Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Neubeginn mit der Hälfte des Lehrkörpers

Von Werner Moritz

Unmittelbar nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Heidelberg schloss die nun herrschende Militärregierung die Ruperto Carola zum 1. April 1945. Dies entsprach der Weisung General Eisenhowers, der als Oberster Befehlshaber der alliierten Streitkräfte mit der Proklamation Nr. 1 bis auf Weiteres die Einstellung des Lehrbetriebes an allen deutschen Bildungs- und Erziehungsanstalten angeordnet hatte.

An eine Wiedereröffnung der Universitäten dachten die Amerikaner zunächst erst nach Abschluss der Entnazifizierung. In Heidelberg bemühte sich jedoch eine Gruppe von unbelasteten, zum Teil nach 1933 von der Universität vertriebenen Professoren (der sogenannte Dreizehner-Ausschuss) auf der Basis der allseits gebotenen geistigen Neuorientierung um eine möglichst rasche Neueinrichtung.

Neubeginn I1lDie Militärregierung zögerte zunächst, diesem Wunsch nachzugeben, lenkte aber ein, nachdem das für das deutsche Bildungswesen zuständige Mitglied im amerikanischen Teil des alliierten Kontrollrates, Edward Y. Hartshorne, sich Anfang Juli für eine baldige Wiedereröffnung der deutschen Universitäten in eigener Verantwortung ausgesprochen hatte. In der Nachfolge des mittlerweile 80-jährigen Übergangsrektors Johannes Hoops (1865 bis 1949) wurde der Mediziner Karl Heinrich Bauer (1890 bis 1978; Foto: Universitätsarchiv) am 8. August 1945 zum ersten Nachkriegs-Rektor der Ruperto Carola gewählt. Bei der nun folgenden schrittweisen Wiederaufnahme des Lehrbetriebes machten die Medizinische und die Theologische Fakultät den Anfang; am 7. Januar 1946 konnte schließlich die Wiedereröffnung der Gesamtuniversität gefeiert werden.

In der Phase der Entnazifizierung büßte die Universität bis zum Herbst 1946 rund die Hälfte des Lehrkörpers ein; bei den Ordinarien lag der Anteil bei zwei Dritteln. Dieser Wegfall konnte während der folgenden drei Jahre nur langsam ausgeglichen werden: durch die Reaktivierung von Professoren, die in der NS-Zeit die Lehrberechtigung verloren hatten, durch Ordinarien, die in einem Spruchkammer-Verfahren als nicht belastet eingestuft wurden, sowie durch Neuberufungen.

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Die neue Satzung der Universität vom November 1945 sollte das geistige Fundament für den Neubeginn abgeben. Eingriffe in den institutionellen Aufbau blieben nicht aus. Die 1934 eingerichtete Staats- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät etwa wurde wieder aufgelöst, die universitäre Selbstverwaltung renoviert und gestärkt. Ein auf Initiative von Karl Heinrich Bauer eingerichtetes „Collegium Academicum“ (Foto: Universitätsarchiv) – es bestand im Gebäude der heutigen Zentralen Universitätsverwaltung in der Seminarstraße bis 1978 – führte Studierende und Lehrende nach dem Vorbild englischer Colleges als „Lebens-, Arbeits- und Erziehungsgemeinschaft“ unter einem Dach zusammen.

Auf neuen Grundlagen gelang es der Universität in relativ kurzer Zeit, im Netzwerk des deutschen und internationalen Wissenschaftsbetriebes eine geachtete Position zurückzuerobern. Im Jubiläumsjahr 1961 (anlässlich ihres 575. Geburtstages) zog man vor allem mit Blick auf zahlreiche in den 50er-Jahren vorgenommene Neu- und Umbauten eine stolze Bilanz. Die eindrucksvolle Entwicklung der (nicht nur, aber vor allem) wissenschaftlichen Außenbeziehungen der Universität zur westlichen Welt in jenen Jahren ist den Akten des Universitätsarchivs zu entnehmen. Eine Gesamtdarstellung wäre lohnend.