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Fahranfänger und Senioren sind besonders gefährdet

16. März 2007

Fehlende Fahrpraxis, hohes Alter, Medikamente und Rauschmittel sind unterschätzte Risiken im Straßenverkehr – Kongress der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin in Heidelberg

Professor Dr. Rainer Mattern  
Professor Dr. Rainer Mattern, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und Direktor des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg.
Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Fahranfänger unter 25 Jahren haben ein achtmal höheres Risiko, einen Unfall am Steuer zu verursachen, als erfahrene Fahrzeuglenker zwischen 25 und 65 Jahren. Etwa dasselbe Risiko besteht für über 75-jährige Fahrer. Sitzen diese weniger als 8.000 Kilometer jährlich am Steuer, erhöht sich das Risiko sogar noch gegenüber der Gruppe der Fahranfänger, berichtete Professor Dr. med. Rainer Mattern, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und Ärztlicher Direktor des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg, bei der Pressekonferenz des Verkehrsmedizin-Kongresses am 15. März 2007 in Heidelberg.

Eine positive Entwicklung der Unfallstatistik verzeichnet der 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin, der vom 15. bis 17. März 2007 in Heidelberg tagt. Bei 54 Millionen zugelassenen Kraftfahrzeugen, das sind siebenmal mehr als 1957, dem Gründungsjahr der Gesellschaft, geht dennoch die Anzahl der tödlich verletzten Unfallopfer stetig zurück. Nach einer Spitze von fast 20.000 Unfalltoten im Jahr 1970 waren 2006 noch 5.094 Unfallopfer mit tödlichen Verletzungen zu beklagen. Dies ist unter anderem auf eine bessere Fahrzeugsicherheit mit Airbag, Sicherheitsgurten und Kindersitzen zurückzuführen, an deren Entwicklung die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin maßgeblich beteiligt war.


Keine Grenzwerte für Medikamente und Drogen

Die Gründe für die höheren Unfallrisiken bei jungen Fahranfängern liegen in Selbstüberschätzung bei mangelnder Erfahrung sowie in mangelnder Fahrtüchtigkeit nach dem Genuss von Alkohol und illegalen Drogen wie Cannabis, berichteten Experten bei einer Presskonferenz am 15 März 2007. Ältere Verkehrsteilnehmer sind eher durch schlechtes Sehen, langsames Einschätzen von Verkehrssituationen und verminderte Reaktionsgeschwindigkeit eingeschränkt. Diese Unsicherheiten werden aber bis zur Grenze von etwa 75 Jahren oft geschickt, z.B. durch das Meiden schwieriger Fahrsituationen bei Nacht oder schlechtem Wetter, kompensiert. Zudem kann ein auf Senioren ausgerichtetes Fahrtraining Unsicherheiten abbauen helfen.

Gerade bei älteren Fahrern können Medikamente wie Beruhigungs- und Schlafmittel sowie die gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente die Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit einschränken. Durch den langsameren Stoffwechsel älterer Menschen werden die Medikamente mit Verzögerung ausgeschieden. So steigt das Unfallrisiko nach Einnahme von Beruhigungsmitteln (Valium u. a.) um 20 Prozent. Europaweite Projekte wie die Studie DRUID ("Driving under the influence of alcohol, drugs and medicines") versuchen, Rahmendaten für die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nach Einnahme von Genussmitteln, Drogen und Medikamenten zu ermitteln, berichtete Professor Dr.-Ing. Josef Kunz, Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch-Gladbach. Wegen der individuellen Aufnahme dieser Substanzen im Blut seien Grenzwerte aber sehr umstritten; über die Möglichkeit einer Festlegung von Missbrauchs-Grenzwerten ähnlich der Promillegrenze beim Alkohol werde derzeit noch geforscht.


Drogen- und Medikamententests nach Unfällen haben zugenommen

Berauschende Mittel hatten 2005 statistisch gesehen einen Anteil von 0,3 Prozent an den Unfallgründen. Die Dunkelziffer sei jedoch hoch, erläuterte Professor Dr. rer. nat. Gerold Kauert, Leiter des Instituts für forensische Toxikologie am Zentrum der Rechtsmedizin der Universität Frankfurt/Main. Während Alkoholproben zum Standard polizeilicher Ermittlung gehören, werden Unfallteilnehmer erst seit wenigen Jahren häufiger auf Drogeneinnahme getestet und müssen bei nachgewiesener Einnahme illegaler Drogen mit Sanktionen rechnen. Konsumenten von Medikamenten mit beeinträchtigenden Nebenwirkungen seien derzeit noch nicht vom Straßenverkehr ausgeschlossen.

Dies sei vom Gesetzgeber so gewollt, aber unter Sicherheitsaspekten schwer nachvollziehbar, erläuterte der Toxikologe. Immerhin gehe es um die möglicherweise fehlende Sicherheit zum Führen von Fahrzeugen. Derzeit bestehe daher für jeden Fahrzeugführer die Verantwortung, die eigene Fahrtüchtigkeit kritisch zu prüfen und im Zweifelsfall das Auto stehen zu lassen, forderte Kurt-Rüdiger Maatz, Richter am Bundesgerichtshof Karlsruhe. Der Gesetzgeber solle sich aber dieses Themas annehmen, so die Forderung des verkehrsmedizinischen Kongresses.

Die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin e. V. mit Sitz am Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Universitätsklinikum Heidelberg hat derzeit etwa 350 Mitglieder, Ärzte, Psychologen, Toxikologen, Ingenieure und Juristen. Aufgaben und Ziele sind die Rettung von Menschenleben, die Erhaltung der Mobilität und die Qualitätssicherung bei der Feststellung von Fahreignung und Fahruntüchtigkeit. Die Mitglieder widmen sich insbesondere der Erforschung menschlichen Versagens als Unfallursache, z. B. durch Krankheit, Arzneimittel, Alkohol und Rauschmittel sowie physiologische Leistungsminderung.


Kontakt:
Professor Dr. Rainer Mattern
Direktor des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 8911 (Sekretariat)
E-Mail: rainer.mattern@med.uni-heidelberg.de

Weitere Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin:
www.gesellschaft-verkehrsmedizin.de

Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Universitätsklinikum Heidelberg:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Rechtsmedizin-und-Verkehrsmedizin.119.0.html



Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
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Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg

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