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Brücke über Jahrtausende

13. März 2007

Ägypten: "Ma'at" – Heidelberger Ägyptologe Jan Assmann über Gerechtigkeit und Unsterblichkeit in der altägyptischen Kultur

Darstellung eines Herrschers und der Göttin Ma'at unter einem Baldachin (18. Dynastie; Kairo, Ägyptisches Museum)  
Die dem Umschlag des besprochenen Buches entnommene Abbildung zeigt die Darstellung eines Herrschers und der Göttin Ma'at unter einem Baldachin (18. Dynastie; Kairo, Ägyptisches Museum).

Will man den Begriff "Ma'at" erklären, steht man vor einem nicht unerheblichen Problem, gehört doch das altägyptische Wort zu jenen, für die es weder eine direkte Übersetzung gibt noch eine einfache Eingrenzung. Jan Assmann spricht in seinem neu aufgelegten und überarbeiteten Buch zum Thema denn auch von einem "Konzept Ma'at", das er der schwierigen Greifbarkeit zum Trotz zu den wichtigsten Errungenschaften zählt, die uns die altägyptische Kultur hinterlassen hat.

Dass sich die Wissenschaft mit diesem Begriff jedoch bislang kaum beschäftigte, erstaunt den renommierten Heidelberger Ägyptologen selbst am meisten. Sein Werk hat somit beinahe schon den Charakter eines wissenschaftlichen Solitärs. Nunmehr wurde das Buch mit einem neuen Nachwort versehen als günstige Taschenbuchausgabe veröffentlicht.

"Worum es geht, ist die Frage nach dem, was die Menschen zur Gemeinschaft verbindet", bringt der Heidelberger Emeritus sein Anliegen auf den Punkt. Denn "Ma'at ist eine Göttin des ägyptischen Pantheons, ein Wort der ägyptischen Sprache und ein – wenn nicht geradezu der – Zentralbegriff der altägyptischen Kultur", an dem sich das Zusammenleben der gesamten Gesellschaft festmachen lässt. Der Schlüsselbegriff altägyptischen Denkens lässt sich mit Wahrheit, mit Gerechtigkeit und Weltordnung umfassen, wobei er auch die Zähmung des Menschen zum Menschen meint, was Jan Assmann zum Anlass nimmt, das Alte Ägypten in seiner Rolle als früheste Kultur mit einem Zusammenleben der Menschen in staatlich organisierter Struktur zu untersuchen.

Hierbei werden natürlich auch grundlegende Fragen angesprochen, die dem Wesen der Kultur im Alten Ägypten nachgehen, ihren Werten und ihrem das Zusammenleben bestimmenden Menschenbild. Interessant ist allerdings nicht nur der gewährte Einblick in die weit zurückliegenden Jahrtausende, sondern auch die Tatsache, wie sehr zentrale altägyptische Ideen bis in die Gegenwart nachwirken.

Deshalb schlägt Assmann mit seinem anspruchsvoll geschriebenen Buch – das sich mit einem stark wissenschaftlichen Stil vor allem an entsprechend kundige Leser richtet – eine Brücke über Jahrtausende der Geistesgeschichte. Macht man sich jedoch die Mühe einer genauen Lektüre, wird man mit Erstaunen feststellen, dass eine Geschichte der Ma'at den Beginn der uns vertrauten Geistes- und Religionsgeschichte der Menschheit mal eben um zwei Jahrtausende nach vorne verlegt.

"Sie führt über die Schwelle zwischen den beiden Religionsformen, den Bekenntnisreligionen und den Kulturreligionen, zurück in eine andere geistige Welt, die zwar als eine teils verabscheute, teils bewunderte Vor-Welt neben Israel und Griechenland weiterbestand und fragmenthaft und in einseitiger Beleuchtung in deren Tradition bewahrt wurde, die aber in ihrem eigenen Kulturraum in Vergessenheit geriet", führt der bekannte Heidelberger Ägyptologe Assmann aus.

Wie bedauerlich dies ist – das zeigt er in seinem fundiert geschriebenen und mit einer beinahe ausschweifend zu nennenden Fülle von Fakten versehenen Buch, das nicht umsonst als ein Standardwerk zum altägyptischen Denken gilt.

Heiko P. Wacker
© Rhein-Neckar-Zeitung


Info: Jan Assmann: "Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten". C.H. Beck Verlag, München 2006. Beck'sche Reihe. 2., um ein Nachwort erweiterte Auflage. 327 S., 13 Abb.; 16,90 Euro.


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