Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Zwischen Pizzen und Pipetten

Von Timm Hondrich

„Für die Mehrheit der Studierenden gehört die Erwerbstätigkeit zum Alltag. Sie prägt ihre finanzielle Situation ebenso wie ihr Zeitbudget und ihr soziales Leben.“ Das konstatiert die jüngst vorgelegte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, die vom HIS-Institut für Hochschulforschung vorgenommen wurde, zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland. Demnach arbeiten selbst während der Vorlesungszeit über 60 Prozent der Hochschüler – nach der Unterstützung der Eltern und noch vor der staatlichen Ausbildungsförderung (BAföG) ist die Erwerbstätigkeit das zweitwichtigste Standbein der Studienfinanzierung. Stipendien und Studienkredite spielen hingegen weiter nur eine untergeordnete Rolle.

Da stellt sich auch die Frage: Welche Jobs suchen sich die Hochschüler (Foto: Universität Heidelberg)? Arbeiten die Studierenden an ihrer Alma Mater als wissenschaftliche Hilfskräfte oder jobben sie in fachfremden Branchen? Und warum sind sie erwerbstätig – ist es nur wegen des Geldes oder gibt es auch andere Motive? Journal@RupertoCarola hat sich auf dem Heidelberger Campus umgehört:

„Pipettenspitzen erneuern, Eppis auffüllen, Puffer ansetzen, Gele gießen, Restriktionsverdau ... helfen, wo es geht“, beschreibt die Studentin der Biowissenschaften Alisa Schmidt ihre Labortätigkeit am Deutschen Krebsforschungszentrum im Neuenheimer Feld. Auch wenn diese Schilderung eher Naturwissenschaftlern etwas sagt, so wird doch klar, dass es sich um einen Assistenz-Job im Labor handelt, der gewisse Vorkenntnisse aus dem Studiengang erfordert. Auf die Frage nach dem Warum ist es denn auch nicht überraschend zu hören, dass es ihr nur zweitrangig ums Geld geht – wichtiger ist es Alisa, Erfahrungen und Kontakte für den späteren Verlauf ihrer Karriere zu sammeln. Neben der freundschaftlichen Beziehung zu ihren Kollegen und dem Standard-Hiwi-Gehalt sowie den flexiblen, studienfreundlichen Arbeitszeiten biete ihr der Job eine gute Gelegenheit, ihr Fachgebiet besser kennenzulernen und sich gleichzeitig etwas dazuzuverdienen.

Verena Hurst studiert ebenfalls Biowissenschaften, doch hat sie sich gegen einen Assistenz-Job im Labor und für eine Aushilfsstelle im Verkauf eines Ladens entschieden. Anders als Alisa sieht sie den Job als reines Mittel zum Zweck: Sie will sich mit dem Geld ihren Masterstudiengang im Ausland finanzieren. In den 30 bis 40 Stunden pro Monat verdient sie mit 450 Euro mehr als Alisa. Und obwohl sie dadurch weniger Freizeit und mehr Stress hat, hat sie auch Spaß an der Arbeit und an der Herausforderung: „Es ist ein sehr gutes Gefühl, sein Geld selbst verdient zu haben; ich schätze das Geld mehr und bin genügsamer und zufriedener.“

Ebenfalls im Dienstleistungssektor ist Geographie-Studentin Megan Harding tätig, die sich seit drei Semestern im Café Botanik in der Feld-Mensa verdingt. Hier belegt sie Pizzen und Brötchen, macht Salate und kocht Kaffee, heiße Schokolade oder Tee, oder sie bereitet den geeisten Macchiato zu, den wohl fast jeder Heidelberger Hochschüler im Sommer zu schätzen weiß. Auch sie mag ihren Job, da sie sich die Arbeit mit freundlichen Kollegen teile und es ihr „ein gewisses Gefühl von Unabhängigkeit gibt“. Außerdem: „Ich mag die Arbeit auch im Kontrast zum Studium; es ist etwas Handfestes, bei dem man das Resultat gleich vor Augen geführt bekommt.“ Die Anstrengung, die die etwa 30 Stunden jeden Monat von Megan neben dem Studium abverlangen, lohnt sich zudem finanziell – ihr Gehalt von knappen neun Euro pro Stunde ermöglicht ihr die gelegentliche Fahrt nach Hause oder sogar in den Urlaub.

Auch Rafaela Bayer arbeitet. Die Lehramtsstudentin für Spanisch und Altgriechisch gibt Nachhilfe in einer weiteren Sprache, in Latein. Die Arbeit wird gut bezahlt – stündlich erhält sie 14,50 Euro, arbeitet jedoch nur etwa zwölf Stunden im Monat. Obwohl ihr die Tätigkeit aufgrund des studienverwandten Themas Spaß bereite, störe sie die lange Anfahrt und der damit verbundene Aufwand etwas. Nichtsdestoweniger erklärt sie: „Ich würde gerne mehr arbeiten, habe aber keine Zeit.“

Doch es gibt nicht nur bezahlte Jobs, wie Vanessa Kleins ehrenamtliche Tätigkeit für das Campusradio Rhein-Neckar e.V. zeigt. Bei diesem Radiosender, der unter „radioaktiv“ bekannt ist, erstellt die Übersetzungswissenschaftlerin für Englisch und Spanisch Beiträge über Veranstaltungen wie Konzerte oder Theaterstücke, führt Interviews und moderiert dienstags abends die Sendung „HeiLife“. Obwohl sie für die etwa fünf und mehr Wochenstunden nicht im konventionellen Sinne entlohnt wird, profitiere sie sehr von ihrer Tätigkeit: „Ich interessiere mich für Öffentlichkeitsarbeit; und es ist eine gute Gelegenheit, sich mehr mit Heidelberg auseinander zu setzen und mehr kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Ich lerne, Studioequipment und -software zu benutzen, trainiere meine Fähigkeit, frei zu sprechen, und treffe immer interessante Leute.“

Studieren heute: Infobroschüre zur 20. Sozialerhebung (pdf)

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der 20. Sozialerhebung (pdf)

Gesamtstudie: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012 (pdf)