Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Eine zweite Erde in der Nachbarschaft?

Einen erdähnlichen Planeten in – nach kosmischen Maßstäben – unmittelbarer Nähe unseres Sonnensystems hat ein internationales Team von Astronomen aufgespürt, zu dem Dr. Yiannis Tsapras von der Ruperto Carola gehört: Die Forscher haben eindeutige Hinweise auf einen Trabanten gefunden, der den sonnennächsten Stern Proxima Centauri umkreist. Der neu entdeckte Planet, der auf den Namen „Proxima b“ getauft wurde, umläuft seinen Stern in nur elf Tagen, ist ungefähr so massereich wie die Erde und befindet sich in der sogenannten habitablen Zone, also in einem so günstigen Abstand zum Zentralgestirn, dass auf der Oberfläche des Gesteinsplaneten flüssiges Wasser und damit Leben nach unseren Vorstellungen existieren könnte. Die Erkenntnisse der Astronomen wurden in „Nature“ veröffentlicht.

Der schwach rötlich leuchtende Stern Proxima Centauri ist zwar mit bloßem Auge nicht erkennbar, kosmisch gesehen ist der „Rote Zwerg“ mit einer Entfernung von rund vier Lichtjahren jedoch „zum Greifen nah“, wie Yiannis Tsapras erklärt, der am Astronomischen Rechen-Institut (ARI) des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) beschäftigt ist. Aus diesem Grund gilt dem Stern seit langem die Aufmerksamkeit der Himmelskundler. Im Zuge eines von Dr. Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary University in London geleiteten Forschungsprojekts lieferten jetzt modernste Messgeräte den erhofften Erfolg in Gestalt der Planetenentdeckung. International ist das Projekt auch als „Pale Red Dot“-Kampagne (blasser roter Punkt) bekannt – in Anlehnung an die Charakterisierung der Erde als „blasser blauer Punkt“, die von dem Astrophysiker und Autor Carl Sagan geprägt wurde.

Auf der Suche nach einem Planeten beobachteten Astronomen Proxima Centauri in der ersten Hälfte dieses Jahres regelmäßig mit einem ultrapräzisen „Geschwindigkeitsmesser“ am 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem chilenischen Berg La Silla. „Mit diesem Gerät konnte man winzige oszillierende Bewegungen des Sterns auf uns zu und von uns weg nachweisen, die in ihrer Geschwindigkeit mit der eines Fußgängers vergleichbar sind. Diese Schwingungen werden eindeutig von einem Planeten verursacht, der Proxima Centauri alle elf Tage umkreist“, erläutert Yiannis Tsapras.

Künstlerische Darstellung der Oberfläche von Proxima b, der den rötlich leuchtenden, sonnennahen Stern Proxima Centauri umkreist. Der Planet ist etwa so massereich wie die Erde und hat einen so günstigen Abstand zu seinem Zentralgestirn, dass auf seiner Oberfläche flüssiges Wasser und damit potenziell auch Leben existieren könnte.
Grafik: ESO/M. Kornmesser

Endgültige Sicherheit brachten gleichzeitige Messungen der Helligkeitsschwankungen des Sterns, die von Tsapras koordiniert wurden, der hierfür ein weltumspannendes Netzwerk aus Teleskopen nutzte: „Damit konnten wir Proxima Centauri rund um die Uhr beobachten und die Helligkeitsschwankungen von den Schwingungen in der Bewegung unterscheiden. Das Ergebnis war eindeutig und ist sensationell – Proxima Centauri wird von einem Planeten umkreist.“

Dass dieser trotz seines geringen Abstands zum Zentralgestirn lebensfreundliche Bedingungen bieten könnte, gründet in der verglichen mit unserer Sonne auch deutlich geringeren Leuchtkraft von Proxima Centauri. Ob dieser wiederum das benachbarte Doppelsternsystem der sonnenähnlichen Gestirne Alpha Centauri A und B umrundet, ist Gegenstand wissenschaftlicher Kontroverse.

Angesichts der vergleichsweise kurzen Entfernung zwischen Proxima b und unserem Sonnensystem schließen die Wissenschaftler sogar Missionen mit Raumsonden nicht aus, obschon diese erhebliche Zeit in Anspruch nehmen würden. Selbst Menschen könnten womöglich eines fernen Tages zu dem uns nächstgelegenen extrasolaren Planeten reisen. Die Suche nach Spuren von Leben auf dem Himmelskörper soll spätestens mit dem neuen Superteleskop der ESO, dem „European Extremely Large Telescope“ (E-ELT) möglich sein, das in etwa zehn Jahren die Beobachtungen aufnehmen wird, wie Yiannis Tsapras weiß: „Wir dürfen auf das Ergebnis sehr gespannt sein.“

https://palereddot.org/de

G. Anglada-Escudé et al.: A terrestrial planet candidate in a temperate orbit around Proxima Centauri. Nature online (24 August 2016), doi: 10.1038/nature19106