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Lange verkannter Begründer der modernen Kulturwissenschaft

27. Februar 2007

Bedeutender italienischer Denker der Neuzeit: der Heidelberger Wissenschaftler Peter König über Giambattista Vico und sein Schlüsselerlebnis


Neben Macchiavelli, Giordano Bruno oder Galilei gehört Giambattista Vico zu den bedeutendsten italienischen Denkern der Neuzeit. Zwar wurde der am 23. Juni 1668 in Neapel geborene Gian Battista Vico – so der Taufname – in seiner Heimat meist verkannt. Mittlerweile jedoch haben seine berühmte Autobiographie und das geschichtsphilosophische Hauptwerk, die "Neue Wissenschaft über die Natur der Völker", Anerkennung gefunden.

Der Heidelberger Autor Peter König hat sich des Geschichts- und Sozialphilosophen angenommen und bietet eine knappe, anspruchsvolle Einführung in Leben und Denken Vicos. Hierbei geht der am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg lehrende Wissenschaftler davon aus, dass man das Wirken eines großen Denkers am besten vor seinem sozialen Hintergrund verstehen kann. Weiterhin stellt König die wichtigsten philosophischen Schriften vor, zu denen die erwähnte Autobiografie gezählt wird, in der er den vermeintlichen Grund seines zu umfassendem Denken fähigen Verstandes angibt.

Dort beschreibt er, wie er siebenjährig von einer Treppe gefallen sei und stundenlang bewusstlos auf dem Boden gelegen habe. Die Schädelfraktur erschien dem herbeigerufenen Arzt als derart heftig, dass er bleibende Schäden prognostizierte. Vico selbst wertete das schmerzhafte Ereignis im Nachhinein als regelrechtes Schlüsselerlebnis: "Die dramatische Schilderung des kindlichen Sturzes von der Treppe mit seinen schwerwiegenden, aber ... nicht unwiderruflichen Konsequenzen entspricht bis in die Einzelheiten hinein der Beschreibung des Falls der Menschheit in die animalische Natur und dem Augenblick, in dem bedeutungsschwangere Naturereignisse wie Blitz und Donner den tief verschlossenen Geist der Menschen wieder erwecken."

Es ist kein Zufall, dass sich Vico als Folge des Unfalls eine ‚melancholische und reizbare Natur' zuspricht und als besonderes Kennzeichen des ,melancholischen Menschen' ... das ‚ingenium' hervorhebt, das Vermögen, weit auseinander liegende Dinge miteinander zu verbinden ...".

In diesem Zusammenhang muss man auch die "Neue Wissenschaft über die Natur der Völker" sehen. Vico war bei seinem Versuch, einen besser bezahlten Lehrstuhl für Rechtswissenschaft zu erhalten, gescheitert und arbeitete anschließend an der ‚Scienza Nuova', deren erste Ausgabe 1725 erschien. Auf der einen Seite soll bewiesen werden, "daß das natürliche Recht der Völker gesondert bei allen Stämmen entstand, ohne daß die einen etwas von den anderen wußten, und daß es später, bei Gelegenheit von Kriegen, Gesandtschaften, Bündnissen und Handelsbeziehungen, als dem ganzen Menschengeschlecht gemeinsam erkannt wurde" (Scienza Nuova 1744, Seite 146).

"Auf der anderen Seite soll in Bezug auf die ‚gewöhnliche Überlieferung' der alten Völker, ihrer Redensarten, Sprachen, Rechtstexte und Dichtungen, der ‚öffentliche wahre Hintergrund' aufgedeckt werden, aus dem sie ursprünglich entstanden und durch den Lauf der Jahre und den Wandel der Sprachen und Sitten von Verfälschungen bedeckt auf uns gekommen ist", zitiert König und macht deutlich, welch Rolle Vico als einer der Begründer der heutigen Kulturwissenschaft spielt.

wac.
© Rhein-Neckar-Zeitung


Info: Peter König: "Giambattista Vico". Hrsg.: Otfried Höffe. Verlag C. H. Beck München. 156 S., 6 Abb.; 12,90 Euro



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