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Neue Wirkstoffe gegen die Hepatitis C

Weltweit sind etwa 170 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Die Erkrankung ist tückisch, bleibt sie doch oft jahrelang unbemerkt, bis sich Leberzirrhose oder Lebertumoren entwickeln. Zurzeit existiert weder ein Impfstoff gegen die Hepatitis C noch eine zufriedenstellende medikamentöse Therapie. Ralf Bartenschlager, Leiter der neuen Abteilung Molekulare Virologie am Hygiene-Institut, schildert, wie Grundlagenforscher dazu beitragen, neue Medikamente gegen die Hepatitis C zu finden.

Die Verbreitung der Hepatitis C

Die Hepatitis C – eine weltweite "stille Epidemie" mit schwerwiegenden Folgen

In klinischen Wörterbüchern ist nachzulesen, dass die Leber mit rund 1,5 Kilogramm die größte Drüse des menschlichen Körpers bildet, dass sie im rechten Oberbauch sitzt und für den Stoffwechsel von größter Bedeutung ist. Die Leber bildet und speichert Galle, Kohlenhydrate, Eiweiße und Vitamine, und sie produziert Plasmaproteine, beispielsweise Albumin. Die Synthese all dieser lebenswichtigen Stoffe ist dennoch nur ein Teil der Aufgaben, welche die Leber zu erfüllen hat. Eine andere, gleichermaßen wichtige Funktion ist es, giftige Substanzen abzubauen, etwa Arzneimittelwirkstoffe oder Alkohol. Wird die Leber auf Dauer zu stark belastet, kann sie geschädigt werden, was schwerwiegende Konsequenzen für den gesamten Organismus hat.

Entzündungen der Leber, so genannte Hepatitiden, werden aber nicht nur von Giftstoffen verursacht. Sie entstehen häufig auch durch Infektionen mit diversen Mikroorganismen. Hier sind in erster Linie die Hepatitis-Viren zu nennen, von denen man heute fünf verschiedene Arten kennt. Sie werden in der Reihenfolge des Alphabets als Hepatitis-A-Virus, Hepatitis-B-Virus und so fort bezeichnet. Medizinisch am bedeutsamsten sind das Hepatitis-B-Virus, kurz HBV, und das Hepatitis-C-Virus. Beide können chronische, häufig lebenslange Infektionen verursachen. Gemeinsam ist beiden Erregern außerdem, dass sie auf parenteralem Weg – durch Blut- und Blutprodukte – übertragen werden. Das kann beispielsweise durch den intravenösen Gebrauch von Drogen geschehen, durch Tätowierungen oder Nadelstichverletzungen. Geringste Blutmengen reichen für eine Infektion mit den gefährlichen Viren aus. Unterschiedlich hoch ist demgegenüber die Bedeutung der sexuellen Übertragung: Bei HBV spielt sie insbesondere in den Industrieländern die wichtigste Rolle; HCV wird hingegen nur selten sexuell übertragen.

Die Entdeckungsgeschichte der parenteral übertragenen Hepatitisviren begann in den 1960er Jahren. Damals gelang es dem Mediziner und Biochemiker Baruch Blumberg, den Hauptbestandteil des HBV im Serum infizierter Personen aufzuspüren. Darauf aufbauend konnten Nachweisverfahren für die Diagnose sowie ein effektiver Impfstoff entwickelt werden, der im Prinzip heute noch in Gebrauch ist. Diese Leistung bescherte Baruch Blumberg im Jahr 1976 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.

HCV-Erbgut im Virus

Das Erbgut des Hepatitis-C-Virus enthält zwei unterschiedliche Bauanleitungen: eine für die Herstellung der beiden äußeren Schutzhüllen und eine für die Komponenten, die für die Vermehrung des Erbguts erforderlich sind (vor allem die Enzyme Protease, Helikase und Polymerase). Bei den "HCV-Minivarianten" (unten) wurde die Region des Erbguts, die die Bauanleitung für die Schutzhüllen enthält, durch einen "resistenzvermittelnden" Faktor (gelb) sowie ein Steuerelement (grau) ersetzt. Diese Mini-Varianten werden dann auf künstlichem Wege in eine menschliche Leberzelle eingeschleust. Dort vermehren sie sich wie das unveränderte Erbgut (siehe grau-rot unterlegter Bereich oben) unter der Vermittlung von Protease, Helikase und Polymerase. Infektiöse Viren werden zu keiner Zeit produziert, weil die Bauanleitungen für die Schutzhüllen fehlen. Dieses Zellkultursystem ist heute das wichtigste Werkzeug für die HCV-Grundlagenforschung und die Therapieentwicklung.

HCV-Minivariante

Mit den neuen Nachweismethoden war es möglich geworden, infiziertes Blut strikt auszusondern. Die Anzahl der durch Bluttransfusionen übertragenen Hepatitis-B-Fälle konnte dadurch drastisch gesenkt werden. Dennoch kam es bei etwa zehn Prozent der Blutspendeempfänger noch immer zu einer Hepatitis. Ein Erreger ließ sich jedoch nicht dingfest machen, man sprach deshalb zunächst von einem "Non-A-Non-B-Hepatitis-Virus" als mutmaßlichem Auslöser. Die Suche nach dem Virus erwies sich als frustrierend. Über 15 Jahre blieb sie erfolglos. Erst mit modernen molekularbiologischen Verfahren gelang es im Jahr 1989, das Erbgut des Non-A-Non-B-Hepatitis-Virus zu isolieren. In der Folge wurden sehr empfindliche diagnostische Nachweisverfahren entwickelt, mit denen heute routinemäßig alle Blutprodukte getestet werden. Damit konnte die Wahrscheinlichkeit einer durch Bluttransfusionen verursachten Leberentzündung auf nahezu Null reduziert werden.

Diese Testverfahren wiesen auch nach, dass Infektionen mit dem Non-A-Non-B-Erreger – er wird heute als Hepatitis-C-Virus (HCV) bezeichnet – in der Bevölkerung weit verbreitet sind. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit etwa 170 Millionen Menschen mit HCV infiziert sind. Allein in Deutschland ist es jeder Zweihundertste, in den Vereinigten Staaten und Japan ist es etwa jeder Einhundertste. In einigen Ländern wie beispielsweise Ägypten ist die Anzahl der infizierten Menschen noch deutlich größer. Dort betrifft die Infektion jeden Fünften.

Die Hepatitis C wird häufig als "stille Epidemie" bezeichnet. Das liegt einerseits daran, dass die Erkrankung in der Bevölkerung wenig bekannt ist und auch die Medien nur selten darüber berichten. Andererseits bezieht sich dieser Begriff auf den schleichenden Krankheitsverlauf. Etwa drei Viertel aller Infektionen verläuft zunächst ohne erkennbare Symptome, oder die Beschwerden sind so unbestimmt und mild, dass ein Arztbesuch nicht in Betracht gezogen wird. Nur selten kommt es nach einer Infektion mit HCV zum klassischen Erscheinungsbild einer Hepatitis mit Übelkeit und Erbrechen, Druckschmerzen im rechten Oberbauch und Gelbsucht. Das Hauptproblem der HCV-Infektion ist die hohe Zahl an chronischen Verlaufsformen. Denn Patienten, die chronisch mit HCV infiziert sind, haben ein hohes Risiko, dauerhafte Leberschäden davonzutragen. Eine der schwerwiegendsten Folgen ist die Leberzirrhose, von der etwa jeder zehnte chronisch Infizierte betroffen ist. Bei einer Leberzirrhose gehen intakte Leberzellen in großer Zahl zu Grunde. Der Körper reagiert auf den massiven Verlust mit der Bildung von Bindegewebe. Im Laufe von mehreren Jahren oder Jahrzehnten vernarbt die Leber. Da das Bindegewebe nicht die Aufgaben der hoch spezialisierten Leberzellen übernehmen kann, ist die Stoffwechselleistung des Organs deutlich eingeschränkt. Im extremsten Fall versagt die Leber und der Betroffene stirbt. Bei Patienten mit Leberzirrhose können sich zusätzlich Leberzelltumoren bilden. In diesen fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung hilft oft nur noch die Lebertransplantation. Eine Schutzimpfung gegen HCV gibt es nicht. Dies liegt im Wesentlichen an der hohen Variabilität des Erregers, der fähig ist, sich sehr schnell zu verändern. Seine Variabilität ist so groß, dass kein Virus dem anderen gleicht: Statistisch gesehen unterscheiden sich zwei Viren in mindestens einer Position ihres Erbguts. Mathematische Berechnungen gehen davon aus, dass pro Tag circa 1012 Viren in einer infizierten Person gebildet werden. Berücksichtigt man, dass weltweit 170 Millionen Menschen an einer chronischen Infektion leiden, entspricht dies einer Welttagesproduktion von 1020 Virusvarianten. Würde man alle pro Tag gebildeten HCV-Varianten so in einem Buch zusammenfassen, dass das Erbgut von 1000 Varianten pro Seite abgedruckt wäre, hätte das Buch eine Dicke von zehn Milliarden Kilometern – dies entspricht in etwa dem Durchmesser unseres Sonnensystems.

Die Aufgabe der Forschung, einen Impfstoff zu entwickeln ist entsprechend groß, muss doch der Impfstoff eine nahezu grenzenlose Vielfalt von Virusvarianten erfassen. Diese Aufgabe ist bis heute ungelöst. Unbefriedigend sind bislang auch die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der chronischen Hepatitis C. Dazu werden bislang zwei Substanzen miteinander kombiniert. Eine dieser Substanzen ist Interferon-alpha, ein Botenstoff des Immunsystems, der den Organismus in die Lage versetzt, die Viren besser zu bekämpfen. Die andere Substanz ist "Ribavirin", eine synthetische Verbindung, welche die Langzeitwirkung des Interferons deutlich steigern kann. Leider können die Viren mit dieser Kombinationstherapie nur bei etwa der Hälfte der Patienten erfolgreich eliminiert werden. Darüber hinaus hat die Therapie starke Nebenwirkungen. Diese können dazu führen, dass die Dosis reduziert oder die Behandlung ganz abgebrochen werden muss. Die Entwicklung besserer Therapeutika und wirksamerer Behandlungsformen gegen die Hepatitis C ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben für Grundlagenforscher und Kliniker. Die meisten Wirkstoffe, die sich gegen Viren richten (antivirale Wirkstoffe), greifen unmittelbar in deren Vermehrung ein. Das wohl bekannteste Bespiel für einen antiviralen Wirkstoff ist "Acyclovir", das der ein oder andere Leser sicherlich schon verwendet hat, um herpesbedingte Lippenbläschen zu behandeln. Acyclovir wird von einem viruseigenen Enzym in das Erbgut des Herpesvirus eingebaut. Der falsche Erbgutbaustein bewirkt, dass sich kein neues Virus-Erbgut mehr bilden kann. Die weitere Produktion von Viren wird dadurch verhindert. Solche ursächlich ansetzenden Therapeutika gibt es für die Behandlung der Hepatitis C nicht.

Liegt es am mangelnden Interesse und Engagement der Wissenschaft oder der pharmazeutischen Industrie, dass es bislang noch keine effektiven Wirkstoffe gegen HCV gibt? Diese Frage lässt sich mit Sicherheit verneinen. Der Hauptgrund für die schleppende Therapieentwicklung ist vielmehr, dass es bislang keine geeigneten Systeme gibt, die es erlauben, HCV im Labor zu vermehren. Das aber ist die Grundvoraussetzung, um Wirkstoffe zu finden, die HCV hemmen.

Viren sind die am einfachsten gebauten Mikroorganismen. Das Hepatitis-C-Virus besteht lediglich aus einer doppelwandigen Schutzhülle, die das virale Erbgut umgibt. Der Vermehrungszyklus von HCV beginnt damit, dass sich das Virus an die Oberfläche einer Körperzelle anlagert und in diese eindringt. Danach zerfällt die innere Schutzhülle, und das virale Erbgut wird frei. Es wird jetzt benutzt, um unzählige Kopien verschiedener Viruskomponenten zu produzieren, von denen einige für die Vermehrung des viralen Erbguts verantwortlich sind. Neu hergestellte Erbgutkopien und Schutzhüllenbestandteile lagern sich sodann zu infektiösen Viren zusammen, die aus der Zelle ausschwärmen und weitere Zellen befallen.

Damit sich das Virus erfolgreich vermehren kann, benötigt es eine lebende Zelle, wobei es viele zelluläre Funktionen für die Synthese neuer Viruspartikel nutzt. Weil Virus und Wirtszelle derart eng miteinander verzahnt sind, gibt es nur wenige Angriffspunkte für Therapeutika, die ausschließlich die Virusneuproduktion hemmen, die Zelle aber nicht schädigen. Wichtiger noch: Das Entwickeln neuer Therapien ist im Prinzip ohne ein Vermehrungssystem für das Virus nicht möglich – denn wie sonst soll die Wirksamkeit eines neuen Medikaments überprüft werden? In den letzten zehn Jahren wurde deshalb intensiv daran gearbeitet, adäquate Vermehrungssysteme für HCV zu entwickeln.

Das Ergebnis sind zwei wichtige Neuentwicklungen. Die erste Neuentwicklung ist ein Tiermodell, das es möglich macht, HCV in Labormäusen zu vermehren. Dabei handelt es sich um Tiere, bei denen auf Grund eines gentechnischen Eingriffs ein großer Teil der Leberzellen kurz nach der Geburt abstirbt. Wenn man diesen Tieren menschliche Leberzellen transplantiert, wandern die Zellen in die zerstörte Mausleber ein, setzen sich dort fest und beginnen, sich zu teilen. Das Ergebnis ist eine so genannte chimäre Leber, die zu einem erheblichen Teil aus menschlichen Leberzellen besteht. In diesen Zellen vermehrt sich HCV nach der Infektion der Versuchstiere sehr effizient. Dieses System erlaubt es, antivirale Wirkstoffe im lebenden Organismus zu testen. Wegen technischer Schwierigkeiten, die mit der Transplantation der menschlichen Leberzellen einhergehen, ist das Tiermodell jedoch für die Therapieentwicklung nur bedingt geeignet.

Die zweite Neuentwicklung gelang meinen Mitarbeitern und mir vor vier Jahren mit einem Zellkultursystem, in dem gentechnisch veränderte "Mini-Erbgutvarianten" des HCV effizient vermehrt werden können. Der Trick besteht darin, einen Teil des viralen Erbguts mit gentechnischen Methoden zu entfernen und durch zwei neue Elemente zu ersetzen. Das erste Element enthält die Bauanleitung für die Produktion eines Enzyms, das die Zelle widerstandsfähig – resistent – gegen ein Zellgift macht. Das zweite Element ist ein Steuerelement. Es erlaubt die effiziente Produktion derjenigen HCV-Komponenten, die für die Vermehrung des viralen Erbguts verantwortlich sind.

Die Mini-Erbgutvarianten wurden von uns in menschliche Leberzellen eingeschleust, die sich im Labor einfach züchten lassen. Nach der Behandlung der Zellen mit dem Zellgift können nur diejenigen überleben, in denen sich die Mini-Erbgutvarianten vermehrt haben. Denn nur diese Zellen enthalten die Bauanleitung, die notwendig ist, um das Enzym zur Entgiftung herzustellen. Alle anderen Zellen werden durch das Zellgift getötet. Auf diese Weise konnten wir unter Millionen Leberzellen gezielt diejenigen ausfindig machen, in denen sich die Mini-Erbgutvariante effizient vermehrt hat. Als Ergebnis erhält man Zellkulturen, die sehr einfach im Labor zu handhaben sind und die große Mengen sich selbst vermehrender HCV-Minivarianten enthalten.

Dieses System haben wir seither ständig verbessert. Es ist heute das Hauptwerkzeug der HCV-Grundlagenforscher. Doch welche Aspekte der Virusvermehrung lassen sich damit überhaupt untersuchen?

Zunächst ist anzumerken, dass bei mit den Mini-Erbgutvarianten nur ein Teil des viralen Lebenszyklus analysiert werden kann. Da die Bauanleitung fehlt, die erforderlich ist, um die Schutzhüllen des Virus herzustellen, entstehen keine intakten Hepatitis-C-Viren. Folglich können weder die frühen Stadien der Infektion noch die Montage und das Ausschleusen der Viruspartikel aus der Zelle untersucht werden. Aus diesem Grund haben wir Zellkulturen hergestellt, in denen sich das vollständige Erbgut des HCV vermehren lässt. Eine andere Weiterentwicklung – die für die Wirkstofftestung sehr bedeutend ist – war es, das Zellkultursystem an so genannte Hochdurchsatzverfahren anzupassen. Mit ihnen lassen sich große Sammlungen unterschiedlichster Naturstoffe oder chemischer Verbindungen auf geeignete Wirkstoffkandidaten durchmustern. Dies erfordert möglichst einfache und automatisierbare Messverfahren, mit denen bestimmt werden kann, ob die Virusvermehrung gehemmt wird oder nicht. Wir haben deshalb in die HCV-Minivarianten neben dem Bauplan für die Zellgift-Resistenz zusätzlich eine Bauanleitung für ein Enzym eingesetzt, das Licht erzeugt. Damit konnten ebenfalls Zellkulturen hergestellt werden, wobei die Minivarianten im Zuge ihrer Vermehrung große Mengen des Lichtenzyms produzieren. Da die Menge erzeugten Lichtes ein direktes Maß für die Virusvermehrung ist und die Lichtproduktion sehr einfach bestimmt werden kann, sind diese Zellkulturen ideal geeignet für die Therapieentwicklung im Hochdurchsatzverfahren.

Aufgrund von Forschungsergebnissen der letzen Jahre haben sich drei entscheidende Angriffsziele für die Therapie der chronischen Hepatitis C herauskristallisiert. Ein erstes Angriffsziel ist die Polymerase. Dabei handelt es sich um ein Enzym, das die unmittelbare Vermehrung des viralen Erbguts vermittelt. Ein zweites Angriffsziel ist die Protease, ein eiweißspaltendes Enzym, das für die ordnungsgemäße Produktion der viralen Vermehrungsfaktoren benötigt wird. Das dritte Angriffsziel ist die Helikase. Dieses Enzym übt eine wichtige Hilfsfunktion bei der Vermehrung des viralen Erbguts aus. Allen drei Enzymen ist gemeinsam, dass sie für die Vermehrung des Virus unabdingbar sind. Sie werden außerdem ausschließlich in infizierten Zellen produziert, weil nur dort die notwendige Bauanleitung – das virale Erbgut – vorhanden ist. Dies macht sie zu idealen Angriffszielen für eine kausale Therapie.

In den vergangenen Jahren wurde intensiv nach neuen Wirkstoffen gesucht. Das Resultat kann sich sehen lassen. Bis Herbst 2003 wurden rund 30 verschiedene Substanzen beschrieben, welche die Vermehrung von HCV in diesem Zellkultursystem hemmen. Einige dieser Wirkstoffe werden zurzeit in ersten klinischen Studien geprüft. Mit einem Protease-Hemmstoff, den die Firma Boehringer Ingelheim entwickelt hat, wurden erste ermutigende Ergebnisse erzielt. Eine vor kurzem in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichte Pilotstudie belegt, dass eine 48-stündige Behandlung mit insgesamt vier Gaben dieses Wirkstoffs bei sie-ben von acht Patienten die Virusmenge im Blut um das 1000fache verminderte. Nach Beendigung der aus Sicherheitsgründen auf 48 Stunden begrenzten Therapie stieg die Viruslast während einer Woche auf die Ausgangswerte an. Zu vermerken ist, dass der Behandlungserfolg unabhängig davon war, ob der Patient zuvor mit Interferon alpha therapiert worden ist. Dies bedeutet, dass möglicherweise auch solche Patienten erfolgreich behandelt werden könnten, bei denen die jetzige Interferontherapie nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt.

Diese Studie belegt also, dass die Hemmung der HCV-Protease für die antivirale Therapie sehr gut geeignet ist. Leider haben Untersuchungen an Tieren mittlerweile gezeigt, dass der Wirkstoff das Herz schädigen kann, wenn er über längere Zeit in sehr hohen Dosen verabreicht wird. Weitere klinische Studien mit dieser Substanz wurden deshalb vorerst eingestellt. Zunächst gilt es, die Ursachen für Herzschädigung zu klären. Damit wird deutlich, dass es noch Jahre dauern wird, bis effektive Wirkstoffe zur Behandlung der chronischen Hepatitis C in der Klinik verfügbar sind. Eine anderes Problem ist die genetische Variabilität von HCV. Zum einen muss ein Medikament gegen alle erdenklichen Varianten des Virus wirken. Zum anderen ist anzunehmen, dass sich im Verlauf der antiviralen Therapie resistente Viren durchsetzen, die auf die Behandlung nicht mehr ansprechen. Schließlich stellt sich die Frage, ob alle Patienten mit einer chronischen Hepatitis C von einer solchen Kausaltherapie profitieren. Bei Patienten in einem verhältnismäßig frühen Stadium der Infektion beziehungsweise der Leberschädigung wird eine erfolgreiche Therapie die Langzeitfolgen vermutlich verhindern können, insbesondere Leberzirrhose und Leberzelltumoren. Unklar ist jedoch, bis zu welchem Stadium der Krankheitsentwicklung die antivirale Therapie noch greift. Man geht davon aus, dass HCV ein wesentlicher Kofaktor ist, der die Entwicklung von Leberzirrhose und Leberzelltumoren begünstigt; ab einem gewissen Stadium scheinen sie sich jedoch weitgehend oder gänzlich unabhängig von der Virusinfektion weiterzuentwickeln. In diesem Fall wäre eine antivirale Therapie im späten Stadium dieser Krankheitsverläufe nicht wirksam. Genau das aber sind die problematischsten Patienten mit der ungünstigsten Prognose.

Diese wichtigen Fragen müssen in großen klinischen Studien geklärt werden. Es ist jedoch schon heute absehbar, dass sich die Therapie der chronischen Hepatitis C, die derzeit noch auf der nebenwirkungsreichen Kombination von Interferon alpha und Ribavirin beruht, bald verbessern wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Hepatis C in Zukunft zu einer weitgehend behandelbaren Erkrankung werden wird.

Autor:
Prof. Dr. Ralf Bartenschlager
Abteilung Molekulare Virologie, Otto-Meyerhof-Zentrum, Im Neuenheimer Feld 350, 69120 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 56 45 69, e-mail: ralf_bartenschlager@med.uni-heidelberg.de

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