Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ärzte lernen sprechen

Von einem gelungenen Gespräch zwischen Arzt und Patient hängt es ab, wie gut sich ein Patient behandelt fühlt und ob er den ärztlichen Empfehlungen folgt. Gerade bei niederschmetternden Diagnosen wie einer Krebserkrankung benötigen Ärzte nicht nur Fingerspitzengefühl sondern kommunikative Kompetenz. Der erste Kommunikationslehrplan für das Medizinstudium soll künftig deutschlandweit angehende Ärzte umfassend auf diese Aufgabe vorbereiten.

Zu einem Kommunikationssymposium begrüßte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe daher jüngst Vertreter der 37 deutschen Medizinischen Fakultäten und medizinischer Fachgesellschaften in Heidelberg. Das Ministerium förderte die Erarbeitung des ersten Mustercurriculums für Arzt-Patient-Kommunikation sowie das Symposium unter Federführung des Universitätsklinikums Heidelberg unter dem Dach des Nationalen Krebsplans. Vertreter der Institutionen, die an der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung teilhaben, verabschiedeten im Zuge der Veranstaltung die „Heidelberger Erklärung“. Sie bekunden damit ihre Absicht, sich bundesweit für eine Förderung der kommunikativen Kompetenzen in der ärztlichen Ausbildung einzusetzen.

Prof. Dr. Jana Jünger, bislang Oberärztin an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik des Klinikums Heidelberg, stellte die wesentlichen Inhalte und Ziele des „Nationalen longitudinalen Mustercurriculums Kommunikation in der Medizin“ beim Abschluss-Symposium vor. Dieses sieht vom ersten Semester an ein ausführliches Gesprächstraining zu Themen aus möglichst allen medizinischen Disziplinen vor. „Der Stand der Ausbildung in ärztlicher Gesprächsführung ist an den Medizinischen Fakultäten bisher sehr heterogen – was sich auch in den kommunikativen Kompetenzen der Ärzte in Deutschland widerspiegelt. Daher gilt es, möglichst einheitliche Standards zu etablieren und die Medizinischen Fakultäten dabei zu unterstützen, die gemeinsam erarbeiteten Lernziele mit Hilfe von Best-Practice-Beispielen in Lehre und Prüfung ihrer Curricula einzubinden“, erklärte Jünger.

Prof. Jana Jünger mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auf dem Kommunikationssymposium in Heidelberg: „Der Stand der Ausbildung in ärztlicher Gesprächsführung ist an den Medizinischen Fakultäten bisher sehr heterogen.“
Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Das Gespräch mit Patienten gehört für Ärzte zum Tagesgeschäft. Trotzdem wird es an den Medizinischen Fakultäten bisher mehr theoretisch und meist wenig klinisch integriert gelehrt. „Die besonderen Herausforderungen in den einzelnen Fächern mit ihren sehr unterschiedlichen Patientengruppen kommen dabei zu kurz“, weiß Jana Jünger. Vom Verlauf der Gespräche hängt allerdings viel ab, wie Studien belegen: Hat der Patient das Gefühl, der Arzt hört ihm zu, geht auf seine Sorgen ein und informiert ihn umfassend und verständlich, ist er eher bereit, die Therapieempfehlungen einzuhalten. Das erhöht den Behandlungserfolg und die Zufriedenheit des Patienten. Darüber hinaus zeigen aktuelle Arbeiten, dass sich die Qualität der Interaktion mit dem behandelnden Arzt auch positiv auf den Gesundheitszustand von Patienten – wie etwa eine Verringerung von Schmerzen – auswirken kann.

Um Mediziner auf die besonderen Herausforderungen im Bereich der Onkologie vorzubereiten, erarbeitete das Projektteam um Professor Jünger spezielle Empfehlungen für die Lehre kommunikativer Kompetenzen. Sie sind in das „Nationale longitudinale Mustercurriculum Kommunikation“ eingebettet. „Eine Krebsdiagnose versetzt vielen Patienten und ihren Angehörigen einen Schock. Der Arzt muss wissen, was er ihnen jetzt noch zumuten kann, und einfühlsam nachfragen, ob der Patient alle wichtigen Informationen verstanden hat“, so Jünger, die am Heidelberger Universitätsklinikum das Kompetenzzentrum für Prüfungen Baden-Württemberg leitete: „Diese Empathie kann man lernen – dazu gehört aber das Üben in allen klinischen Fächern.“

Mit Experten im Gespräch: Vertreter von Selbsthilfegruppen beteiligen sich aktiv am Kommunikationsunterricht.
Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Das Team sammelte bundesweit die besten Übungen und Trainingsmöglichkeiten und stellt diese nun in einer „Toolbox“ auf einer Online-Plattform zusammen. Mit Hilfe dieser praxistauglichen Vorschläge können die Fakultäten ihre eigenen Lehrpläne ressourcensparend und entsprechend der vorhandenen Möglichkeiten ausbauen. In Zukunft soll das Kommunikationstraining mit speziell geschulten Schauspielern und am Patientenbett die Mediziner während ihres gesamten Studiums begleiten. Summa summarum sind 300 Unterrichtseinheiten für das Gesprächstraining vorgesehen.

Seit 2012 ist die Arzt-Patient-Kommunikation offiziell Gegenstand der Lehre und der abschließenden Staatsprüfung. Im Juni 2015 hat der Medizinische Fakultätentag einen „Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin“ (NKLM) verabschiedet, in dem explizit Lernziele für die ärztliche Gesprächsführung formuliert sind. An diesem Katalog sowie den gesammelten Best-Practice-Beispielen orientiert sich das Mustercurriculum Kommunikation in der Medizin.

www.medtalk-education.de

Best-Practice-Beispiele (pdf)
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