Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

FET: Forschungsflaggschiff dringt tief ins menschliche Gehirn vor

Es klingt nach Science Fiction: Mit dem Ziel, die komplexen Funktionsprinzipien des menschlichen Gehirns Stück für Stück nachzubilden und mit Hilfe fundamental neuer Computerarchitekturen zu simulieren, ist das „Human Brain Project“ von der Europäischen Kommission als eines von zwei Großvorhaben zur Förderung im Zuge der FET-Flaggschiff-Initiative ausgewählt worden. Die Kosten für das Wissenschaftsvorhaben sind mit fast 1,2 Milliarden Euro veranschlagt.

Physiker der Universität Heidelberg werden maßgeblich an den auf zehn Jahre angelegten Forschungsarbeiten beteiligt sein: Prof. Dr. Karlheinz Meier vom Kirchhoff-Institut für Physik ist einer der Ko-Direktoren des Forschungsverbundes; seine Arbeitsgruppe wird zugleich eine der insgesamt sechs technischen Projektplattformen aufbauen. Mit dem Förderprogramm „Future and Emerging Technologies Flagship“ (FET Flagship) finanziert die Europäische Union großangelegte Projekte mit visionären Zielen, die über den Rahmen der üblichen Forschungsförderung weit hinaus reichen.

Der Rektor der Ruperto Carola, Prof. Dr. Bernhard Eitel, erklärte zum Erfolg in der FET-Flaggschiff-Initiative: „Das neue Projekt wird die Forschung an der Universität Heidelberg nachhaltig prägen. Es entwickelt Antworten auf zentrale Herausforderungen in der aktuellen Forschung und besitzt zugleich das Potenzial, sich grundsätzlich auf die Wege auszuwirken, mit denen wir Informationen speichern und nutzen. Wir sind stolz darauf, dass wir dieses Projekt an unserer Universität durchführen und damit neue Perspektiven für viele Disziplinen entwickeln können: getreu unserem Motto ‚Semper Apertus‘.“

Bild eines neuromorphen Chips, konstruiert von der Heidelberger Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Karlheinz Meier. Der Chip umfasst 384 Neuronen sowie 100 000 Synapsen und arbeitet rund 100 000-mal schneller als das biologische Vorbild.
Foto: Kirchhoff-Institut für Physik

An dem drei Jahre lang vorbereiteten „Human Brain Project“ werden mehr als 80 europäische und internationale Institutionen mitwirken; das Vorhaben wird außerdem von wichtigen Partnern in Nordamerika und Japan begleitet. Die Kosten für die Forschungsarbeiten in den Jahren von 2013 bis 2023 werden mit 1,19 Milliarden Euro angegeben.

Koordiniert wird das Gesamtvorhaben – eine zweieinhalbjährige Startphase soll zum Ende dieses Jahres beginnen – an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz von dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Henry Markram. Weiterer Ko-Direktor neben Prof. Meier ist Prof. Dr. Richard Frackowiak vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois und der Université de Lausanne.

Abteilungsleiter und Mitarbeiter des „Human Brain Project“ während des HBP-Gipfeltreffens im Oktober 2012 in Lausanne (v.l.n.r.): Dr. Boris Orth (FZ Jülich), Dr. Sean Hill (International Neuroinformatics Coordinating Facility), Prof. Wulfram Gerstner (EPFL), Prof. Jean-Pierre Changeux (College de France), Prof. Anastasia Ailamaki (EPFL), Prof. Henry Markram (EPFL), Prof. Karlheinz Meier (Heidelberg), Prof. Katrin Amunts (FZ Jülich), Prof. Thomas Lippert (FZ Jülich), Dr. Richard Walker (EPFL), Dr. Marc-Oliver Gewaltig (EPFL), Dr. Christian Fauteux (EPFL), Dr. Felix Schürmann (EPFL) und Prof. Geerd-Rüdiger Hoffmann (FZ Jülich).
Foto: Kirchhoff-Institut für Physik

Die Forschungsarbeiten des „Human Brain Project“ sollen auf sechs Projektplattformen sowohl neue medizinische und neurowissenschaftliche Erkenntnisse zum menschlichen Gehirn und seinen Erkrankungen liefern als auch zur Entwicklung vollständig neuer Computer- und Robotiktechnologien beitragen. Die Wissenschaftler der Universität Heidelberg unter der Leitung von Karlheinz Meier werden den Aufbau einer Plattform für neuromorphes Rechnen vorantreiben. Als neuromorph werden Systeme bezeichnet, die auf den elektronischen Modellen neuronaler Schaltkreise basieren. In ihrem Aufbau orientieren sie sich an neurobiologischen Strukturen des Nervensystems und funktionieren daher fundamental anders als numerische Simulationen auf konventionellen Hochleistungscomputern.

„Neuromorphe Systeme sollten wichtige Eigenschaften des Gehirns aufweisen: Fehlertoleranz, Lernfähigkeit und einen sehr geringen Energieverbrauch“, erläutert Prof. Meier. Der Physiker hat in den vergangenen zehn Jahren bereits zwei europäische Forschungsprojekte auf diesem Gebiet geleitet und dabei Pionierarbeit in der interdisziplinären Zusammenarbeit von Neurowissenschaften, Informatik, Ingenieurwissenschaften und Physik geleistet. Entwickelt wurde dabei das Konzept von universalen und konfigurierbaren physikalischen Modellen neuronaler Schaltkreise, die Prototypen für eine völlig neue Art von Computerarchitekturen bilden.

Entwurfsdarstellung eines neuromorphen Chips der Heidelberger Arbeitsgruppe.
Foto: Kirchhoff-Institut für Physik

Neben der Projektplattform der Heidelberger Universität werden in Deutschland zwei weitere Plattformen am Forschungszentrum Jülich und an der Technischen Universität München entstehen. Aus Deutschland sind Wissenschaftler aus 16 Einrichtungen am „Human Brain Project“ beteiligt.

www.humanbrainproject.eu

Kontakt:

Prof. Dr. Karlheinz Meier
Kirchhoff-Institut für Physik
Telefon: 0 62 21/54-98 31
E-Mail: meierk@kip.uni-heidelberg.de

Pressemitteilung der Europäische Kommission

Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Pressemitteilung der Helmholtz-Gemeinschaft

Englische Pressemitteilung der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) mit Video