Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Filme gegen den Filmriss

Nicht verbieten, sondern aufklären und Stärken fördern – darauf setzt das Präventions- und Bildungsprogramm REBOUND, das ein Team des Instituts für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Heidelberg speziell für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 25 Jahren entwickelt hat. Die Schüler arbeiten in Gruppen, diskutieren mit älteren Schülern oder Studenten, die das Projekt als Mentoren begleiten, und setzen sich intensiv mit eigens hierfür gedrehten Kurzfilmen auseinander (Foto: REBOUND).

Mit Erfolg, wie die Ergebnisse wissenschaftlicher Auswertungen zeigen: Nach den ersten Durchläufen in 30 Schulklassen gaben 15 Prozent der 14- bis 17-Jährigen an, vorsichtiger mit Alkohol zu sein als vorher; Vollrauscherlebnisse nahmen ab und 40 Prozent der Eltern berichteten, dass sich das Konsumverhalten ihrer Kinder positiv verändert habe. Darüber hinaus verbesserte sich das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Projekt und Begleitforschung werden von der Europäischen Kommission und der Mentor Stiftung Deutschland gefördert.

Im Schuljahr 2011/2012 durchliefen im Rhein-Neckar-Kreis insgesamt 30 Schulklassen der Stufen neun und zehn mit insgesamt 800 Schülern das halbjährige Präventionsprogramm. Dabei ging es keineswegs nur um Alkohol und Drogen sondern auch und besonders um eigene Stärken, Potenziale und Motivationen. Die zusammen 16 Themeneinheiten wurden als Doppelstunden in den Unterricht integriert. Die Schüler arbeiteten in Gruppen, diskutierten mit älteren Schülern oder Studenten, die das Projekt begleiteten, und setzten sich mit eigens für REBOUND gedrehten Kurzfilmen auseinander.

„Die Arbeit mit den Kurzfilmen ist eine der wichtigsten Methoden des Projekts“, erklärt Projektleiter Dr. Henrik Jungaberle. Die Schüler drehen in Kleingruppen eigene Filme zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, eigene Stärken, Alkohol und Drogen. Jungaberle: „In den Filmen erhalten wir einen Einblick in die Denk- und Handlungsweise von jungen Menschen, in eine Welt zwischen Filmriss, Abenteuer, Klischee, Ernst, Kitsch und der Auseinandersetzung mit Werten.“

Die Filme zeigen problematische, dem einen oder anderen bekannte Szenen, zum Beispiel auf einer Party: Es wird getrunken, auch gekifft. Die Schüler betrachten den Film aus unterschiedlichen Perspektiven – als Party-Gast, Eltern oder Polizei – und kommentieren aus dieser Sichtweise heraus bestimmte Sequenzen für die Mitschüler. Häufig werfen die Szenen auch Fragen auf: Wie sollte man sich in dieser Situation verhalten? Muss man alles ausprobieren?

„Die Schüler stellen Fragen, diskutieren Ansichten und Einstellungen und erfahren, wie Alkohol und andere Drogen im Körper wirken und welche Folgen das hat“, so Präventionsforscher Jungaberle. Die vorher vom Heidelberger Projekt-Team geschulten Lehrer leiten die Gruppenarbeit an, geben Denkanstöße und beantworten Fragen.

Auf diese Weise regt REBOUND dazu an, den eigenen Umgang mit Alkohol und Drogen sowie den von Freunden kritisch zu hinterfragen und selbstbestimmt gesunde wie verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. „Wir werten es als Erfolg“, sagt Jungaberle, „wenn die Schüler zu neuen Einsichten kommen und in Zukunft maßvoller trinken oder die Phasen von exzessivem Probierkonsum kürzer werden.“ Solche Erfolge in unterschiedlichem Ausmaß stellten die Wissenschaftler in den abschließenden Befragungen bei einem Drittel der Jugendlichen denn auch fest:

Vor Beginn und nach Ablauf des Programms füllten Schüler, Lehrer und Eltern Fragebögen aus, einige wurden zu Interviews gebeten. Dabei zeigte sich, dass die Jugendlichen dank REBOUND deutlich mehr über Alkohol, Cannabis und andere Drogen wussten als vorher. Bei 30 Prozent der Schüler verbesserte sich die Widerstandsfähigkeit (Resilienz). Solche persönlichen Stärken schützen Jugendliche beim Erwachsenwerden. Wer nicht rauchte, dem aber auch nicht unbedingt abgeneigt gegenüberstand, war sich nun sicher, damit gar nicht erst anfangen zu wollen. Oder die Schüler machten den eigenen Alkoholkonsum weniger von dem der Freunde abhängig.

„Das Risikobewusstsein der Jugendlichen ist signifikant gestiegen“, zieht Jungaberle ein erstes Fazit: „Wer am Kurs teilnimmt, erlebt beispielsweise die Gefahren von Alkohol relevanter für sich selbst als Gleichaltrige, die nicht an REBOUND teilnehmen.“ Geplant ist, die Schüler nach einem Jahr sowie nach fünf Jahren erneut zu befragen, da die Prävention mittel- und langfristig angelegt ist.

Fernab dessen verbesserte sich laut Schülern und Lehrern das Klassenklima erheblich, im Unterricht wurde seltener gestört. Ein Drittel der Lehrer gab an, dass sie durch REBOUND eine bessere Beziehung zur Klasse aufbauen konnten. Das Programm ist daher auch eine Gelegenheit für Lehrer und Schulen, sich im Bereich der ressourcenorientierten Pädagogik weiterzuentwickeln.

www.my-rebound.de

Kontakt:

Dr. Henrik Jungaberle (Projektleiter)
Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums
Telefon: 0 62 21/56-81 47
E-Mail: Henrik.Jungaberle@med.uni-heidelberg.de oder info@my-rebound.de