Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ästhetik der Schlichtheit

Für seinen Gedichtband „Um die Dinge ganz zu lassen“ hat Thilo Krause (Foto: Sebastien Agnetti) den mit 10 000 Euro dotierten Clemens Brentano Preis für Literatur der Stadt Heidelberg erhalten. Der Lyriker nahm die Auszeichnung Ende Juni bei einer Konzert-Lesung mit der jungen Pianistin Elisabeth Brauß aus den Händen von Kulturbürgermeister Dr. Joachim Gerner im Heidelberger Palais Prinz Carl entgegen. Krause nannte die Auszeichnung eine große Ermutigung, auf dem Weg weiterzugehen, den er eingeschlagen habe.

Dass Krauses ruhig gehende Verse einen Kontrapunkt in das mediale Rauschen setzen, hatte die Jury bei ihrer Entscheidung im Februar hervorgehoben: „Mit wenigen Worten und unprätentiöser Sprache fängt dieser genaue Beobachter Stimmungen und Lebenssituationen ein und verwandelt sie in Sprach- und Klangbilder von großer Tiefenschärfe. Das Gedicht wird hier zum Ort, ‚um die Dinge ganz zu lassen‘.“ Dass sich die Jury nicht nur aus professionellen Literaturkritikerinnen und -kritikern zusammensetzt sondern auch aus Hochschülerinnen und -schülern, die am Germanistischen Seminar der Ruperto Carola studieren, ist bundesweit einmalig und eine Besonderheit des Förderpreises.

Laudator Manfred Papst von der Neuen Zürcher Zeitung betonte bei der Preisverleihung, Thilo Krause habe sich bereits mit seinem 2012 erschienenen Erstling „Und das ist alles genug“ als Dichter mit ganz eigener Handschrift gezeigt. Mit seinem zweiten Lyrikband, der im vergangenen Jahr erschien, bestätige er seinen Rang aufs Eindrücklichste: „Krauses Verse zeugen von genauer Beobachtungsgabe und tiefer Musikalität. In ihrer Kontemplation und Gelassenheit, aber auch in ihrem Sinn für überraschende Wendungen erinnern sie oft an chinesische Gedichte der Tang-Zeit“, rühmte Manfred Papst: „Thilo Krause pflegt eine Ästhetik der Schlichtheit. Seine Texte ruhen ganz in sich selbst. Sie kommen ohne Pathos aus. Ihre Welt ist der Alltag, in dem sich indes immer wieder kleine Epiphanien ereignen. Wir verstehen jedes Wort und kommen gleichwohl aus dem Staunen nicht hinaus.“

Thilo Krause wurde 1977 in Dresden geboren, wo er nach dem Abitur als Pfleger arbeitete. Anschließend studierte er Wirtschaftsingenieurwesen, promovierte in Zürich und ist heute an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften tätig. Nach seinem Debüt „Und das ist alles genug“ (poetenladen, 2012) erschien 2015 sein zweiter Gedichtband „Um die Dinge ganz zu lassen“. Krause wurde neben anderen vor vier Jahren mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet.

Heidelbergs Kulturbürgermeister Joachim Gerner machte darauf aufmerksam, dass beinahe ausnahmslos alle bisherigen Brentano-Preisträger heute als erfolgreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Dichterinnen und Dichter tätig seien. Er verwies auf die Besonderheit des Literaturpreises, dessen Alleinstellungsmerkmal es sei, dass in der Jury professionelle Literaturkritiker und Studierende des Germanistischen Seminars der Universität Heidelberg auf Augenhöhe als gleichberechtigte Mitglieder miteinander diskutierten. In diesem Jahr gehörten ihr die Kritikerin und Kulturjournalistin Claudia Kramatschek, die SWR-Redakteurin Annette Lennartz, der Heidelberger Literaturwissenschaftler und Editionsphilologe Prof. Dr. Roland Reuß, der Direktor der Literaturwerkstatt Berlin Dr. Thomas Wohlfahrt sowie die Germanistik-Studierenden Katharina Grünke, Markus Schork und Marcus Weiss an.

Der Clemens Brentano Preis wird seit 1993 jährlich im Wechsel in den Sparten Erzählung, Essay, Roman und Lyrik an deutschsprachige Autorinnen und Autoren vergeben, die mit ihren Erstlingswerken bereits die Aufmerksamkeit der Kritik und des Publikums auf sich gelenkt haben. Die Auszeichnung ist mit 10 000 Euro dotiert; Eigenbewerbungen sind nicht möglich.

Preisträger waren bisher Saskia Hennig von Lange, Maximilian Probst, Philipp Schönthaler, Alexander Gumz, Wolfgang Herrndorf, Sven Hillenkamp, Andreas Stichmann und Felicia Zeller, Ann Cotten, Clemens Meyer, Stefan Weidner, Anna Katharina Hahn, Raphael Urweider, Andreas Maier, Doron Rabinovici, Sabine Peters, Hendrik Rost und Oswald Egger, Norbert Niemann, Benjamin Korn, Daniel Zahno, Jörg Schieke und Barbara Köhler, Gabriele Kögl sowie Günter Coufal.

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