Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Vom unabhängigen Denken

10. Februar 2007

Ausstellung im Heidelberger Universitätsmuseum zu Hannah Arendts Eichmann-Buch und der Reaktion von Karls Jaspers


Der Begriff gewann nachgerade sprichwörtliche Qualität. Doch nicht jeder weiß, wenn er von der "Banalität des Bösen" spricht, dass es sich dabei um einen Teil des Untertitels zu Hannah Arendts Buch "Eichmann in Jerusalem" handelt.

Diese Veröffentlichung im Piper Verlag hatte im Spätsommer 1964 in Deutschland (wie zuvor schon in den USA) einen Sturm der Entrüstung entfacht und ein ungeheures Medienspektakel hervorgerufen, denn die jüdische Philosophin, die als Beobachterin am Eichmann-Prozess in Jerusalem teilgenommen hatte, sparte in ihrem Buch, das ihre im "New Yorker" zuvor erschienenen Prozessberichte bündelte, nicht mit Rundumschlägen gegen die Judenräte in den besetzten Gebieten einerseits und den deutschen Widerstand andererseits, dem sie vorwarf, nur aus Not und nicht aus Gewissensgründen gehandelt zu haben.

Die jüdischen Organisationen riefen zum Boykott ihres Buches auf, und ihr Lehrer und Freund Karl Jaspers, bei dem sie 1928 in Heidelberg mit einer Arbeit über den Liebesbegriff bei Augustin promoviert worden war, begann aus Anlass der gegen seine Schülerin entbrannten Polemik einen eigenen Text zu schreiben. Sein "Buch Hannah", das "vom unabhängigen Denken" handeln sollte, ist allerdings nie erschienen. 1600 Blätter hat der Philosoph verfasst und eine ausführliche Gliederung entworfen, die nun neben weiteren Materialien und Manuskripten in einer Ausstellung im Heidelberger Universitätsmuseum zu besichtigen ist.

Ausstellung im Heidelberger Universitätsmuseum zu Hannah Arendts Eichmann-Buch und der Reaktion von Karls Jaspers
Hannah Arendts Buch über den Eichmann-Prozess in Jerusalem liegt in der Ausstellung des Universitätsmuseums auch in den beiden Handexemplaren aus dem Besitz von Karl Jaspers aus.
Foto: Stefan Kresin

Kurator Giandomenico Bonanni hat die Übersicht vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, wo die Materialien aufbewahrt werden und im letzten Jahr zu Hannah Arendts 100. Geburtstag erstmals gezeigt wurden, nach Heidelberg geholt, da beide Philosophen ein enges Verhältnis zur Stadt unterhielten, wo sie sich 1926 kennengelernt hatten. Hannah Arendt war auf Empfehlung von Jaspers' Kollegen Martin Heidegger, der auch ihr Geliebter war, an die Ruperto Carola gekommen und ging nach ihrer Promotion nach Berlin. 1933 flüchtete sie nach Paris, Jaspers wurde wegen seiner jüdischen Frau 1937 zwangspensioniert, kehrte nach dem Krieg aber nach Heidelberg zurück und engagierte sich gemeinsam mit dem Mediziner Prof. Bauer für den Wiederaufbau der Universität. 1948 wechselte er nach Basel. Als Jaspers mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, hielt Hannah Arendt, die sich stets primär als politische Schriftstellerin begriff, die Laudatio.

Diese Zusammenhänge muss man kennen, wenn man sich die Manuskripte im Universitätsmuseum anschaut. Hannah Arendt war es im Eichmann-Prozess nicht so sehr um die Fakten gegangen, sondern um das Problem des Urteils, denn Adolf Eichmann, der 1962 hingerichtet wurde, fühlte kein Bewusstsein für seine Schuld, hatte er doch keinen einzigen Juden ermordet, sondern nur vom Schreibtisch aus Befehle ausgeführt. Ihm fehlte, wie Hannah Arendt erkannte, die Vorstellungskraft, um das, was er getan hatte, einzusehen.

Deshalb plädierte sie dafür, dass Menschen ihre Urteilskraft schulen sollten, und Freund Jaspers begann in Reaktion auf die öffentliche Polemik gegen Hannahs Buch, sich in seinem unvollendeten Werk dem unabhängigen Denken seiner Schülerin zu widmen. Anhand vieler Schreibmaschinenseiten kann man in der Ausstellung nachverfolgen, wie er sein Manuskript überarbeitete, Streichungen anbrachte, ergänzte und umformulierte. Beherzigenswert ist sein Credo: "Was entbehrlich ist, muss fort."

Heide Seele
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: "Das Buch Hannah" im Universitätsmuseum in der Alten Universität Heidelberg bis 21. April.



Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
www.uni-heidelberg.de/presse

Irene Thewalt
Tel. 06221 542311, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang