Siegel der Universität Heidelberg
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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Zeiten knapper Mittel gibt es Überfluss nur an Forderungen. Dass von Seiten der Politik Forderungen an die Universitäten gestellt werden, ist verständlich.

"Auch Professoren müssen mehr arbeiten" – unter dieser Überschrift veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung ein Interview mit dem neuen Wissenschaftsminister von Bayern. Darin heißt es: "Wenn wir im öffentlichen Dienst die Arbeitszeit auf 42 Stunden heraufsetzen, wird die Universität nicht ausgespart. An Privatgutachten oder Veröffentlichungen zu schreiben, zählt übrigens nicht zur regulären Arbeitszeit. Das ist nicht Bestandteil des Vertrags mit dem Staat." Nimmt man diese Äußerung wörtlich, bedeutet dies das Ende der Universität als Stätte der Forschung im Freistaat.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sollte also künftig auf Gutachter aus bayerischen Universitäten verzichten, es sei denn, sie verfassen die Gutachten unentgeltlich in ihrer Freizeit. Die Veranstalter internationaler Konferenzen sollten ihre Kollegen aus den bayerischen Universitäten besser nicht mehr einladen auch die Teilnahme an Konferenzen und die Präsentation von Forschungsergebnissen wären nach der eigenartigen Interpretation des bayerischen Hochschulgesetzes durch den zuständigen Minister kein Bestandteil des Vertrages mit dem Staat. Und ich frage mich, welcher Professor, der nur 42 Stunden arbeitet, für die akademische Selbstverwaltung und die Beantragung von Drittmitteln zur Verfügung stehen wird. Man kann die Äußerungen von Herrn Goppel leicht ad absurdum führen, und bis diese Zeilen veröffentlicht sind, hat er hoffentlich realisiert, dass die Universitäten nicht nur Hoch-Schulen sind. Der Begriff Universität evoziert die "universitas" von Lernenden und Lehrenden. Dies setzt die Einheit von Lehre und Forschung voraus.

Aber auch vom anderen politischen Lager gibt es Forderungen: "Hochschulen müssen noch internationaler werden" überschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Artikel der Bundesministerin für Bildung und Forschung. Bei der Internationalisierung der deutschen Hochschulen habe sich vieles bewegt, stellt Frau Bulmahn fest. Und das sei "kein Zufall", denn "die Internationalisierung der Hochschulen ist ein Kernthema der Politik der rot-grünen Bundesregierung". Die Bundesministerin verspricht: "Die Hochschulen in Deutschland können auf unsere Unterstützung zählen, wenn es darum geht, ihre Präsenz auf dem internationalen Bildungsmarkt auszubauen und mehr Studierende sowie Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland zu gewinnen". Sie nennt auch Zahlen: Den Anteil ausländischer Studierender will sie bis 2008 von acht auf zehn Prozent erhöhen, den von deutschen Studenten, die mindestens ein Semester im Ausland studieren, von 14 auf 20 Prozent. Schließlich sei Deutschlands Kapital auf dem Weltmarkt das Wissen seiner Bürger. Und das werde durch einen Austausch mit anderen Ländern gefestigt und gemehrt. Wer kann solchen (trivialen) Beobachtungen nicht zustimmen?

Zurück zur Realität aus der Sicht einer Universität mit einem Ausländeranteil von über 20 Prozent. Gewiss müssen sich auch die Universitäten bewegen und beispielsweise mehr international ausgerichtete Studiengänge einführen, wo es sinnvoll ist. Die wichtigsten Hindernisse einer größeren Internationalisierung sind aber andere: die fehlenden Gästehäuser, die Etatkürzungen des Goethe-Instituts und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), das Verbot der Studiengebühren, die Absurditäten des Ausländerrechts.

Wenn es für die Universität Heidelberg immer schwieriger wird, Kooperationen mit den besten Universitäten der Welt zu schließen, so ausschließlich deswegen, weil die Ruperto Carola den ausländischen Studierenden und Wissenschaftlern keinen Platz in den Gästehäusern garantieren kann, wie ihre Heimatuniversitäten dies für ihre Heidelberger Gäste tun. Die Arbeit des Goethe-Instituts und des DAAD schafft die besten Voraussetzungen, exzellente ausländische Studierende zu rekrutieren, die für das Studium in Deutschland sinnvoll vorbereitet sind. Hier muss die Bundesregierung mehr Geld investieren, statt den Oberlehrerzeigefinger zu erheben. Und vor allem: Ausländische Studierende sollten das Studium in Deutschland nicht wählen, weil es nichts kostet, sondern weil es von hohem Niveau ist. Exzellentes Studium ist nicht zum Nulltarif zu haben. Und ohne die Einführung von Studiengebühren, über deren Modalitäten man nachzudenken hat, werden die deutschen Universitäten nicht mehr lange fähig sein, "sich dem Vergleich mit den besten Universitäten zu stellen". Ich fürchte, dass der Beitrag deutscher Universitäten zur internationalen Forschung sonst hauptsächlich im Exodus qualifizierter Wissenschaftler bestehen wird, die im Gefolge der von Frau Bulmahn eingeführten katastrophalen arbeitsrechtlichen Bedingungen die Universitäten verlassen.

Für die Politiker, die sich mit bedenklicher Leichtfertigkeit zur Zukunft des Wissenschaftsstandortes Deutschland äußern sei hier ein altgriechisches Sprichwort zitiert: "paizein en ou paiktois" (Übersetzung nur gegen Honorar, da sie in meiner Freizeit erfolgen wird).

Ihr
Angelos Chaniotis, Prorektor
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