Wolf-Georg Forssmann Teamplay in Beruf und Leben
Der frühere Heidelberger Anatomie-Direktor Wolf-Georg Forssmann weiß zu gewinnen
„Nicht Tabellenletzter werden und auch mal ein Spiel gewinnen“, das war in der Fußball-Saison 1978/79 das Ziel des neu gegründeten ASC Neuenheim. ASC steht für Anatomie-Sportclub, denn der Fußballverein wurde von Mitarbeitern des Anatomischen Instituts der Ruperto Carola gegründet – allen voran dem heutigen Ehrenvorsitzenden Wolf-Georg Forssmann. Teamplay ist dem früheren Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie wichtig, und damit hat er sich nicht nur in der Fußballszene der Rhein-Neckar-Region einen Namen gemacht: Bekannt ist der Wissenschaftler mit seinen Mitarbeiterteams vor allem wegen großer Erfolge in der klinischen Arzneimittelforschung. Neben vielen anderen Auszeichnungen zuvor erhielt er den mit 10.000 Euro dotierten AIDS-Preis 2011 der Deutschen AIDS-Gesellschaft.
Forssmann, der unter anderem Leiter der Forschungsgruppe Experimentelle und Klinische Peptidforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist, fand mit seinem Team in Zusammenarbeit mit Frank Kirchhoff von der Universität Ulm ein neues Therapieprinzip gegen AIDS. Selbst wenn die Entwicklung eines entsprechenden Medikaments noch Jahre dauern kann, ist es damit gelungen, im Kampf gegen AIDS und auch gegen andere Virus-Erkrankungen zu punkten. „Dieser Preis hat unserem Team wieder viel Input gegeben“, sagt der emeritierte Wissenschaftler, der noch lange nicht an Ruhestand denkt. So entwickelt er mit seinen Mitarbeitern gerade auch ein neues Medikament zur Behandlung der Herzinsuffizienz. „Da ist nur noch eine Phase-3-Studie für die Zulassung nötig“, erklärt Forssmann. „Den Wirkstoff Urodilatin haben wir übrigens schon in meiner Heidelberger Zeit entdeckt.“
1970 kam Wolf-Georg Forssmann an die Ruperto Carola, an der er 20 Jahre mit Begeisterung als Hochschullehrer tätig war, zeitweise auch als Dekan der Medizinischen Fakultät. 1990 nahm er das Angebot der niedersächsischen Landesregierung an, ein Forschungsinstitut zu gründen: Das Niedersächsische Institut für Peptid-Forschung (IPF), das er neben seiner Professur in Pharmakologie an der MHH bis zu einer Privatisierung des Instituts im Jahr 2000 leitete. Danach übernahm er bis heute Leitungsaufgaben in der Unternehmensgruppe „Pharis“, die aus der angewandten Forschung des IPF hervorging und Medikamente für Herz-Kreislauf, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten entwickelt.
Eine ganze Familie aus Medizinern
Forssmann ist Mediziner mit Leib und Seele, sozusagen von der Wiege an: Sein Vater ist Werner Forßmann, der 1956 für die Erfindung des Herzkatheders den Nobelpreis für Medizin erhielt (zur besseren internationalen Verständlichkeit verwendet sein Sohn im Nachnamen „ss“ statt „ß“). Auch Forssmanns Mutter war Medizinerin, seine Frau Antje, die er während des Studiums in Köln kennenlernte, ist ebenfalls praktische Ärztin, seine Schwester Renate arbeitet als Kinderpsychiaterin in den USA, sein Bruder Bernd ist der Entdecker des Nierensteinzertrümmerers (Lithotrypter) und zwei seiner drei Kinder arbeiten in der Pharmakologie. Dabei hatte Forssmann zunächst ein anderes Fach ins Auge gefasst und 1959 Medizin nur zusätzlich zu Chemie zu studieren begonnen, was er nach einem Jahr beendete: „Ich wollte das zweispurig machen, aber die zeitaufwändige Medizin war einfach etwas lebensnaher.“
Nach dem Medizinstudium in Mainz, Köln und Genf ging Forssmann zunächst an die Universität Genf, an der er sechs Jahre in Forschung und Lehre arbeitete und sich 1968 habilitierte. 1970 folgte er einem Ruf nach Heidelberg und blieb, unterbrochen von mehreren Forschungsaufenthalten in Boston (Harvard) und Stockholm (Karolinska), 20 Jahre lang an der Ruperto Carola. Auch nach mehr als 20 Jahren in Hannover zieht es ihn immer wieder „in mein geliebtes Heidelberg“ zurück: „Soweit es meine Arbeit zulässt, besuche ich noch regelmäßig Heidelberger Freunde – daher lese ich auch gerne Heinrich Bölls Erzählung ‚Du fährst zu oft nach Heidelberg’“. So traf er sich auch während der Alumni-Jubiläums-Tage mit Freunden aus der Anatomie und mit früheren Fußballkollegen – was durchaus eine Schnittmenge darstellte.
Aber wie kam es überhaupt zur Gründung des ASC? „Wir Kollegen in der Anatomie haben damals regelmäßig auf der Neckarwiese Fußball gespielt“, erinnert sich Forssmann. „Es hat sich dann ergeben, dass wir beim Uni-Turnier als Instituts-Elf mitgespielt haben. Irgendwann waren wir ein so gut eingespieltes Team, dass wir das Turnier sogar gewonnen haben – da kamen wir dann auf die verrückte Idee, einen Verein zu gründen!“ 1979 berichtete der Südwestfunk über den ASC Neuenheim, der überwiegend aus Anatomie-Assistenten, Doktoranden und Medizinstudenten bestand und zunächst mehr durch Internationalität als durch sportliche Erfolge bestach. Doch die Leistungskurve stieg, so dass der Verein zwischenzeitlich sogar in der Landesliga spielte. Heute ist der ASC ein etablierter Verein und auch Gründungspräsident Forssmann ist immer noch dort aktiv – entweder als kickendes Mitglied einer Traditionself, als versteckter Zuschauer oder als ASC-Läufer beim Heidelberger Halbmarathon.
(Erscheinungsjahr 2011)