Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Frei von akademischen Zwängen

Von Oliver Fink

Zu den zentralen Aufgaben der Universitätsbibliothek Heidelberg gehört es, aktuelle wissenschaftliche Literatur für den Einsatz in Forschung und Lehre zugänglich zu machen. Darüber hinaus verfügt die Bibliothek über wertvolle Bestände vor allem an alten Handschriften, Urkunden und Drucken, die in den „Historischen Sammlungen“ zusammengefasst und mittlerweile selbst zum Gegenstand der Forschung geworden sind.

Zu diesen historischen Beständen zählen etwa Teile der berühmten Bibliotheca Palatina, die im Zuge des Dreißigjährigen Krieges in den Vatikan abtransportiert worden war und Anfang des 19. Jahrhunderts in Teilen wieder nach Heidelberg zurückgelangte. In der gleichen Zeit kamen kostbare mittelalterliche Handschriften und Drucke aus – infolge der Säkularisation – aufgelösten Klöstern in den Besitz der Universitätsbibliothek. Von erheblichem Wert sind auch die zahlreichen Gelehrtenbibliotheken und Nachlässe ehemaliger Wissenschaftler der Ruperto Carola. Die Historischen Sammlungen umfassen außerdem einen umfangreichen Urkundenbestand sowie eine Graphische Sammlung, in der Porträts, Ansichten, Karten und Pläne aus einem Zeitraum von fünf Jahrhunderten aufbewahrt werden – wie das seltene Mezzotinto-Blatt nach einem Gemälde William Turners (Repro: Universitätsbibliothek).

Heute gehören zu den historischen Beständen, deren Grundstock sich bis in die Gründungszeit der Universität Heidelberg ab 1386 zurückverfolgen lässt, weit mehr als 100 000 Dokumente. Genutzt werden sie sowohl in der Forschung als auch in der Lehre – so haben im vergangenen Jahr mehr als 650 Studierende unterschiedlicher Fächer an entsprechenden Seminaren der UB teilgenommen. Darüber hinaus werden einzelne Stücke regelmäßig von Museen im In- und Ausland ausgeliehen. Die Universitätsbibliothek konzipiert aber auch eigene Ausstellungen, für die weitgehend auf den Bestand der Historischen Sammlungen zurückgegriffen wird.

„Früher galten solche Sammlungen als verschlossene Abteilungen, als sorgsam gehütete Schatzkammern der Bibliotheken, an deren Dokumente man eher schwer herankam“, schildert Abteilungsleiterin Dr. Maria Effinger. Seit über 15 Jahren verfolgt die Universitätsbibliothek die Strategie, diesen Bestand öffentlich zugänglich zu machen – und zwar in erster Linie über die Digitalisierung und die Präsentation im Internet. Das bedeutendste Projekt in diesem Zusammenhang stellt die von der Manfred-Lautenschläger-Stiftung geförderte Digitalisierung der Palatina-Handschriften dar, mit deren Hilfe die Heidelberger Bestände und jene des Vatikans auf virtueller Ebene wieder vereint werden. „Mit der Digitalisierung der Altbestände schonen wir die unter konservatorischen Gesichtspunkten empfindlichen Originale und sorgen für eine weltweite Verbreitung. Zugleich betreiben wir damit Bestandspflege, denn die alten Dokumente werden spätestens mit der Digitalisierung in den Online-Katalog HEIDI überführt und sind hier von den Nutzern schnell und einfach zu finden“, erläutert Maria Effinger.

Die Graphische Sammlung der Universitätsbibliothek hat ihren thematischen Schwerpunkt im Heidelberger und Kurpfälzer Raum mit zahlreichen Ansichten der Stadt Heidelberg und des Schlosses. Besonders hervor sticht dabei ein Mezzotinto-Blatt nach einem Gemälde William Turners (1775 bis 1851). Das in einem sehr aufwendigen Tiefdruckverfahren erzeugte Blatt zeigt das am Hang gelegene Schloss, zu dessen Füßen die Stadt Heidelberg liegt, sowie die Alte Brücke, die zum anderen Neckarufer führt. Dort sitzen und stehen Angehörige der adeligen Gesellschaft in kleinen Gruppen; zwei Reiter ziehen durch das Wasser.

Turner zählt zu den Malern der Romantik. Er war spezialisiert auf Seestücke und Landschaftsbilder, die er auf Reisen zunächst in Skizzen festhielt. Maria Effinger: „Studien für dieses Porträt Heidelbergs entstanden während seiner Europareise. Die herausragende druckgraphische Umsetzung gibt die Besonderheit von Turners Malerei in besonderem Maße wieder, seine von akademischen Zwängen freie Malweise und sein Interesse für Licht und atmosphärische Stimmungen, die ihn zum Wegbereiter des Impressionismus werden ließen.“

Ausführliches Profil der Sammlungen:
www.uni-heidelberg.de/unispiegel/historischesammlungen.html