Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Vom furchterregenden Nachthimmel und dem Kannibalen Milchstraße

Von Mirjam Mohr (Text) und Oliver Fink (Foto)

Dr. Andreas Koch hat einen der schönsten Arbeitsplätze an der Ruperto Carola: Hoch oben auf dem Königstuhl mit Ausblick über Heidelberg und die Rheinebene arbeitet der 34-Jährige an der Landessternwarte, die zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) gehört. Hier leitet Koch eine neue Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe, die eine der zentralen Fragen der modernen Astrophysik beantworten will: Wie entstehen Galaxien? Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt über fünf Jahre mit insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Andreas Kochs Laufbahn als Astronom begann ungewöhnlich: Sein Interesse an Sternen entwickelte sich, weil er als kleiner Junge Angst vor dem Sternenhimmel hatte. „Ich habe mich nie getraut, nach oben zu schauen, weil da irgendetwas Unerklärliches, ganz Dunkles war, mit komischen Lichtern drin“, erzählt er. Dank seines Vaters, der ihm den anfangs so furchterregenden Nachthimmel geduldig näherbrachte, entwickelte er allmählich ein immer stärkeres Interesse an den fernen Welten. „Daraus ist eine Faszination entstanden, die ich dann zum Beruf gemacht habe.“

In Heidelberg studierte Koch Physik mit Schwerpunkt Astronomie und machte sein Diplom bei Prof. Dr. Eva Grebel, die auch später seine Dissertation in Basel über die chemische und kinematische Entwicklung naher Zwerggalaxien betreute. Danach zog es Koch nach Übersee: In den USA untersuchte er im Rahmen einer gemeinsam von der University of California in Los Angeles und den Carnegie Observatories in Pasadena eingerichteten Wissenschaftlerstelle die chemische Entwicklung von Zwerggalaxien, Kugelsternhaufen und der im All benachbarten Andromeda-Galaxie.

Für die Ergebnisse dieser Forschungen erhielt Koch mehrere Auszeichnungen, darunter 2008 den Ludwig-Biermann-Förderpreis der Deutschen Astronomischen Gesellschaft. Von 2009 bis Anfang 2011 forschte er an der englischen University of Leicester. „Langfristig wollte ich aber wieder nach Deutschland zurück; und weil ich Heidelberg und das fördernde Umfeld kenne und die Ruperto Carola ein hervorragender Standort für Astronomie ist, bot es sich an, das Emmy-Noether-Fellowship an der Landessternwarte anzusiedeln.“

„Formation histories of galactic halos via chemical abundance analyses of near-by stellar systems“ lautet der Name des Projekts, mit dem sich Kochs wissenschaftliche Nachwuchsgruppe beschäftigt. Ende des Jahres soll die Gruppe mit zwei Doktoranden und einem Post-Doc komplett sein. „Wir stellen uns die generelle Frage: Wie entstehen Galaxien wie unsere Milchstraße, also astronomisch gesehen unsere nächste Nachbarschaft“, erklärt Koch. „Die Idee dahinter ist, dass unsere Galaxie eigentlich ein Kannibale ist, da sie kleine Galaxien, die um sie herumschwirren, auffrisst und dadurch immer mehr wächst – hauptsächlich in den Außenbereichen. Um das Puzzle der Milchstraße zu lösen, schauen wir uns die einzelnen Puzzleteile an und untersuchen sie.“

Seine Arbeit sei vergleichbar mit der eines Archäologen, so Koch: Anhand chemischer Elemente untersuchen die Wissenschaftler die Eigenschaften einzelner Sterne und bauen aus den Schlussfolgerungen eine Entwicklungsgeschichte der Sternenhaufen und Galaxien auf. „Durch den Vergleich mit der heutigen Milchstraße können wir dann quasi archäologisch sagen, was früher passiert sein muss.“

Wenn Koch über seine Arbeit spricht, merkt man, dass ihm nicht nur die Forschung Spaß macht sondern auch das Erklären der Zusammenhänge und Hintergründe. „Mich reizt es, mir zu überlegen, was ich im Vergleich zu meinem eigenen Studium in der Lehre verbessern kann oder was ich damals gut fand und gerne weitertragen will. Und man bekommt ja auch eine Belohnung zurück, wenn die Studenten zufrieden sind!“

Ihm sei schon früh klar gewesen, dass er im wissenschaftlichen Bereich bleiben und nicht in der Wirtschaft arbeiten wolle – etwa bei Banken, wie viele andere Astronomen. „Das, was wir im Studium lernen – logisch zu denken und irgendwie eine Lösung zu finden, auch wenn es keine zu geben scheint – ist in der Wirtschaft sehr gefragt.“ Als Alternative zur Wissenschaft wäre für Koch allenfalls Wissenschaftsjournalismus in Frage gekommen, gelegentlich schreibt er auch für entsprechende Publikationen Fachartikel.

Einen Ausgleich zu seiner Arbeit findet Koch bei Wanderungen, beim Kochen und vor allem in der Musik – „in jeglicher Hinsicht, aktiv und passiv“. Früher hat er in einer Band Gitarre gespielt. Und auch hier schätzt Koch die unendlichen Weiten: „Ich bin offen für alles, von Metal bis hin zu Klassischer Musik.“

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