, seine therapeutische Kraft entfaltet.

Diese neue Anwendung der Microbubbles als winzige, gezielt einsetzbare Arzneimittelcontainer haben wir bei unterschiedlichen Anwendungen getestet. Zum einen interessierte uns der Transport von Medikamenten zu einem bestimmten Organ: Wenn es möglich ist, ein Medikament tatsächlich einzig im gewünschten Organ freizusetzen, dann kann das Medikament nur dort eine höhere Wirkung erzielen. Die infolge der üblichen Verteilung im ganzen Körper verursachten Nebenwirkungen werden jedoch reduziert. Um dies zu prüfen, haben wir in einem Pilotprojekt Microbubbles mit einem Protein (Luciferase) beladen, sie dann Ratten in die Blutbahn gespritzt und anschließend im Herzen mit Ultraschall zerstört. Hierdurch gelang es tatsächlich, die Konzentration des Proteins im Herzen um das 7-fache zu erhöhen, ohne dass die Konzentration im übrigen Körper der Ratte anstieg. Dieses Ergebnis zeigt Folgendes: Es ist möglich, Medikamente in hohen Konzentrationen in den Herzmuskel zu transportieren; sie können, etwa nach einem Herzinfarkt, die Durchblutung des Herzmuskels "vor Ort" wieder sicherstellen. Ebenso denkbar ist es, Zytostatika in hoher Konzentration in einen Tumor zu transportieren, damit sie dort ihre zellzerstörende Wirkung entfalten, ohne gesundes Gewebe dabei in Mitleidenschaft zu ziehen.

Und noch eine Anwendung ist denkbar: Man könnte Micobubbles als Transporteure für Gene verwenden. In das Innere der Bläschen wird dann kein herkömmlicher Wirkstoff, sondern Erbsubstanz (DNS) eingeschlossen. Auch dies haben wir getestet. Dazu haben wir Microbubbles mit so genannter Plasmid-DNS beladen und Ratten in die Blutbahn gespritzt. Anschließend haben wir die Bläschen im Herzen gezielt mit Ultraschall zerstört. Wir konnten danach messen, dass das fremde, von den Microbubbles eingeschleuste Gen im Herzen der Ratte tatsächlich abgelesen und in Protein übersetzt ("exprimiert") wurde, wohingegen in keinem anderen Organ eine nennenswerte Expression nachzuweisen war. Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass mit der Plasmid-DNS eine nahezu 100-prozentige Organspezifität, also ein Anreicherung einzig im erkrankten Organ, erreicht werden kann.

Unser Ziel ist es, die Micobubbles als Methode zur gezielten Verabreichung von bioaktiven Substanzen oder Genen weiterzuentwickeln und erste klinische Studien zu ermöglichen. Vor allem gilt es, die Transportkapazität der Bläschen für verschiedene Substanzen zu optimieren. Eine bessere Ultraschalltechnik, etwa eine höhere Energie oder die Verwendung dreidimensionalen Ultraschalls, verspricht, den therapeutische Nutzen der winzigen Bläschen weiter zu steigern.

Autor:
Dr. Raffi Bekeredjian
Innere Medizin III, Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 430, 69120 Heidelberg
Telefon (06221) 56 39 97,
e-mail: bekeredjian@med.uni-heidelberg.de

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