Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ein eigenes Haus für 840 Bücher

Von Veit Probst

Die Universitätsbibliothek Heidelberg feierte 2015 nicht nur die Eröffnung der neuen Lesebereiche im Triplex-Gebäude, sondern sie erinnert sich auch an ihr 570-jähriges Baujubiläum und das 110-jährige Bestehen des Durm’schen Prachtbaus, in dem sie bis heute residiert. 1445 erhielt sie als erste Universitätsbibliothek Deutschlands ein eigenes Gebäude. Diese frühe Institutionalisierung Mitte des 15. Jahrhunderts bezeugt, dass die Bibliothek schon damals eine bedeutende Rolle für ihre Alma Mater spielte. Die Büchersammlungen der Fakultäten, die bis dahin verstreut in der Stadt untergebracht waren, sollten zusammengelegt werden. In der Merianstraße, auf dem Areal der heutigen Jesuitenkirche, wurde ein einfaches, zweistöckiges Haus errichtet. Rund 840 Bände umfasste die Heidelberger Sammlung im Jahr 1466.

Nachdem das erste Bibliotheksgebäude im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688 bis 1697) weitgehend zerstört worden war und 1712 dem Bau der Jesuitenkirche weichen musste, wurde die Universitätsbibliothek in die „Domus Wilhelmiana“, die heutige Alte Universität, verlagert. 1786, im 400. Jubiläumsjahr der Universität, besaß die Universitätsbibliothek 12 000 Bände; zwei Stunden war sie täglich geöffnet. Im 19. Jahrhundert wuchsen die Büchersammlungen weiter, sodass die Bibliothek in Platznöte geriet und bereits 1829 in das ehemalige Gebäude des Jesuitengymnasiums zwischen Augustiner- und Schulgasse umzog, bevor 1905 das heutige Gebäude eröffnet wurde.
Die im Sommer neu eröffnete Studien und Leselandschaft im Triplex-Gebäude.
Foto: Miethe

Karl Zangemeister (1837 bis 1902) war der erste hauptamtliche Bibliothekar der Universität. Angesichts einer stetig wachsenden Platznot hatte er 1897 ein ausgeklügeltes Raumprogramm für einen Neubau zur Unterbringung der nun 440 000 Bücher umfassenden Sammlung erstellt. Dieses Programm setzte der Karlsruher Architekt Josef Durm (1837 bis 1919) kongenial um, sodass die Universitätsbibliothek bis heute, im 111. Jahr im Durm’schen Prachtbau residiert. Dennoch erforderte das rasante Wachstum der Sammlungen im 20. Jahrhundert zur Erweiterung der Nutzflächen Eingriffe in die Bausubstanz. So wurden in den 1950er- und 1980er-Jahren Zwischendecken eingezogen, Galerien eingerichtet, Ausweichmagazine angemietet und es wurde ein Tiefmagazin gebaut.

Schon 1976 erhielt die Universitätsbibliothek erste Flächen des neugebauten, unmittelbar an das Bibliotheksgebäude angrenzenden Triplex-Gebäudes. Ein Antrag auf Bezug weiterer Triplex-Flächen folgte in den 1990er-Jahren. War man in diesen Jahren noch im Zweifel, ob der digitale Medienwandel die Buchbibliothek ablösen würde, brachten die 2000er-Jahre einen rasanten Aufschwung: Scharen von Studierenden bevölkerten die Bibliothek als Lernzentrum, als Ort der Begegnung und des gemeinschaftlichen Arbeitens. Mit beeindruckenden Nutzungszahlen erreichte die Heidelberger Universitätsbibliothek 2010 im renommierten Bibliotheksindex BIX zum ersten Mal den ersten Platz – dem sich fünf weitere Platzierungen an der Spitze anschließen sollten.

Stimulierende Atmosphäre

Zu Leistungsstärke und Attraktivität sowie den künftigen Entwicklungen stellte Ute Müller-Detert dem Direktor der Heidelberger Universitätsbibliothek, Dr. Veit Probst (Foto: Universität Heidelberg), drei Fragen:

Die Platzprobleme der Universitätsbibliothek Heidelberg waren bereits in den 1990er-Jahren so drängend, dass schon zu dieser Zeit eine Erweiterung in Richtung Triplex-Gebäude beantragt wurde. Allerdings gab es damals Zweifel, ob der digitale Medienwandel die Buchbibliothek ablösen würde. Tatsächlich können die Nutzer heute ortsunabhängig auf das riesige Spektrum elektronischer Angebote einer virtuellen Bibliothek zugreifen. Wie kommt es, dass die Universitätsbibliothek heute dennoch stärker denn je ein Ort des Lesens, des Forschens und des Studierens ist?

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„Aktuell stellen wir 3120 Datenbanken, 94 500 E-Journals, 400 000 E-Books, 3,3 Millionen digitalisierte Seiten aus historischen Sammlungen und 22 000 Dokumente auf den hauseigenen Servern im Open Access bereit. Das reiche Angebot weist mit über neun Millionen Downloads im Jahr 2014 exorbitante Nutzungszahlen aus. Dennoch hält es Wissenschaftler und Studierende nicht davon ab, in die Bibliothek zu strömen. Hier finden sie die stimulierende Atmosphäre des gemeinschaftlichen wissenschaftlichen Arbeitens. Die ‚Bib‘ ist der zentrale Altstadt-Treffpunkt für die 31 000 Studentinnen und Studenten der Universität. Sie finden sich hier zusammen zum Lernen, zur Lektüre klassischer Quellentexte oder juristischer Kommentare, zum Erstellen von Präsentationen und Hausarbeiten, zum Einüben von Vorträgen oder zum Entspannen beim Blick in die ausliegenden Tageszeitungen. Unsere Besuchs- und Ausleihzahlen zeugen von der ungebrochenen Anziehungskraft einer traditionsreichen Universitätsbibliothek.“

Zum sechsten Mal nacheinander nimmt die Universitätsbibliothek Heidelberg im Bibliotheksindex BIX den Spitzenplatz unter den großen wissenschaftlichen Bibliotheken ein. Worin liegen die Stärken der Bibliothek und damit die Gründe für diesen kontinuierlichen Erfolg, der trotz einer mehrjährigen Umbauphase während des laufenden Betriebs möglich war?

„Wir zeichnen uns durch eine besonders ausgeglichene Leistungsbilanz über alle vier Kategorien aus, das heißt, dass wir nicht nur bei Angebot und Nutzung sondern auch bei Effizienz und Entwicklung punkten können. Besonders stolz sind wir auf die Effizienz unserer Dienstleistungen, die dem Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken ist. Das hat die positive Konsequenz, dass unser Etat für Literatur im Verhältnis zu den Personalausgaben besonders hoch ist. Neben den klassischen bibliothekarischen Angeboten liegt ein Schwerpunkt unserer Arbeit in Sonderaufgaben und neuen Erschließungsprojekten. Dafür konnten wir allein im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Euro an Dritt- und Sondermitteln einwerben. Eines der herausragenden Projekte ist die Digitalisierung der lateinischen Handschriften, die zur Bibliotheca Palatina gehören und sich in der Vatikanischen Bibliothek in Rom befinden. Zu den vielfältigen weiteren Aktivitäten zählen die Fachinformationsdienste für die Schwerpunktfächer Europäische Kunstgeschichte, Ägyptologie, Klassische Archäologie und Südasien sowie die eigenen Publikationsdienste, die kontinuierlich ausgebaut werden. Zudem ist eine große Zahl von Mitarbeitern für die Entwicklung neuer elektronischer Dienstleistungen zuständig.“

Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft? Was wünschen Sie sich für die Universitätsbibliothek Heidelberg?

„Die Qualität unserer Bibliothek wird sich auch künftig an drei Hauptindikatoren messen lassen. Dazu gehören erstens attraktive Arbeitsplätze: Unsere Nutzer haben die neuen Lesebereiche in den vergangenen Monaten mit einer solchen Begeisterung in Besitz genommen, dass sich schon jetzt weiterer Bedarf abzeichnet. Wir sind mit der Universitätsleitung bereits in Gesprächen über eine nochmalige Erweiterung in das erste Obergeschoss des Triplex-Gebäudes. Zweitens benötigen wir auch künftig ausreichende Etatmittel für eine umfassende Informationsversorgung. Exemplarisch nenne ich die jüngst abgeschlossenen Lizenzverträge mit den Großverlagen Springer und Elsevier, deren fast 5000 Online-Journale eine universitäre Nachfrage von über einer Million Downloads pro Jahr erfahren. Die Finanzierung und Fortführung solcher Dienste ist für die Informationsversorgung der Universität essenziell. Der dritte Indikator bezieht sich auf weitere eigene Entwicklungen vor allem auf dem Feld des Open Access. Die Universitätsbibliothek wird in Zusammenarbeit mit dem Universitätsrechenzentrum das Forschungsdatenmanagement ausbauen und zudem ihre Publikationsaktivitäten forcieren.“