Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Fünf Forscher, zehn Millionen Euro

Herausragend: Gleich fünf bewilligte Förderanträge kann die Ruperto Carola bei der diesjährigen Ausschreibungsrunde für den ERC Consolidator Grant verbuchen und ist damit die erfolgreichste Universität im deutschlandweiten Vergleich. Zehn Millionen Euro Fördermittel von Seiten des Europäischen Forschungsrats (ERC) bedeutet dieser Erfolg in finanzieller Hinsicht. Der Consolidator Grant ist für vielversprechende junge Forscherinnen und Forscher gedacht, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe sich in der Festigungs- und Vertiefungsphase befindet – zentrales Förderkriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz. Zusätzlich kann sich die Universität über drei ERC Starting Grants für Prof. Dr. Florian Diekert, Dr. Diederik Kruijssen und Prof. Dr. Yana Vaynzof freuen; die Heidelberger Wissenschaftler Prof. Dr. Bernd Bukau und Prof. Dr. Ed Hurt sicherten sich überdies zwei der begehrten ERC Advanced Grants für europäische Spitzenforscher (wir werden noch berichten).

Die ERC Consolidator Grants gehen in den als Physical Sciences bezeichneten Naturwissenschaften an Dr. Frank Bigiel vom Institut für Theoretische Astrophysik, der 1,7 Millionen Euro erhält, sowie an Prof. Dr. Selim Jochim vom Physikalischen Institut, Prof. Dr. Michael Mastalerz vom Organisch-Chemischen Institut und an Privatdozent Dr. Frank Postberg vom Institut für Geowissenschaften, die mit jeweils zwei Millionen Euro unterstützt werden. In den Lebenswissenschaften war Dr. Annika Guse vom Centre for Organismal Studies mit ihrem Antrag erfolgreich – ihre Förderung von 2,3 Millionen Euro umfasst auch die Anschaffung eines speziellen Forschungsgerätes (Fotos: Schwerdt).

Erc Guse I1lIn ihrem Projekt „SYMCELLS – Resolving the molecular mechanisms of intracellular coral-algal symbiosis“ beschäftigt sich Dr. Annika Guse mit der Frage, wie einzellige Algen als Symbionten in tierischen Wirtszellen aufgenommen werden. Dabei wollen die Biologin und ihr Team herausfinden, auf welche Weise die zellulären Funktionen – etwa der Nährstoffaustausch – dieser zwei unterschiedlichen Zelltypen koordiniert sind. Nach den Worten von Annika Guse ist es bis heute unklar, wie eine einzellige Alge in einer tierischen Zelle überleben kann, ohne verdaut zu werden: „Diese funktionale Symbiose bildet die Grundlage für die Biodiversität und Produktivität von Korallenriff-Ökosystemen.“ Ihre Forschungsarbeiten werden die Wissenschaftler an der Seeanemone Aiptasia vornehmen, die als Modellsystem für Korallen dient; die Symbiose wollen sie mit Methoden der Zellbiologie, Biochemie und Mikroskopie untersuchen. Hierfür stellt der ERC Fördermittel von 2,3 Millionen Euro zur Verfügung, von denen ein Teil für die Anschaffung eines sogenannten konfokalen Laser-Scanning-Mikroskops vorgesehen ist. Annika Guse ist Leiterin der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe „Molekulare Basis der Korallensymbiose“ am Centre for Organismal Studies und Mitglied des Exzellenzclusters „CellNetworks“. Mehr lesen ...

Erc Bigiel I2rFür sein „EMPIRE: Galaxy Evolution in the ALMA Era – The Baryon Cycle and Star Formation in Nearby Galaxies“ betiteltes Vorhaben erhält Dr. Frank Bigiel eine Förderung von 1,7 Millionen Euro. Der Astrophysiker wird sich mit seinem Team dem Materiekreislauf in Galaxien annehmen und erforschen, wie Galaxien aus dem Gas des interstellaren Mediums neue Sterne bilden. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie der Entstehungsprozess durch sich verändernde physikalische und chemische Bedingungen des Mediums reguliert wird. Dabei geht es um Dichte und Temperatur des Gases genauso wie um Eigenschaften der Galaxien selbst, etwa deren Typ, Masse oder Rotationsverhalten. „Auch unsere Sonne ist aus interstellarem Gas entstanden, sodass Prozesse der Sternentstehung sowohl für die Bildung von Planeten als auch für die Entstehung von Leben von zentraler Bedeutung sind“, betont der Wissenschaftler. Frank Bigiel lehrt und forscht am Institut für Theoretische Astrophysik und leitet eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe dort. Mehr lesen ...

„Forschungsadäquate und exzellente infrastrukturelle Bedingungen zusammen mit herausragenden, kreativen Forscherpersönlichkeiten – so wird in Heidelberg Zukunft sichtbar gestaltet!“

Prof. Dr. Dr. h.c. Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg

Erc Jochim I3lZiel des mit zwei Millionen Euro geförderten Projekts „Quantum State Assembler“ ist es, aus bekannten Bausteinen Vielteilchensysteme zusammenzusetzen und so die Eigenschaften von komplexen Quantensystemen zu simulieren. In ihren entsprechenden Experimenten arbeiten die Forscher um Prof. Dr. Selim Jochim mit ultrakalten Lithiumatomen. Dabei ist es ihnen bereits gelungen, die fundamentalen Bausteine zu erzeugen, die für die Simulation derartiger Vielteilchensysteme benötigt werden – nun wollen sie aus diesen Bausteinen Einheiten zusammenfügen, deren Eigenschaften kontrollier- und steuerbar sind. Mithilfe solcher „Quantensimulation“ sollen schließlich physikalische Systeme untersucht werden, deren Eigenschaften sich ansonsten nur schwer vorhersagen lassen. Selim Jochim: „Damit erhoffen wir uns, zum Verständnis noch ungeklärter Effekte wie beispielsweise der Hochtemperatursupraleitung beitragen zu können. Vielleicht lassen sich auf diesem Weg auch verwandte, aber dennoch ganz neue Phänomene entdecken.“ Selim Jochim ist am Physikalischen Institut tätig und hatte schon im Jahr 2011 einen ERC Starting Grant erhalten. Mehr lesen ...

Erc Mastalerz I4rIn ihrem ebenfalls mit zwei Millionen Euro geförderten Vorhaben „CaTs n DOCs – Chemically and Thermally stable nano-sized Discrete Organic Cages“ befassen sich Prof. Dr. Michael Mastalerz und sein Team mit der gezielten Herstellung poröser Materialien, die aufgrund ihrer großen innenliegenden Oberflächen für vielfältige Einsatzbereiche von Interesse sind, so zur Stofftrennung, -speicherung oder Katalyse. Zu den typischen Materialien dieser Art gehören dreidimensionale Netzwerke wie anorganische Zeolithe und Aktivkohle, aber auch metall-organische Gerüstverbindungen, die jedoch allesamt unlöslich sind. Die Arbeitsgruppe von Michael Mastalerz, der am Organisch-Chemischen Institut tätig ist, beschäftigt sich vor allem mit geometrisch definierten und formstabilen organischen Käfig-Molekülen, die gelöst und somit verarbeitet werden können. Diese „löslichen porösen Einheiten“ in Nanogröße lassen sich in Form und Funktion für verschiedene Anwendungen herstellen – einige der Käfig-Moleküle sind indes chemisch weniger stabil. Diese Schwierigkeit soll mit einem neuen konzeptionellen Syntheseansatz gemeistert werden. Mehr lesen ...

Erc Postberg I5lIn dem gleichsam mit zwei Millionen Euro vom ERC ausgestatteten Projekt „Habitat-OASIS – Habitability of Oceans and Aqueous Systems on Icy Satellites“ werden Privatdozent Dr. Frank Postberg und sein Team die Ozeane unter den Oberflächen der Eismonde Enceladus (Saturn) und Europa (Jupiter) in den Fokus nehmen. „Enceladus und vermutlich auch Europa stoßen in gewaltigen Fontänen Material aus ihrem Inneren aus, das wir mit Raumsonden untersuchen können“, erläutert Frank Postberg. Um die geochemischen Eigenschaften von Enceladus zu bestimmen, sollen unter anderem Daten der Sonde Cassini-Huygens mit neuartigen laborgestützten Methoden ausgewertet werden. Die Forscher wollen damit Rückschlüsse auf die „Lebensfreundlichkeit“ eines mächtigen Ozeans ziehen, der sich unter dem Eispanzer des Mondes befindet. Die angestrebten Erkenntnisse dienen auch der Vorbereitung künftiger Planeten-Missionen zu den astrobiologisch vielversprechenden Eismonden von Jupiter. Frank Postberg ist Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und leitet die Forschungsgruppe „Raumfahrtbasierte Planetologie“ am Institut für Geowissenschaften. Mehr lesen ...

Campus-Report-Interview mit Annika Guse, Teil eins (mp3)
Campus-Report-Interview mit Annika Guse, Teil zwei (mp3)
Campus-Report-Interview mit Frank Postberg, Teil eins (mp3)
Campus-Report-Interview mit Frank Postberg, Teil zwei (mp3)
Campus-Report-Interview mit Selim Jochim (mp3)

Vor zehn Jahren hat die Europäische Kommission den European Research Council (ERC) zur Förderung der Grundlagenforschung ins Leben gerufen. Finanziert werden herausragende Projekte von Wissenschaftlern aus Ländern der Europäischen Union, um visionäre Vorhaben voranzutreiben und neue Wissensgebiete zu erschließen. Seit Gründung wurden rund 7000 Wissenschaftler unterstützt – die Förderung hat schon in fast 100 000 wissenschaftlichen Publikationen ihren Niederschlag gefunden. Zu den zentralen Förderinstrumenten des Europäischen Forschungsrats zählt die Vergabe von ERC Grants. Dazu gehören der ERC Starting Grant für Nachwuchswissenschaftler sowie der ERC Consolidator Grant für junge Forscherinnen und Forscher, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe in der Festigungs- und Vertiefungsphase ist. Der ERC Advanced Grant wurde für bereits etablierte Spitzenforscher vorgesehen. Das Förderinstrument ERC Proof of Concept ist ein ergänzender Grant zur Überprüfung des Marktpotenzials einer entwickelten Idee. Wissenschaftler der Universität Heidelberg haben seit 2008 insgesamt 46 ERC Grants erhalten, davon neun Consolidator, 18 Starting und 19 Advanced Grants.

www.uni-heidelberg.de/forschung/service/eu/erc_grants_uebersicht.html

Siehe auch: „Baden-Württemberg erfolgreichstes Land bei den Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats“
Siehe auch: „Ein Drittel der an deutsche Wissenschaftseinrichtungen vergebenen ERC Advanced Grants 2016 geht an U15-Universitäten“