Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Meinungen

 
Professor Dr. Eike Martin

Professor Dr. Eike Martin, Geschäftsführender Direktor der Universitätsklinik für Anaesthesiologie in Heidelberg

Die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Paragraphen sowie sonstige Regelungen wie Wochenend- und Bereitschaftsdienste haben jüngst durch die Anpassung des deutschen Arbeitszeitgesetzes an die europäische Gesetzgebung einen deutlichen Wandel erfahren. Davon betroffen sind vor allem die im Krankenhaus beschäftigten Ärzte.

In einigen Bundesländern wird es bereits seit längerem praktiziert, Überstunden nicht mehr zu bezahlen, sondern über Freizeit auszugleichen. Dies kann jedoch vielerorts nicht eingehalten werden, weil sonst die Versorgung der Patienten gefährdet ist. So kommt es zu rund 50 Millionen Überstunden pro Jahr, wovon 80 Prozent weder finanziell, noch durch Freizeit kompensiert werden. Um diese Überstunden abzubauen, müss-ten rund 20 000 neue Arztstellen geschaffen werden. Das deutsche Arbeitszeitgesetz definiert den Bereitschaftsdienst als Ruhezeit. Nach Anpassung des deutschen an das europäische Arbeitszeitgesetz sind weitere 15 000 bis 20 000 Arztstellen erforderlich.

Der sich seit zwei Jahren abzeichnende Ärztemangel einerseits und die Einführung der DRG-Finanzierung (DRG = Diagnosis Related Group) für Krankenhäuser andererseits verdeutlicht die Misere, in der sich die Krankenhäuser in absehbarer Zeit befinden werden. Neben der direkten ärztlichen Tätigkeit wird nämlich von den Ärzten ein erhöhter Dokumentationsaufwand zwingend notwendig, um weitere drastische finanzielle Einbußen durch mangelnde Dokumentation der Patientenakten zu verhindern.

Demnach ist Folgendes festzuhalten: Das bestehende Arbeitszeitgesetz wird zur Zeit an den Krankenhäusern nicht konsequent umgesetzt. Verminderte Einnahmen sowie verlängerte Aus- und Weiterbildungszeiten sind ärztlicherseits die Argumente, die ins Feld geführt werden, da durch die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes nach europäischem Recht zukünftig entsprechende Schicht-dienste eingeführt werden müssen. Der wachsende Anteil nichtärztlicher Tätigkeiten sowie die mangelnde Strukturierung straff geführter Ausbildungsprogramme sind weitere Gründe, die eine Einhaltung beziehungsweise Umsetzung des vorgegebenen Arbeitszeitgesetzes erschweren. Die Einführung der DRG-Finanzierung der Krankenhäuser wird vor allem an Unikliniken – zumindest ist das die gegenwärtige Datenlage – zu verminderten Einnahmen führen. Die Kompensation der Einnahmeneinbußen wird schließlich auch zu Personalabbau führen.

Die Ahndung der Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bei bestehender Personalknappheit, bei erhöhter nichtärztlicher Tätigkeit und gleichzeitiger Wahrnehmung einer adäquaten Patientenversorgung zeigt die Kluft zwischen den gesundheitspolitischen Defiziten und den wahrzunehmenden medizinischen Pflichten.

Eine vor Ort gemeinsam variabel abgestimmte Auslegung des neuen Arbeitszeitgesetzes unter Berücksichtigung der Fürsorge für die Patienten und der Belastung der betroffenen Ärzte wird zwingend erforderlich sein. Das gegenwärtige Arbeitszeitgesetz kann an Krankenhäusern, zumindest an Universitätskliniken, nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden.

Die Umsetzung des europäischen Gesetzes wird Pflicht. Auf welche Art und Weise sie erfolgen wird und inwieweit hierdurch Krankenversorgung, Forschung und Lehre an Universitätskliniken unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen – Nachwuchsmangel, AIP-Wegfall, verminderte Einnahmen, DRG-Finanzierung – betroffen sein werden, ist zur Zeit nicht vorauszusagen.

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang