Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

In Gold wirkt Einstein besonders stark

Einige fundamentale Eigenschaften der Münzmetall-Elemente Gold, Silber und Kupfer – wie chemisches Verhalten oder Farben – sind bereits in ihren Atomen angelegt. Dabei lassen sich die einzigartigen Eigenschaften von Gold zum großen Teil mit der Relativitätstheorie von Albert Einstein erklären. Das konnten Chemiker der Universität Heidelberg mit ihren Untersuchungen an Gold-, Silber- und Kupfercarbenen zeigen. Für den Vergleich der drei Elemente haben sie jeweils nur einzelne Atome in den Blick genommen. Die Arbeiten unter Leitung von Prof. Dr. Bernd Straub wurden in der deutschsprachigen wie der internationalen Ausgabe der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht.

Die Eigenschaften von chemischen Elementen wiederholen sich periodisch, da verwandte Elemente die gleiche Anzahl relevanter Außenelektronen besitzen und sich nur durch zusätzliche innere Elektronenschalen unterscheiden. Die besagten Münzmetalle weisen eine solche Verwandtschaftsbeziehung auf. „Der Vergleich von Kupfer, Silber und Gold mit ihren extrem vielen benachbarten Atomen war und ist kein Problem, da die reinen Metalle seit Jahrtausenden zugänglich sind“, erläutert Bernd Straub, der am Organisch-Chemischen Institut lehrt und forscht. Die Unterschiede konnten der Chemiker und sein Team jetzt jedoch an einzelnen Atomen festmachen: an einem ansonsten identischen Molekül, in dem die Metallatome sehr stark über zwei Bindungen mit einem Kohlenstoffatom wechselwirken.

Die Untersuchungen der Heidelberger Wissenschaftler gingen von Goldcarbenen aus – mit einer üblicherweise instabilen, weil hochreaktiven Doppelbindung zwischen Kohlenstoff und Gold. Professor Straub und seinen Mitarbeitern gelang es aber mit einem chemischen „Trick“, einen stabilen Goldcarben-Komplex für die Forschung herzustellen und zu isolieren. In weiteren Schritten konnten auch ein Kupfer- und ein Silbercarben mit ansonsten identischer Struktur erzeugt und charakterisiert werden, obschon beide Verbindungen deutlich empfindlicher sind als das Goldcarben.

Lösungen der drei Metallcarben-Komplexe von Kupfer, Silber und Gold (von links nach rechts).
Foto: Matthias W. Hussong, Organisch-Chemisches Institut

Den Wissenschaftlern bot sich damit die Möglichkeit, die drei Elemente der Münzmetall-Gruppe auf der Größenebene eines Moleküls im Detail zu vergleichen. Dabei konnte mit der Kristallisation des besonders instabilen Silbercarbens dank Röntgenstrukturanalyse die Bindungslänge zwischen Silber und dem doppelt gebundenen Kohlenstoff bestimmt werden, um diese dann mit der kürzeren und stärkeren Bindung des Goldcarbens zu vergleichen.

Aus ihren Beobachtungen ziehen die Forscher den Schluss, dass die Eigenschaften von Gold entscheidend durch sogenannte relativistische Effekte bestimmt werden. Diese Effekte kommen dann zum Tragen, wenn sich ein Phänomen in der Physik nicht mehr „klassisch“ erklären lässt. Die relativistischen Effekte gehen auf Albert Einsteins Relativitätstheorie mit der bekannten Formel E = mc2 zurück, die den Zusammenhang zwischen Energie, Masse und Lichtgeschwindigkeit beschreibt. „Bei Gold sind die vorausgesagten relativistischen Effekte von allen stabilen Elementen am stärksten ausgeprägt“, so Bernd Straub. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der auffällige Farbunterschied von Gold- und Silbermetall.

Wie der Wissenschaftler erläutert, erreichen negativ geladene Elektronen von Gold durch die Anziehung des 79-fach positiv geladenen Atomkerns so hohe Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit (c), dass zusätzliche Bewegungsenergie (E) nicht mehr zu einer wesentlichen Geschwindigkeitssteigerung führen kann. Stattdessen nehmen die betreffenden Elektronen an Masse (m) zu. Dieser Effekt wirkt sich bis in die äußerste Elektronenschale aus, die aktiv und für chemisches Verhalten, Farbe und Eigenschaften verantwortlich ist.

Bei Gold führt dies auch dazu, dass seine Bindungen stärker werden. Dadurch sind die Verbindungen von Gold besser in der Lage, beispielsweise Dreifachbindungen zwischen zwei Kohlenstoffatomen zu aktivieren. Der Vergleich der Münzmetalle Gold, Silber und Kupfer mit dem jeweils doppelt gebundenen Kohlenstoff hat überdies gezeigt, dass das atomare Verhalten von Gold eher dem des Kupfers und weniger dem des Silbers ähnelt, obwohl ihm Silber im Periodensystem näher steht.

M.W. Hussong, W.T. Hoffmeister, F. Rominger, B.F. Straub: Kupfer- und Silber-Carbenkomplexe ohne Heteroatom-Stabilisierung: Struktur, Spektroskopie und relativistische Effekte. Angewandte Chemie 2015, 127, 10472-10476, doi: 10.1002/ange.201504117