Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Tagtäglich ein 2000 Seiten starker Bericht

Eine hochkomplexe Software für den Astrometrie-Satelliten Gaia (Grafik: Astrium Toulouse und ESA) haben Heidelberger Forscher entwickelt. Sie wurde für den wissenschaftlichen Betrieb von Gaia konzipiert und soll fünf Jahre lang täglich die korrekte Funktion aller Systeme an Bord und die Qualität der wissenschaftlichen Rohdaten detailliert überwachen. Für die Entwicklung verantwortlich zeichnen Experten des Astronomischen Rechen-Instituts (ARI) am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH). Der Satellit – vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana mit einer Trägerrakete ins All gebracht – soll aus einer Erdentfernung von 1,5 Millionen Kilometern Sterne der Milchstraße mit hoher Präzision vermessen.

„Von den Daten, die Gaia zur Erde funken wird, erhoffen sich Astronomen unter anderem Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße“, erklärt Prof. Dr. Eva Grebel. Die Wissenschaftlerin ist Direktorin des ARI und Sprecherin des an der Ruperto Carola angesiedelten Sonderforschungsbereichs „Das Milchstraßensystem“.

„Gaia wird in der Lage sein, die Positionen von einer Milliarde Sternen mit einer Genauigkeit zu bestimmen, die dem Durchmesser einer Münze auf dem Mond entspricht – von der Erde aus gesehen“, erläutert Dr. Ulrich Bastian, der am ARI eine europaweite Arbeitsgruppe von Gaia-Wissenschaftlern und Software-Ingenieuren leitet. Nach Angaben der Forscher forderte der Satellit der Europäischen Weltraumorganisation ESA insgesamt 19 Jahre Vorarbeit und acht Jahre Bauzeit. Sein Durchmesser beträgt mit entfalteten Solarpanelen rund zehn Meter.

Die in Heidelberg entwickelte Software, die den sogenannten „First Look“ übernimmt, umfasst rund 350 000 Programmzeilen in der Computersprache Java. Zum größten Teil wurden sie von der Gaia-Gruppe am ARI geschrieben. Fünf Jahre lang wird die Software Tag für Tag einen 2000-seitigen Bericht über den Zustand der Systeme an Bord und die technische Integrität und wissenschaftliche Qualität der Daten erstellen.

„Natürlich ist kein Mensch in der Lage, täglich eine 2000 Seiten starke Dokumentation zu lesen und zu verarbeiten“, sagt Dr. Michael Biermann, der Leiter des Heidelberger First-Look-Teams: „Stattdessen sucht unsere Software in den Zahlen, Tabellen und Diagrammen des Berichts nach Abweichungen und markiert diese. So kann der jeweils diensthabende First-Look-Wissenschaftler sehr rasch und gezielt nach Zusammenhängen mit anderen Daten und nach möglichen Ursachen von Problemen forschen und Abhilfen vorschlagen.“ Auf diese Weise soll verhindert werden, dass wertvolle wissenschaftliche Messungen verloren gehen oder sich die Messgenauigkeit verschlechtert.

http://wwwstaff.ari.uni-heidelberg.de/gaia

Campus-Report-Interview mit Dr. Ulrich Bastian (mp3)