Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Kriminaltechniker der Archäologie

Von Mirjam Mohr

Als einer der weltweit führenden Spezialisten auf dem Gebiet der Archäometrie gilt Prof. Dr. Ernst Pernicka (Foto: Fink). Der Wissenschaftler, der Grabungsleiter in Troja war und die Echtheit der „Himmelsscheibe von Nebra“ nachwies, erinnert an Universalgelehrte früherer Zeiten: Als studierter Chemiker arbeitete er 20 Jahre lang am Max-Planck-Institut für Kernphysik, habilitierte sich in den Geowissenschaften und hatte Professuren in den Ingenieur- und Materialwissenschaften sowie in der Archäologie inne.

All diese Bereiche sind Teil seines Spezialgebiets, mit naturwissenschaftlichen Methoden archäologische und historische Fragestellungen zu klären. Jetzt wurde Ernst Pernicka auf die neue Klaus-Tschira-Stiftungsprofessur „Archäometrie“ am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg berufen. Gleichzeitig ist er Direktor des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. „Die Archäometrie erweitert die Betrachtungsweisen der Archäologie mit instrumentellen Mitteln um eine Dimension, die wir mit unseren Sinnen nicht erfassen können“, erklärt der Forscher sein Arbeitsfeld.

So bestimmt er mit naturwissenschaftlichen Methoden wie der Isotopenanalyse oder der Radiokohlenstoffdatierung das Alter archäologischer Funde oder analysiert Materialien, um damit deren Herkunft auf die Spur zu kommen. „Man könnte uns auch als kriminaltechnisches Labor der Archäologie bezeichnen: Denn so wie im Sonntags-Krimi eine Tat anhand von Funden, die analysiert werden, rekonstruiert wird, versuchen wir, die Geschichte mit der Analyse von Hinterlassenschaften des Menschen zu rekonstruieren.“ Seine Disziplin sei dabei „das Multidisziplinärste, was man sich denken kann“, meint Ernst Pernicka, denn sie schließe sämtliche Naturwissenschaften und deren Methoden sowie die Kunst- und Kulturwissenschaften ein.

Ursprünglich hatte sich Pernicka für ein Studium der Kunstgeschichte interessiert, sich dann aber für einen „Brotberuf“ und daher für ein Chemiestudium entschieden. „Erst am Ende des Studiums habe ich gemerkt, dass die Ausbildung auf die große Industrie ausgerichtet ist, was nun nicht mein Lebensziel war. Also bin ich ins Grübeln gekommen, was ich machen könnte.“ Sein anschließender Weg in die Archäometrie sei von mehreren Glücksfällen begleitet worden: Dass er eine Doktorandenstelle angeboten bekam, bei der Keramik aus Afghanistan und Persien zu analysieren war – was zum Einstieg in das Gebiet geriet. Und dass zur gleichen Zeit die „VolkswagenStiftung“ die Archäometrie als förderungswürdiges Forschungsgebiet entdeckte und einen Schwerpunkt einrichtete. „Dadurch war das Thema nicht mehr so exotisch, und es waren Mittel für die Forschung vorhanden.“

Als Postdoktorand kam Ernst Pernicka 1976 ans Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, das mit Unterstützung der Stiftung zwei Arbeitsgruppen zur Archäometrie gebildet hatte. 1987 habilitierte er sich an der Ruperto Carola für das Fach „Analytische Geochemie“. 1997 wechselte Pernicka auf eine Stiftungsprofessur an der TU Bergakademie Freiberg in Sachsen und etablierte dort den ersten Studiengang für Archäometrie im deutschsprachigen Raum. 2004 wurde er dann auf eine Professur für Naturwissenschaftliche Archäologie an der Universität Tübingen berufen.

Der Wechsel nach Tübingen war mit dem Aufbau eines Labors für Materialanalyse verbunden, dessen wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer Ernst Pernicka ist: das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim, das 2006 mit Unterstützung der Curt-Engelhorn- und der „VolkswagenStiftung“ eröffnet wurde. 2010 wurde es mit Hilfe der Klaus Tschira Stiftung, die nun auch die Stiftungsprofessur an der Ruperto Carola finanziert, um das Labor für physikalische Altersbestimmung erweitert, das heute als Klaus-Tschira-Archäometrie-Zentrum an der Universität Heidelberg Kernstück der Einrichtung ist. Pernicka: „Wir führen eigene Forschungsprojekte und Auftragsforschung durch und bieten auch Dienstleistungen an.“ Zu den Kunden zählen Archäologen, die Proben zur Analyse geben, oder Museen und Kunsthändler, die durch Altersbestimmung die Echtheit von Objekten klären lassen.

Als Experte wurde der Wissenschaftler auch zu Hilfe gerufen, nachdem um den Jahrtausendwechsel die aus der Bronzezeit stammende „Himmelsscheibe von Nebra“ aufgetaucht war – die weltweit älteste bisher bekannte konkrete Darstellung des Nachthimmels, die damit als einzigartiges Zeugnis der Menschheitsgeschichte gilt. Pernicka konnte mit einer damals neuen Methode die Echtheit des spektakulären Fundstücks belegen und untersuchte anschließend in einem sechsjährigen Forschungsprojekt das naturräumliche und kulturhistorische Umfeld der Scheibe. „Das war eines meiner schönsten Projekte“, erinnert er sich.

Ein weiteres Glanzlicht seines Forscherlebens waren die Ausgrabungen in Troja, deren Leitung er zu Beginn seiner Tübinger Zeit von seinem überraschend verstorbenen Kollegen Manfred Korfmann übernahm: „Auch wenn ich mich mehr als Nachlassverwalter von Korfmann gesehen habe, habe ich es als Ritterschlag der Archäologie empfunden, dass ich als Chemiker die Ausgrabungen leiten durfte.“

Für die kommenden Jahre hat der mittlerweile 64-Jährige ebenfalls viel vor. Zurzeit entwickelt er mit seinem Team eine Methode, mit der auf Basis von Radioaktivität Goldobjekte datiert werden können. Und im Zuge seiner Stiftungsprofessur steht ein weiteres großes Forschungsprojekt an – mit einem ERC Advanced Grant für Spitzenforscher in Europa ausgestattet widmet sich Ernst Pernicka der Herkunft des Zinns in der Bronzezeit: „Unser Ziel ist es, das alte Rätsel zu lösen, woher die Legierung von Kupfer und Zinn kommt, die einer ganzen Epoche ihren Namen gab.“

www.geow.uni-heidelberg.de/forschungsgruppen/pernicka

Siehe auch: „Ernst Pernicka auf Stiftungsprofessur für Archäometrie berufen“