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Kurzberichte junger Forscher

Das Geheimnis der Sporozoiten – auf dem Weg zu neuen Medikamenten gegen die Malaria

Im Jahr 1880 entdeckte der französische Mediziner Alphonse Laveran erstmals im Blut eines seiner Patienten den Malariaerreger. Zunächst wurde seine Entdeckung nicht sonderlich ernst genommen, glaubten doch viele seiner zeitgenössischen Kollegen, dass die Malaria von Bakterien verursacht werde. Mit Hilfe eines von Carl Zeiss entwickelten neuen Ölimmersions-Mikroskopes gelang jedoch der Nachweis, dass in der Tat die von Laveran erkannten Parasiten und nicht Bakterien die schwere Krankheit verursachen. Acht Jahre später fand der britische Tropenmediziner Ronald Ross heraus, dass die Malaria verursachenden Parasiten von Stechmücken während ihrer Blutmahlzeit auf den Menschen übertragen werden. Kurze Zeit später berichtete ein weiterer Wissenschaftler, dass diese Parasitenformen, so genannte Sporozoiten, direkt in Blutzellen eindringen. Ein paar Jahrzehnte darauf wurde allerdings deutlich, dass die Sporozoiten zuerst in Leberzellen eindringen und sich dort zu Tausenden so genannter Merozoiten weiterentwickeln. Die Merozoiten sind es, die in die Blutzellen eindringen und letztlich die schweren Symptome der Malaria verursachen.

Malariaparasiten haben einen überaus komplexen Lebenszyklus.
Malariaparasiten haben einen überaus komplexen Lebenszyklus. Möglicherweise sind die Meister der Verwandlung über ihre eigentümliche Bewegungsweise im menschlichen Körper zu stoppen.

Die Malaria ist nach wie vor eine der tödlichsten Tropenkrankheiten. Sie fordert allein in Afrika Jahr für Jahr über eine Million Menschenleben, ihre häufigsten Opfer sind Kinder. Malariaparasiten sind Meister der Verwandlung und verändern sich ständig, je nachdem, in welchem Stadium ihres komplizierten Lebenszyklus sie sich befinden.

Die Sporozoiten werden im Körper der Stechmücke in speziellen Zysten geformt, die an der Magenwand sitzen. Von dort gelangen sie in die Speicheldrüsen der Mücke, wo sie mehrere Wochen verbleiben können. In der Speicheldrüse warten die Sporozoiten gleichsam darauf, während einer Blutmahlzeit der Stechmücke in den Körper des Menschen (in den Tropen) oder der Maus (im Labor) zu gelangen. Wie die Forschergruppe von Kai Matuschewski im Heidelberger Hygiene-Institut zeigte, schalten die Sporozoiten bestimmte Gene ein, deren Produkte sie brauchen, um nach der Übertragung im Körper des Wirtsorganismus erfolgreich zur Leber vorzudringen und sich in ihr weiterzuentwickeln. Wenn man Sporozoiten aus Mücken-Speicheldrüsen isoliert, kann man im Labor beobachten, wie sie auf einer festen Oberfläche vorwärts kommen: Sie haben eine gekrümmte Form und bewegen sie deshalb meist im Kreis und immer entgegen des Uhrzeigersinns.

Wir wollen herausfinden, welche Rolle diese merkwürdige Art der Fortbewegung bei der Übertragung und dem Weiterkommen der Parasiten im Wirtsorganismus spielt. Für diesen Zweck benutzen wir genetisch veränderte Parasiten, denen ein Gen der Qualle Aequorea victoria eingeschleust wurde. Dieses Gen lässt die Parasiten grün fluoreszieren, sobald man sie mit UV-Licht anstrahlt. Das macht es möglich, den Weg der Parasiten mit Hilfe eines Fluoreszenzmikroskops im Körper lebender Stechmücken und Mäuse zu verfolgen.

Erste Untersuchungen zeigen, dass sich die Parasiten im Innern der Mücken-Speicheldrüse fast gar nicht bewegen. Nur ab und zu wagt es ein Parasit, in das verzweigte Kanalsystem der Drüse vorzudringen. Von dort werden die Parasiten während des Stiches mitsamt dem Speichelfluss ausgeschäumt. Die eingeschränkte Beweglichkeit der Parasiten in der Speicheldrüse könnte erklären, weshalb bei einem Stich nur wenige Sporozoiten – maximal 100 – übertragen werden. Tatsächlich klumpen sich die meisten in den Höhlen der Speicheldrüse zu kompakten, unbeweglichen Aggregaten zusammen. Sie scheinen auf diese Weise eine Art Vorratshaltung zu betreiben. Einzelne Sporozoite lösen sich aus den Aggregaten heraus und wagen sich in die Speichelgänge vor.

Was passiert mit den Sporozoiten, die erfolgreich übertragen wurden? Dass die Sporozoiten während des Stiches direkt in die Blutbahn injiziert werden – das ist eine auch unter Wissenschaftlern weit verbreitete Meinung – ist sicherlich falsch. Dagegen sprechen viele indirekte Beobachtungen, die jedoch zumeist ignoriert werden. Sticht eine Stechmücke beispielsweise in das Ohr einer Maus und schneidet man die Einstichstelle nach ungefähr fünf Minuten heraus, kommt es nicht zu einer Übertragung der Malaria. Auch Untersuchungen bei Menschen weisen darauf hin, dass die Sporozoiten nicht in die Blutbahn, sondern zunächst in das Hautgewebe injiziert werden und von dort ihren Weg zu den Blutgefäßen finden müssen. Tatsächlich sind die genetisch modifizierten Sporozoiten nach ihrer Übertragung in den Wirtsorganismus zunächst in der Haut nachweisbar.

Die so genannte digitale Videomikroskopie ermöglichte es uns zudem zu untersuchen, wann und wie schnell sich die Sporozoiten bewegen. Dabei stellte sich heraus, dass sie sich wenige Sekunden nach der Übertragung sehr schnell und auf meist komplizierten Wegen durch das Hautgewebe bewegen. Sie finden schließlich ein Blutgefäß, dringen in es ein und gelangen so in den Blutkreislauf.

Erstaunlicherweise scheinen die Sporozoiten bei der Auswahl der Blutgefäße sehr wählerisch zu sein. Denn nicht jeder Kontakt mit einem Blutgefäß endet auch damit, dass sie in es eindringen. Viele Sporozoiten bewegen sich zunächst geraume Zeit in der Umgebung von Blutgefäßen – und begeben sich dann wieder zurück ins Hautgewebe. Manche dringen sogar in Lymphgefäße ein und können daraufhin im Lymphknoten gefunden werden. Warum die Malariaerreger eine so komplizierte Übertragungsstrategie entwickelt haben und welche Moleküle des Wirtes und der Sporozoiten dabei zusammenwirken, ist eine der vielen Fragen, die wir hoffen, mit unseren Arbeiten zu lösen.

Jedenfalls benötigt der Parasit einen ausgefeilten Bewegungsapparat, um sich durch das dichte Hautgewebe zu zwängen, durch die Wand der Blutgefäße in die Blutbahn vorzudringen und danach wieder aus dem Gefäßsystem hinaus in die Leberzellen zu gelangen. Um die Bewegungsmaschinerie der Sporozoiten besser zu verstehen, benutzen wir eine neue Technik, die es erlaubt, das Innere eines Sporozoiten in bisher ungekannter Präzision darzustellen. Diese Technik, die "Cryo-Elektronen Tomographie", wurde zum größten Teil am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried entwickelt. Nach der ersten überzeugenden Darstellung von Strukturen im Innern von Zellen wurde die Methode vor zwei Jahren vom Wissenschaftsmagazin "Science" zu einem der "Durchbrüche des Jahres" gekürt. Gegenwärtig führt sie zu einer wahren Flut neuer Entdeckungen in der Zell-, Neuro- und Infektionsbiologie.

Eine derartige Anlage kostet rund drei Millionen Euro. Wir hoffen darauf, dass unsere Untersuchungen zur inneren Architektur des Malariaerregers dazu beitragen werden, dass auch an der Universität Heidelberg eine solche Anlage erworben werden kann. In erster Linie aber hoffen wir, dass die neu entdeckten Strukturen ein geeigneter Angriffspunkt sein werden, um die schwere, oft tödlich verlaufende Tropenkrankheit erfolgreich zu bekämpfen.

Autor:
Dr. Friedrich Frischknecht studierte Biochemie in Berlin und Cambridge, promovierte im Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium in Heidelberg und arbeitet derzeit im Pasteur Institut in Paris.
Im Jahr 2001 wurde er mit dem "Amersham Science Prize for Europe" ausgezeichnet, im Jahr 2004 erhielt er den "BioFuture-Preis" des BMBF.
Ab Mitte 2005 forscht er im Hygiene-Institut der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg.

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