Zwei Bücher über drei Familien in vier Ländern im 20. Jahrhundert: China, Japan, Australien, USA

Ganz unauffällig erschienen vor einigen Jahren in Amerika und Australien eine Autobiographie von Ludwig Alexander Fabel und ein Buch von Judy Fander über ihren Ehemann, der sich Hans und Walter nannte und „Hansi“ und „Wally“ genannt wurde. Beide Herren hatten deutsche Eltern und lebten länger in China. Beide Bücher haben eher abschreckende, nichtssagende Titel und sind dennoch spannend und voller Dramen.

Fabel wurde im Jahr 1900 in Mannheim geboren, seine Familie stammte aus Hessen. Er promovierte in den frühen zwanziger Jahren in Freiburg und war dann in der Wirtschaft tätig. 1934 reiste er mit mehreren Verwandten nach China und wurde Berater des chinesischen Provinzgouverneurs von Hunan. Nach etwa drei Jahren ­- als die Japaner China angriffen (1937) und der Gouverneur abgelöst wurde - endete die Tätigkeit. Zu dieser Zeit ging auch seine Ehe zu Ende, die Frau zog mit den Kindern nach Hongkong, er selbst arbeitete im Südwesten Chinas und in Burma. Am Ende des Jahrzehnts zog er nach Norden und ließ sich in Peking nieder. In den ganzen Jahren hatte er keine feste Stelle und litt unter finanziellen Problemen.

Hans Walter Fander war der Sohn des Süddeutschen Walter Pfander/Fander und der Norddeutschen Hanna Schilling; er wurde 1927 in England geboren und konnte so britischer Staatsbürger werden und frühzeitig Englisch lernen. Nach der Trennung der Eltern nahm Hanna ihn mit nach Shanghai. Dort lernte sie den für AEG arbeitenden (ebenfalls geschiedenen) Geschäftsmann Helmut Woidt kennen und heiratete diesen. Der Sohn, der nun Hansi Woidt genannt wurde, ging auf verschiedene Schulen in China und Japan (wo der Geschäftsmann auch tätig war). Helmut Woidt arbeitete nun für HAPRO (Handelsgesellschaft für industrielle Produkte mbH) und das deutsche Reichswirtschaftsministerium.

In Nordchina trafen Fabel und die Woidts zusammen. Da Deutschland und Japan in den Kriegsjahren verbündet waren, konnten sich deutsche Geschäftsleute im japanisch besetzten Gebiet relativ frei bewegen und auch nach Japan reisen.   

Fabel und Woidt waren 1933/34 NSDAP-Mitglieder geworden, allerdings bleibt auch in diesen Büchern unklar warum. (Fabel selbst schimpft in seinem Buch ständig über die Nazis.)

Woidt, von dem keine eigenen Aussagen dazu bekannt sind, war in einer interessanten Position. Er kannte seit etwa 1930/31 (in Shanghai) den deutschen Sowjetagenten Richard Sorge und traf ihn in den nächsten Jahren regelmäßig. Als Sorge in Japan verhaftet und hingerichtet wurde, bekam Woidt keine Probleme. Nach Kriegsende erfuhren allerdings die amerikanischen Besatzer in Japan von Woidts Kontakten mit Sorge. (So wurde Woidt später in einigen Büchern über Sorge erwähnt.)

Familie Woidt löste sich nach dem Krieg auf: Helmut wurde von den Amerikanern nach Deutschland „zwangsrepatriiert“ und war nach der Freilassung wieder als Geschäftsmann tätig, anfangs in Bremen.

Hanna blieb zunächst in China. Hans ging (auf Umwegen) nach Australien, was durch seinen Pass und die Sprachkenntnisse unproblematisch war. Er wurde Geologe und heiratete offenbar zwei mal, die letzte Frau war Judy Fander.

NL 105 5 Kampen Zwei BücherDie beiden Bücher behandeln die gleiche Zeit und ergänzen sich. Fabel beschreibt die Erwachsenenperspektive mit beruflichen und privaten Problemen und vielen Reisen in mehreren Provinzen. Um mit seinem Chef in Hunan besser kommunizieren zu können, begann er den Hunan- Dialekt zu lernen, gleichzeitig versuchte er seine Englischkenntnisse zu verbessern; Nach dem Krieg arbeite er eine Weile in den USA und ging dann wieder nach Deutschland. (Auch Hanna ging 1949 in die USA.)

Fander betont die Perspektive eines Schülers, der auch von familiären Problemen beeinflusst wurde. Da er teilweise bei Gastfamilien wohnte und seine Eltern selten sah, wurde er früh selbstständig. Von Hanna und Helmut Woidt gibt es keine Darstellungen dieser Zeit; allerdings finden sich in einigen Bibliothekskatalogen die Dissertation des Herrn und ein Buch von Hanna Woidt: Chinese Handicrafts (1944). Der Sohn veröffentlichte: Mineralogy for Metallurgists (1985).

In ihrer Pekinger Zeit trafen Fabel und die Woidts auch die Sinologen Wolfgang Franke (Sohn von Otto Franke) und Helmut Wilhelm (Sohn von Richard Wilhelm), sowie den Journalisten Klaus Mehnert, der in China eine Zeitschrift publizierte.

 

Literatur:

Ludwig A. Fabel: My Life – Recollections from 1900-1972 (ohne Jahr).

Judy Fander: The Mineral Detective (2007).

 

Dr. Thomas Kampen

 
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Letzte Änderung: 04.10.2020
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