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„Reinheit“

18. Februar 2008

Symposion des Sonderforschungsbereichs "Ritualdynamik" der Universität Heidelberg vom 25. bis zum 27. Februar 2008 in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg (IWH) – Thema: "How Purity Is Made – Persistenz und Dynamik des Reinheitsdenkens in ritualwissenschaftlicher Perspektive"

"Reinheit" erscheint vielen heute als ein vormoderner Begriff, der höchstens noch in der Waschmittelwerbung oder in Form des Reinheitsgebots für deutsches Bier eine Rolle spielt. Man übersieht dabei leicht, dass die Unterscheidung von erlaubt und verboten auch heute noch in nicht wenigen Religionen und Traditionen mit dem Gegensatzpaar rein und unrein begründet wird. Das Schweinefleischverbot des Islam etwa ist auch für die hiesige Gesellschaft von Bedeutung. Meidungstendenzen, Geschmackspräferenzen oder die Wahrnehmung des Körpers sind weltweit bei vielen Menschen von Reinheitskonzepten beeinflusst und prägen deren Alltag nicht unwesentlich. Das Streben nach dem Einfachen, Echten, Authentischen, Ursprünglichen wird häufig mit dem Begriff der Reinheit verbunden und mit dem Wunsch nach Spiritualität und Heilserfahrung verknüpft. Fasten und Askese versprechen das Gefühl der Läuterung. Dem Beichten wird eine ähnlich kathartische Wirkung zugeschrieben.

Reinheitsaspekte können einen derart hohen Stellenwert gewinnen, dass der Reinheitsgedanke ganz ins Zentrum von Glaubensvorstellungen rückt. Im religiösen Fundamentalismus verschiedenster Ausprägung haben Bezüge auf den reinen Ursprung und die Bedrohung durch Verfälschung einen festen Platz. Auch in modernen "aufgeklärten" Gesellschaften gibt es Erscheinungen, die auf diesen Gedanken zurückkommen. Ein Beispiel hierfür sind etwa die so genannten "purity balls" in den USA, bei denen Töchter ihren Vätern feierlich Enthaltsamkeit vor der Ehe versprechen. Säkulare Ideologien tendieren dazu, die Reinheit der Lehre, Linientreue und Einheitlichkeit des Bekenntnisses zum Selbstzweck zu machen. Dass Reinheitsmetaphern auch in weniger ideologisch geprägten Debatten eine Rolle spielen können, hat jüngst der französische Präsident gezeigt, als er angesichts von Ausschreitungen im Migrantenmilieu der Pariser Banlieus davon sprach, man müsse "die Vorstädte mit dem Hochdruckreiniger säubern."
  
Ziel der Tagung ist der wissenschaftliche Austausch über das Spektrum der Reinheitsvorstellungen anhand von Beispielen, die vom Alten Ägypten bis zu heutigen amerikanischen Evangelikalen reichen. Lässt sich ein gemeinsamer Kern dieser Konzeptionen ausmachen, auch über kulturelle Unterschiede hinweg, oder handelt es sich um ganz unterschiedliche Vorstellungen? Welche Praktiken werden angewandt, um Reinheit zu bewirken? Und welche Auswirkungen haben sie auf den Alltag? Wie wird Reinheit erfahren und welche Gefühle sind damit verbunden? Wie wird sie symbolisch nach außen hin dargestellt und öffentlich inszeniert?

Kontakt:
Dr. Udo Simon
Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients
Tel. 06221 54 29 64
udo.simon@ori.uni-heidelberg.de

Dr. Ellen Peerenboom, Geschäftsführerin
Internationales Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg
Tel. 06221 543690, Fax 165896
iwh@uni-hd.de

Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz, Pressesprecher der Universität Heidelberg
michael.schwarz@uni-heidelberg.de

Irene Thewalt
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Seitenbearbeiter: Email
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