Bericht zum Symposium des DWI und der Oberrheinischen Sozietät am 24.04.2018

„Zwischen Verdrängen und Vergessen: Menschen mit Behinderung während der NS-Zeit in Heidelberg“

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Bis heute stellen behinderte Menschen eine oftmals vergessene Opfergruppe der NS- Diktatur dar. Dies liegt zum Teil an der unvollständigen Aktenlage, zum Teil aber auch an bislang fehlenden Untersuchungen. Zumindest regionalgeschichtlich lässt sich dies für die Stadt Heidelberg feststellen: Es gibt z.B. keine Informationen darüber, wie viele Menschen mit geistiger Beeinträchtigung von ihrem Wohnort Heidelberg aus nach Machtergreifung der Nationalsozialisten über unterschiedliche Zwischenstationen schließlich nach Grafeneck deportiert und dort vergast wurden. Vor diesem Hintergrund verfolgte das im Sommersemester 2017 von Prof. Ehmann und Prof. Eurich geleitete Seminar zwei Ziele: zum einen sollten sich Studierende in die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge von Medizin, „Rassenhygiene“ und Euthanasie im Nationalsozialismus einarbeiten. Zum anderen sollte ein erster Schritt zur Untersuchung der aus Heidelberg deportierten behinderten Menschen unternommen werden.

Beim Symposium am 24.4.2018 präsentierten dann drei Studierende stellvertretend für die Seminargruppe die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit im Senatssaal der Alten Universität Heidelberg: Bereits während des Seminars wurden Einzelschicksale durch Untersuchung von Archivmaterialien rekonstruiert und in Seminararbeiten anschließend die Rekonstruktionen weiter vertieft und ergänzt.

Nach der Begrüßung durch den Dekan der Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Christoph Strohm, und der Einführung ins Thema durch Prof. Dr. Johannes Eurich, stellten Lena Moeller, Franziska Schwarz und Julian Kraut jeweils eine individuelle Lebensbiographie eines deportierten Menschen vor: Crescenz Bierer, Josephine Fuchs und Jakob Zahn samt der Familie Zahn. Durch die detaillierten und zum Teil mit persönlichen Briefen, Hoffnungen und Zukunftsplänen dieser Menschen bereicherten Präsentationen wurde das Lebensschicksal der Einzelnen anschaulich vergegenwärtigt. Den deportierten und ermordeten Menschen wurde ein Gesicht, ein Ort und ein Raum gegeben. Durch Kontakte mit Stolperstein-Initiativen soll erreicht werden, dass weitere Stolperstein für diese deportierten Menschen eingefügt werden. Das Symposium endete mit einem Vortrag von Prof. Ehmann, der aufbauend auf die Hausarbeiten von Frau Kreß, Herrn Kraul und Frau Wittmann die Schwierigkeit in den Mittelpunkt rückte, rückblickend Eindeutigkeiten in der Geschichtsdeutung herzustellen. Prof. Ehmann legte am Beispiel von Dr. Wilhelm Möckel, der zu Beginn der NS-Zeit Anstaltsdirektor der damaligen „Heil- und Pflegeanstalt“ in Wiesloch war, treffend dar, wie sehr das Handeln der Verantwortlichen durch Ambivalenzen geprägt war.

Das Symposium zeigte, wie mühsam, aber auch bewegend der Versuch oftmals ist, mittels historischer, d.h. archivalischer Forschung, das zu forcieren, was das Seminar initiieren wollte, dem „unwerten Leben“ kranker und sozial deklassierter Menschen wieder einen Namen, eine Geschichte und somit einen Hauch von Würde zu verleihen.

 

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 17.05.2018
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