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Wie es war, ein Weibermensch zu sein: Frauen- und Männergeschichten zum Weltgästeführertag

19. Februar 2007

Lockere Kostümführungen im eiskalten Wind – Prof. Silke Leopold: Karriere an der Uni auch im 20. Jahrhundert nicht selbstverständlich


Zarte Bande, erzwungene Ehen, Frauenbewegtes und weibliche Wissenschaftlerinnen in der Männerwelt – die Heidelberger Geschichte ist reich an solchen Geschichten. Die schönsten davon stellten die Heidelberger Gästeführer am Samstag zusammen, dem "Weltgästeführertag". Mit Spaß am Geschehen folgten ihnen rund 300 Interessierte im eiskalten Wind durch die Innenstadt.

Liselotte von der Pfalz durfte nicht fehlen, die ihr Leiden am französischen Hof in Briefen deutlich aussprach, die es ihr Leben lang leid war, "ein Weibermensch zu sein." Eine kleine Szene auf dem Kornmarkt, dargestellt von Gästeführern im höfischen Kostüm, ließ die Zuhörer nachempfinden, wie schrecklich die arrangierte Ehe war: "Es ist eine verdrießliche Sache, zwei in einem Bett..." Ihr Ehemann, ohnehin dem anderen Geschlecht zuneigend, ging mit französischer Leichtigkeit und französischem Akzent über die Klagen hinweg.

Im Hause seiner "mütterlichen Freundin" Dorothea Delph am Marktplatz wohnte Goethe, sie wollte ihn durch Verkupplung mit Fräulein W. an den Mannheimer Hof binden, aber er zog Weimar vor. Delph muss eine interessante Frau gewesen sein, eine Handelsjungfer, die Lyoner Seide, aber auch Kaffee und Tabak erfolgreich vertrieb, nicht gerade zur Freude der Konkurrenz. Eine politische Agentin soll sie zudem gewesen sein und – huch! – ein Hermaphrodit!

Noch einmal Goethe, der Dichterfürst. Diesmal 1815 mit Marianne von Willemer, 36 Jahre jünger, dichterisch begabt. Die Beziehung war innig, wenn auch platonisch, und Goethe fügte das poetische Werk der jungen Frau ganz einfach in seinen "West-östlichen Divan" ein. Unter seinem Namen natürlich. Erzählt wurde die Geschichte in Kostümen vor dem "Goldenen Hecht", wo Goethe beinahe gewohnt hätte.

Gleich um die Ecke, beim "Schnookeloch" mit seiner Eichendorff-Stube, ging es um die Liebesgeschichte zwischen Katharina Förster und Joseph von Eichendorff. Sie dauerte nur ein paar Wochen und war auch nicht standesgemäß. Aber warum ließ Eichendorff später alle Tagebuchseiten, auf denen Katharina vorkam, verschwinden? Einzige Erinnerung: das melancholische Lied "In einem kühlen Grunde", das die Teilnehmer der Führung tatsächlich auswendig singen konnten. Das lässt Rückschlüsse auf ihr Alter zu. Oder kennen das Lied auch junge Leute unter 35 Jahren?

Moderner wurde es mit Marianne Weber (1870-1954), Ehefrau des Sozialwissenschaftlers Max Weber. Sie war 1922 erste deutsche Ehrendoktorin der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg (da war ihr Mann schon gestorben), sie war engagiert in der Frauenbewegung und war Abgeordnete im Badischen Landtag. In ihrem Grünen Salon in Heidelberg trafen sich die Intellektuellen. Ihr Mann traf sich mit Mina Tobler.

Die Universität Heidelberg und die Frauen – eine Geschichte für sich. Sofia Kowalewskaja studierte schon 1859. Dafür ging sie eine Scheinehe ein. Dafür musste sie jeden einzelnen Professor fragen, ob sie in seiner Vorlesung sitzen dürfe. Denn die Professoren hatten Angst, dass die männlichen Studenten abgelenkt würden und der Ruf der Uni leiden würde. Ein "Professor" wütete entsprechend für das Gästeführer-Publikum vor der neuen Uni: Frauenstudium – eine moralisch höchst problematische Angelegenheit, zumal man ja schon wusste, dass Frauengehirne kleiner als Männergehirne waren.

Die erste (außerordentliche) Professorin in Heidelberg war 1929 die Botanikerin Gertrude von Ubisch (1882-1965). 1935 wurde sie aus rassischen Gründen beurlaubt und floh schließlich bis nach Brasilien. Als sie 1952, 70 Jahre alt und völlig mittellos, nach Heidelberg zurückkehrte, musste sie um ihr Ruhegeld kämpfen.

Da erstaunte es doch, dass die heutige Prorektorin Silke Leopold beim Abschluss des Rundganges in der Peterskirche mit Olympia Fulvia Morata (1526-1555) eine Frau vorstellte, die tatsächlich schon im 16. Jahrhundert Heidelberger Studenten in Griechisch und Latein unterrichtete. Die aus Ferrara stammende Frau, "vom Verstand wie ein Mann", wie es damals hieß, war die Ehefrau von Andreas Gründler, der als Mediziner an der Universität lehrte. Sie starb allerdings schon nach wenigen Monaten Dozententätigkeit an Tuberkulose.

"Frauen hatten an der Universität dann eine Chance, wenn keine Männer verfügbar waren", schloss Prof. Leopold – auch im Hinblick auf das 20. Jahrhundert. Da war die Chemikerin Margot Becke-Goehring Rektorin in den unruhigen Zeiten 1966 bis 1968. Bis heute die einzige Rektorin der hiesigen Universität. Auch Silke Leopolds eigener Berufsweg als Musikwissenschaftlerin war zu Beginn 1969 keineswegs selbstverständlich, wie sie betonte. Heute sei ein Fünftel der Professoren weiblich. Doch während es früher bei den weiblichen Dozenten um eine Entscheidung zwischen Beruf und Familie gegangen sei, lege die Universität heute Programme auf, die Wissenschaftlerinnen mit Familie eine Karriere ermöglichen sollen. Frauengeschichte, Männergeschichten – genug Gesprächsstoff jedenfalls anschließend, als die Gästeführer zu einem Glas Wein vor der Kirche einluden.

Birgit Sommer
© Rhein-Neckar-Zeitung



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