Exkursion des DWI nach Brüssel


Dwi-Exkursion nach Brüssel


Die Europäische Union in Brüssel und die dort ansässigen Vertretungen von EKD und Diakonischem Werk kennenzulernen, das war Ziel der gemeinsamen Exkursion des Diakoniewissenschaftlichen Instituts und der Evangelischen Fachhochschule Bochum vom 21.-23. Januar 2010.



21 Studierende besuchten daher unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Maaser (Bochum) und Prof. Dr. Johannes Eurich die europäische Hauptstadt. Auf dem Programm standen Besuche bei der EU und Gespräche mit dem Vertreter des EKD-Büros in Brüssel, Patrick-Roger Schnabel, der Vertreterin des Diakonischen Werkes, Katharina Wegner, mit Heather Roy von der Organisation EURODIACONIA und Ulrich Tiburcy, dem Leiter der EU-Vertretung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtpflege e.V.
 

 

 

Dwi-Exkursion Brüssel 489 Mio. Menschen leben in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Deren politische Vertreter sitzen neben Straßburg (Hauptsitz des Europaparlaments) und Luxemburg (Sitz des koordinierenden Generalsekretariats) vor allem in Brüssel (Fraktionen- und Ausschussarbeit, Zweitsitz des Parlaments). Hier arbeiten insgesamt rund 35.000 Frauen und Männer für die EU. Das Europaparlament wird mit dem Inkrafttreten der Lissabonner Verträge (unterzeichnet am 13.12.2007 unter portugiesischer Ratspräsidentschaft) 736 Sitze haben. 

 

 



Eine Führung durch die Räumlichkeiten der EU und den Plenarsaal des Europaparlaments stellte die Dimensionen der Staatengemeinschaft vor Augen:  23 Übersetzerkabinen für das Parlament verweisen auf die Sprachenvielfalt innerhalb der EU. Die Redezeit in diesem multinationalen Parlament ist pro Sitzung und Person durchschnittlich auf eineinhalb Minuten begrenzt – ein Limit, was nicht nur zur Folge hat, dass die Parlamentarier – anders als im deutschen Bundestag – in der Regel von ihrem Platz reden und zudem – auch aufgrund der Sprachvielfalt – unter Absehung persönlicher Einlassungen rein sachbezogen. Die Bandbreite an Themen und Anliegen ist enorm. Alle sind auf verschiedenste Weise für die einzelnen nationalen Kontexte von Bedeutung – und bereits jetzt ist die EU an über 90% der Gesetzgebungsverfahren ihrer Mitgliedsstaaten beteiligt. Dieses Mitentscheidungsrecht bezieht sich auf mehr als 40 Politikbereiche. Darüberhinaus kann die EU auch per „gelber Karte“ bei nationalen Entscheidungen intervenieren, etwa in Fragen nationaler Haushaltsplanungen.

Die EU ist die Vertreterin der Bürger ihrer Mitgliedsstaaten – nicht allein die Vertreterin der Regierungen. Daher hat sie verschiedene Organe: Die Komission (eine Art „Regierung“), den Rat (Treffen aller Ministerpräsidenten) und das Parlament, mit je spezifischen Regeln. So gilt zum Beispiel im Rat das Prinzip der doppelten Mehrheit: Diese ist nur dann gegeben, wenn 55% aller Stimmen für einen Antrag/gesetzlichen Entwurf votieren – und diese gleichzeitig 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Die tatsächlichen Entscheidungen allerdings werden in der Regel bereits vor den Parlamentssitzungen getroffen. Die Meinungsbildung der Parlamentarier findet in den zahlreichen Fachausschüssen statt sowie in Fraktionsgesprächen, in denen die einzelnen Positionen erarbeitet werden. Von besonderer Bedeutung für die Anliegen der Diakonie ist dabei der Wirtschafts- und Sozialausschuss. Hier setzt auch die Arbeit der zahlreichen Interessenverbände in Brüssel an. Sie haben ihre Aufgabe darin, Fachkompetenz und fundierte Sachinformationen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in die Ausschüsse zu bringen. „Auf jeden Parlamentarier kommen hier sicher 20 Lobbyisten“ erklärte uns Patrick-Roger Schnabel. Diese aber seien nur dann gut, wenn sie sachlich überzeugende Informationen in die Diskussion bringen. Platz für Propaganda sei dabei nicht.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dwi-Exkursion nach Brüssel

Die Vertretungen von Kirchen und Diakonischem Werk sind naturgemäß besonders in allen sozialen Belangen tätig. Drei Schwerpunkte, die die Arbeit dieser Organisationen in Brüssel ausmachen, wurden in den Gesprächen im EKD-Büro in der Rue St. Joseph im Zentrum von Brüssel deutlich: 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • die Informationsweitergabe an die je eigenen Organisationen in Deutschland über Gesetze, Policies, Themen und Entwicklungen, die im Parlament und in den Ausschüssen der EU auf der Tagesordnung stehen,
  • die Koordination zwischen verschiedenen Organisationen gleicher Zielrichtung für die Entwicklung gemeinsamer Positionen und Stellungnahmen
  • und die Vernetzung von Organisationen mit gleichen Anliegen.

 



Themen von besonderer Bedeutung waren dabei in den vergangenen Jahren zum Beispiel die grenzüberschreitende Patientenmobilität, die Richtlinien zur Arbeitszeit, die Gleichbehandlungsgetze oder das Herkunftsländerprinzip, etwa für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Diakonie. Ein erklärtes Ziel dabei ist die Sicherung der Gemeinnützigkeit der allgemeinen sozialen Dienste. Das für 2010 ausgerufene „Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ ist für die Brüsseler Organisationen von besonderer Bedeutung: Sie beteiligen sich an entsprechenden Aktionen und führen diesbezüglich auch eigene Veranstaltungen durch. „Dabei geht es in unserer Arbeit besonders um Policies. Wir betreiben keine Förderberatung“, äußerte Katharina Wegner. Dies allerdings sei ein noch zu entwickelndes Feld – vor allem in Zeiten, in denen Drittmittel zur Förderung diakonischer Arbeit eine wachsende Rolle spielten.


Die Schottin Heather Roy schließlich stellte die EURODIACONIA vor: Dieser Zusammenschluss diakonischer Organisationen und Werke hat 33 Miglieder in 22 Ländern Europas. Das Büro beteiligt sich an den europäischen Beratungen zur Entwicklung von Gesetzen und Policies. „Herausforderungen gibt es genug“, erklärte Roy, und nannte zum Beispiel die wachsende Armut, von der mittlerweile einer von fünf Europäern (ein Fünftel davon Kinder), betroffen seien. Ebenso nannte sie die Themen Arbeitslosigkeit, Migration und das Stichwort „Flexsecurity“, der gemäß der Lissabon-Strategie veränderten Anstellungsbedingungen für Arbeitnehmer im Zuge einer Globalisierung des europäischen Arbeitsmarktes.



Angelika Veddeler

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 29.05.2018