Shit happens

Lebendiger Geist kümmert sich
um die wirklich wichtigen Dinge an der Ruperto Carola

Klobürste des lebendigen GeistesIm Laufe des Lebens lernt man bekanntlich immer wieder dazu, besonders wenn man viel Zeit an Bildungseinrichtungen verbringt und besonders dann, wenn die älteste Universität Deutschlands gerade ihr eigenes Bestehen feiert. So kann man schon seit einiger Zeit lernen, dass die Rede vom lebendigen Geist nicht etwa – wie man vielleicht vorschnell meinen sollte – etwas mit Geist, geistiger  Größe oder gar etwas Lebendigen zu tun hat. Nein, denn eine solch wortklauberische Auslegung des lebendigen Geistes übersieht, dass sich die führenden Köpfe der Universität nicht einfach nur mit dem Augenscheinlichen begnügen, sondern wirklich in die Tiefe der Dinge hinabsteigen und hinter dem sensus litteralis immer sofort auch den sensus spiritualis wittern. Der lebendige Geist ist eine Metapher für ein über zehn Millionen schweres Bauprojekt.

Zugegebenermaßen mag der Philologe hier noch manch Unstimmigkeit finden, aber wer will sich schon mit solch philologischen Spitzfindigkeiten herumschlagen, wenn es wirklich Großes zu vollbringen gilt: und zwar in der empirischen Welt, nicht bloß im Geiste. Universitärer Dienst am Lebendigen Geist hat also nicht irgendwas mit Denken, Forschen oder Lehren zu tun (wir sind ja schließlich nicht mehr im 18., 19. oder 20. Jahrhundert), sondern bedeutet im 21. Jahrhundert klarerweise Renovierung und Modernisierung der Fassade, der Hörsäle und nicht zu vergessen: der sanitären Einrichtungen der Neuen Universität. Dies wird jedem vernünftigen Leser sofort einleuchten.

Zu Unrecht wird der Ruperto Carola bereits seit Jahren vorgeworfen, ihr ginge es nur um Außenwirkung und Prestigesteigerung. Zwar wurden mit Hilfe des lebendigen Geistes auch die repräsentativen Gebäudeteile wie der Manfred Lautenschläger Hörsaal (ehemals HS 13), die Neue Aula und das Foyer optisch aufgepeppt, aber das eigentliche Filetstück des lebendigen Geistes sind die neuen Toilettenanlagen.

Hier, nicht in den repräsentativen Großhörsälen, nein, hier, an jenem Ort, wo alle, ob reich, ob arm, Frau oder Mann, Student, Dozent oder Reinigungskraft früher oder später hin müssen, zeigt sich die wahre Exzellenz unserer Universität. Unsere nährende Mutter, Alma Mater, sorgt sich nicht bloß um den angenehmen Teil der Nahrungskette, die  Aufnahme, sondern voll mütterlicher Fürsorge ebenso für die Abgabe. Dies betrifft die institutionell geförderte Form des bulimischen Erbrechens zu einem von der Prüfungkommission festgelegten Zeitpunkt ebenso wie die traditionelle Form der Nahrungsabgabe nach einem längeren Verdauungsvorgang auf dem Klosett.

Unsere Mutter ist sich nicht zu schade, sich voll Liebe jenem meist vornehm versteckten, dunklen und ungut duftenden Ort zuzuwenden und für ihre Kinder aufzuhellen. Hier dürfen sich in Zukunft die Töchter in lila und die Söhne in grünen Toilettenräumen auf Villeroy & Boch-WCs nach Herzenslust entleeren/-lehren und der Toilettenpapierspender für 284,41 Euro* hilft bei der Reinigung der zarten Babypopos. Die WC-Bürstengarnitur von Wagner EWAR aus Edelstahl überzeugt mit ihrer zeitlosen Ästhetik und dem perfekten Zusammenspiel von Design und Funktionalität und ist jeden Cent der 143,99 Euro pro Stück wert: Nie hat unschöne Bremsspuren aus der WCSchüssel zu entfernen mehr Freude bereitet. Und auch die Reinigung der Hände kann in Zukunft auf höchstem Niveau in den »Headquaters«-Waschbecken von Duravit mit spezieller WonderGliss-Beschichtung erfolgen und in nur 15 Sekunden werden die Hände mithilfe von über 300 Warmluftdrüsen des speziellen Händetrockners von Wagner EWAR für nur 831,81 Euro von aller Feuchtigkeit restlos befreit.

Für einen Lehrauftrag bekommt ein Dozent 800 Euro pro Semester, das ist der Preis von fünfeinhalb Klobürsten oder weniger als ein Handtrocknungsgerät der Marke Wagner EWAR.

 

Das Warten hat sich also gelohnt. Seit Monaten sind die Toiletten im ersten und zweiten Stock der Neuen Universität gesperrt und sollen nun am 25. Juni feierlich von Rektor Bernhard Eitel persönlich eingeweiht werden. Bedauerlicherweise erfährt all die Feststimmung jedoch eine kleine Trübung. Im Zuge der selbstlosen Großzügigkeit bei der Ausstattung der beiden oberen Toilettenanlagen, hatte man ganz übersehen, dass sich auch im Erd- und Untergeschoss des Gebäudes Toiletten befinden, zu denen der Geld- und Renovierungssegen leider nicht durchzudringen vermochte.

Also müssen die Studierenden auf der untersten Ebene leider auch in Zukunft auf die alten, ästhetisch und hygienisch unansehnliche Toiletten mit den Ein-Euro-Plastik-Toilettenbürsten gehen. Am Liebsten würde der lebendige Geist ja allen die Segnungen einer 143,99 Euro-Toilettenbürsten zukommen lassen, besonders jenen, die von Haus aus nur selten in den Genuss solcher Lebensqualität kommen, aber leider, leider hat das Geld ja nicht für alle gereicht: aber der gute Wille war da.

Vergleichbar Betrübliches widerfuhr auch den Hörsälen 4 und 5 der Neuen Universität. Nach alter Tradition ging auch die Modernisierung der Medienanlagen von Oben nach Unten vonstatten, so dass zum großen Bedauern der Organisatoren am Ende kein Geld mehr für die Anschaffung von Beamern in den Hörsälen 4 und 5 übrig war. Aber ein solch leidliches Versehen kann bei einem solchen Tatendrang verständlicherweise mal passieren.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer am Horizont gibt es jedoch noch: Wie man hört, tüftelt die Strategieabteilung des Rektorats gerade an einem ausgeklügelten Plan, der den offiziellen Beschützer des lebendigen Geistes Helmut Kohl höchst persönlich von der Finanzierung der noch fehlenden Toilettenbürsten begeistern soll.

Immerhin wird auch Herr Kohl einsehen müssen, dass das Fehlen exzellenter Toilettenbürstengarnituren das wahre Manko unserer Bildungseinrichtungen ist; nirgends, wirklich nirgends könnte das Geld besser investiert werden. Bei einem solchen Überschuss an Hochschullehrern wie an der Ruprecht Karls Universität könnte Forschung und Lehre ohnehin nichts sinnvolles mit den Geldern bewerkstelligen.

Janina Reibold

 

Begründete Angst vor Diebstahl der exzellenten Toilettenbürstengarnitur

Bisher waren die Toilettenanlagen ein unansehnlicher und unangenehmer Ort, der wenig zum Verweilen einlud, jetzt aber könnte der vom lebendigen Geist durchdrungen Studiosus voll Stolz zu den Toilettenbürsten ausrufen: »Verweile doch! du bist so schön!«

Doch: Unsere Alma Mater hat ihre Rechnung ohne ihre charakterlich verdorbenen Söhne und Töchter gemacht. Erste negative Erfahrungen mussten bereits mit den seit längerem mit exzellenter Sanitäreinrichtung ausgestatteten Toiletten der Alten Universität gesammelt werden: immer wieder nehmen die undankbaren  BenützerInnen die WC-Bürstengarnituren als Andenken mit nach Hause.

 

erschienen in un!mut no. 212: Alles sauber. Die Jubeleumsausgabe vom 19. Juni 2011

 

Letzte Änderung: 26.08.2012
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