Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Stumme Zeugen heftiger Eruptionen

Von Ute von Figura

„Steine haben eine Geschichte, die sie uns erzählen wollen.“ Axel Schmitt (Foto: Oliver Fink), Professor für Isotopengeologie und Petrologie an der Heidelberger Fakultät für Chemie und Geowissenschaften, ist fasziniert von den leblosen Gebilden. Zahlreiche Exemplare finden sich in seinem Büro – auf den Fensterbänken, auf dem Sideboard, auf dem Fußboden. Im Innern der stummen Chronisten verborgen sind Informationen über ihr Alter, ihre Abstammung und über die Umweltbedingungen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung und Entwicklung. Mit hochmodernen Methoden versucht Axel Schmitt, diese verschlossenen Botschaften zu entziffern. Im Fokus seiner Forschung: magmatisches Gestein.

Riesige Massen glühend heißer Lava, Lawinen aus Schlamm und Geröll, gewaltige Staub- und Aschewolken, die ganze Landstriche verschlucken – in Vulkanausbrüchen zeigt sich die Urgewalt der Natur. Bei genauer wissenschaftlicher Beobachtung lassen sich diese Ereignisse recht gut vorhersagen mit einer zeitlichen Präzision von wenigen Wochen bis Monaten. Jedoch: Die entsprechenden Messungen sind teuer und aufwändig, wie Axel Schmitt erklärt. Nicht alle der weltweit über 1500 als potenziell aktiv geltenden Vulkane an Land können derart überwacht werden. Woher weiß man also, welcher Vulkan ein ausbruchgefährdeter Kandidat ist und welcher vorerst harmlos? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, rekonstruiert der Geochemiker die Geschichten tief unter der Erde gebildeter magmatischer Minerale.

In der Vulkanologie ist der 48-Jährige auf Umwegen gelandet. Ursprünglich studierte er an der Universität Gießen Chemie und Deutsch mit dem Ziel Lehramt. Dabei absolvierte er ein Praktikum, das auch Studierende der Mineralogie belegten. Angestachelt von deren begeisterten Erzählungen über Exkursionen in ihrem Studium konzentrierte er sich zunehmend auf jenen Teilbereich der Chemie, der sich mit der Analyse unbelebten Materials beschäftigt.

Nach Abschluss seines ersten Staatsexamens bot ihm sein Professor eine Diplomarbeit an über magmatische Gesteine in Namibia, die während des Auseinanderbrechens von Afrika und Südamerika gebildet wurden. Also beschloss Axel Schmitt das Referendariat zunächst um ein Jahr und danach wegen einer Promotion über vulkanische Ablagerungen in Chile um nochmals drei Jahre aufzuschieben. Begeistert von der Möglichkeit, in fernen Ländern zu arbeiten, und mitgerissen von immer neuen Erkenntnissen sollte er den eingeschlagenen wissenschaftlichen Weg schließlich nicht mehr verlassen.

In Heidelberg forscht und lehrt der Geochemiker mittlerweile seit gut einem Jahr. Letztlich ausschlaggebend für seine Entscheidung, von seiner vorherigen Arbeitsstätte – der University of California, Los Angeles – an die Ruperto Carola zu wechseln, sei eine 4,1 Millionen Euro teure Ionensonde gewesen, erzählt Axel Schmitt. Das mächtige Instrument steht im Keller des Instituts für Geowissenschaften im Neuenheimer Feld, wo es gegen Vibrationen und Magnetfelder abgeschirmt ist. Es kann das Alter kleinster Mineralproben mit einem Ionenstrahl bestimmen, dessen Durchmesser einem Bruchteil des Durchmessers eines menschlichen Haares entspricht.

Dabei ist die Ionensonde in der Lage, Hunderte von Messpunkten täglich zu verarbeiten. Neben dem Bildungsalter der Minerale erfahren die Forscher bei ihren Untersuchungen auch, wie heiß das Magma ehemals war. Damit können Schmitt und seine Mitarbeiter rekonstruieren, wie sich das flüssige Gestein in der Tiefe entwickelt hat und in welchen Abständen ein Vulkan ausgebrochen ist. Dies wiederum lässt Rückschlüsse auf das aktuelle Gefährdungspotenzial zu, denn fast alle Vulkane, deren Eruption explosiv erfolgt, zeichnen sich durch eine gewisse Periodizität aus.

Ein wenig neidisch sieht Axel Schmitt manchmal zu den Laboren der Biowissenschaften im Nachbargebäude herüber: „Bis tief in die Nacht brennen dort die Lichter. So soll mein Labor auch bald brummen.“ Bislang befindet sich seine Arbeitsgruppe nämlich noch im Aufbau, deshalb sei die Ionensonde auch noch nicht rund um die Uhr im Einsatz. Fünf wissenschaftliche und drei technische Mitarbeiter umfasst das Team derzeit; zwei Anträge für ein Forschungsprojekt, die mit neuen Stellen verbunden sind, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bereits bewilligt, vier weitere liegen der DFG und dem European Research Council zur Begutachtung vor.

Axel Schmitt, der sich selbst als Vollblut-Wissenschaftler bezeichnet, ist ambitioniert – vor allem aus der Begeisterung für sein Fach heraus. Es sind der Erkenntnisgewinn und die Aha-Erlebnisse, die ihn antreiben, wie er sagt. Den Steinen überraschende Informationen zu entlocken sei für ihn wie Weihnachten.

www.geow.uni-heidelberg.de/forschungsgruppen/schmitt/schmitt.html