Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

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Zum dritten Mal gibt’s Geld für zwei SFBs

Willkommene Förderung: DFG bewilligt 23,7 Millionen Euro für Sonderforschungsbereiche

Zwei Sonderforschungsbereiche der Ruperto Carola werden ihre Arbeit nach einer erfolgreichen internationalen Begutachtung für weitere vier Jahre fortsetzen. Für den SFB 638 „Dynamik makromolekularer Komplexe im biosynthetischen Transport“ stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Mittel von rund 12,4 Millionen Euro zur Verfügung. Sprecher des SFB ist Prof. Dr. Felix Wieland vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH). Mit rund 11,3 Millionen Euro fördert die DFG den SFB 636 „Lernen, Gedächtnis und Plastizität des Gehirns: Implikationen für die Psychopathologie“. Die Sprecherfunktion hat Prof. Dr. Herta Flor vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim inne. Beide Sonderforschungsbereiche erreichen damit die dritte und letzte Förderperiode.

Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten am SFB 638 steht die Frage, auf welche Weise und mit welchen Folgen große Molekülverbände innerhalb von Zellen transportiert und am richtigen Platz lokalisiert werden (Abbildung: SFB 638). Diese Prozesse haben weitreichende Bedeutung für Vorgänge, die etwa die Innere Uhr von Organismen steuern. Sie sind ebenso bedeutsam für die Fähigkeit, Proteine in ihrer richtig gefalteten Form zum richtigen Zeitpunkt herzustellen – und entweder innerhalb einer Zelle oder innerhalb eines Organismus bereitzustellen. So werden solche Mechanismen von Viren für ihre Bildung und ihren Transport aus infizierten Zellen heraus genutzt. Laut Prof. Wieland gibt es eine Reihe weiterer Beispiele, wie die Grundlagenforschung des SFB 638 medizinische Fragestellungen berührt – etwa bei verbreiteten neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer. Der Forschungsverbund umfasst 17 Teilprojekte; neben dem BZH, dem Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) und dem Centre for Organismal Studies (COS) der Ruperto Carola sind Projekte aus der Virologie der Medizinischen Fakultät Heidelberg sowie ein Vorhaben des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) beteiligt.

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Das Forschungsprofil des SFB 636 konzentriert sich auf Lern- und Gedächtnismechanismen, die daraus resultierenden plastischen Veränderungen des Gehirns und ihren Einfluss auf die Psychopathologie. In ihrer Arbeit gehen die Forscher mit unterschiedlichen Ansätzen der Frage nach, wie das Lernen und das Gedächtnis bei verschiedenen psychischen Störungen funktioniert. Im Zentrum stehen dabei Erkrankungen der Emotion und der Motivation wie Angststörungen, Suchterkrankungen, Störungen der Affektivität und der Affektregulation.

Ziel ist es, so Prof. Flor, neue Behandlungsansätze zur verhaltenstherapeutischen und pharmakologischen Therapie psychischer Erkrankungen zu entwickeln. Die insgesamt 22 Teilprojekte umschließen vier Themenbereiche: molekulare und zelluläre Mechanismen von Lernen und Hirnplastizität, verhaltensbiologische und physiologische Mechanismen von Lernen und Hirnplastizität, experimentelle Psychopathologie sowie interventionsbezogene Hirnplastizität. Neben dem ZI sind die Vorhaben am Interdisziplinären Zentrum für Neurowissenschaften sowie den Medizinischen Fakultäten Heidelberg und Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität, den beiden Universitätsklinika, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Max-Planck-Institut für medizinische Forschung angesiedelt.

Siehe auch: Forscher in Heidelberg untersuchen intrazellulären Transport

Siehe auch: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft verlängert Sonderforschungsbereich 636 an der Universität Heidelberg und fördert die Forschungsinitiative mit 11,3 Millionen Euro (pdf)

Vielleicht doch nicht „unser“ Star für Baku

Willkommen im Fernsehen: Mathematisches Modell entlarvt Probleme des Echtzeit-Votings

Die „Blitztabelle“ der Casting-Show „Unser Star für Baku“ barg die Gefahr, dass am Ende nicht der beliebteste Sänger gewinnt. Zu diesem Ergebnis kommt ein an der Universität Heidelberg entwickeltes wissenschaftliches Modell. Wesentliches Element des Modells ist die Annahme, dass das Echtzeit-Voting die Fans der anfänglichen Verlierer stärker motiviert anzurufen als die der eigentlich im Meinungsbild ganz vorn liegenden Sängerinnen und Sänger. „Dadurch kommt es relativ häufig vor, dass derjenige, der eigentlich der Beste gewesen wäre, nicht weiterkommt“, erklärt Ágnes Horvát vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR). Unter www.agneshorvat.info/Blitztabelle kann man im Internet das Voting nachstellen und mitverfolgen, wie sich die Chancen der eigentlichen Favoriten ändern können.

In der TV-Casting-Show kamen am Ende jeder Sendung die Bestplatzierten weiter, die jeweils von den Zuschauern durch Anrufe bestimmt wurden. Bereits während der Sendung wurden dabei live die aktuellen Prozentzahlen gezeigt. „Es war zunächst zu erwarten, dass diese große Transparenz dafür sorgen würde, dass die Zahlen noch genauer werden, der Beliebteste auch wirklich der Sieger wird“, erklärt Horváts Doktormutter, die Informatikerin Dr. Katharina Zweig. Tatsächlich hatten aber am Ende der ersten Sendung, als von zehn Kandidaten die ersten fünf weiterkamen, fast alle Teilnehmer eine gleich große Zahl von Anrufen. In der Minute der Entscheidung lag der Unterschied zwischen dem fünften und dem sechsten Bewerber und damit zwischen Gewinner und Verlierer bei nur 0,2 Prozent. Zudem waren die beiden späteren Finalisten in ihrer jeweils ersten Sendung noch kurz vor Schluss auf den Plätzen fünf und sechs.

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„Genau dieses merkwürdige Resultat hat uns interessiert – wieso kommt es zu diesem Ergebnis?“, so Zweig. In dem mit der Physikerin und Filmwissenschaftlerin Horvát entwickelten Modell kann man – auch bei der Internetsimulation – für jeden Teilnehmer eine feste Fanbasis bestimmen, wobei die Eingaben als Absolutwerte interpretiert und intern in Prozentzahlen konvertiert werden. Der Teilnehmer mit der höchsten Prozentzahl wäre somit der eigentliche Gewinner. Im Modell rufen nun in verschiedenen Durchgängen nur diejenigen Fans an, deren Kandidat gerade auf Platz sechs oder schlechter liegt, so dass sich die Platzierungen verändern und plötzlich einige Sänger auf dem Siegertreppchen stehen, die vorher auf der Verliererseite waren. „Mit diesem Basismodell sieht man genau das Muster, das wir in den Shows verfolgen konnten, nämlich dass fast alle Sänger eine annähernd gleiche Prozentzahl an Anrufen erzielen und es ständig wilde und scheinbar unvorhersehbare Wechsel auf den oberen Plätzen gibt“, sagt Ágnes Horvát.

Durch die Simulationen konnten die Wissenschaftlerinnen auch berechnen, wie groß beim Echtzeit-Voting die Gefahr ist, dass der eigentlich Beste am Ende scheitert: „Selbst wenn es wie bei unseren Anfangszahlen einen ausgeprägten Favoriten gibt, kann dieser je nachdem, wann das Voting beendet wird, in 4 von 25 Fällen nicht mitgenommen werden. Und in über der Hälfte der Fälle ist der Sechstbeliebteste in der nächsten Sendung – und hat einen der fünf Besten damit vom Siegertreppchen gestoßen“, weiß Katharina Zweig.

Kontakt:

Dr. Katharina Zweig
Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen
Telefon: 0 62 21/54-81 90
E-Mail: katharina.zweig@iwr.uni-heidelberg.de

„In seiner Thematik deutschlandweit einzigartig“

Großes Willkommen: Eröffnung des SFB 933 mit Wissenschaftsministerin Theresia Bauer

In Anwesenheit der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ist jetzt der Sonderforschungsbereich „Materiale Textkulturen“ der Ruperto Carola offiziell eröffnet worden (Foto: Philipp Rothe). Rektor Prof. Dr. Bernhard Eitel sprach zum Auftakt des Festakts in der Aula der Alten Universität. Im Anschluss erläuterte der Sprecher des neuen SFB 933, Prof. Dr. Markus Hilgert vom Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients, die wissenschaftliche Arbeit. Nach dem Grußwort der Ministerin hielt Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht von der Stanford University (USA) den Festvortrag mit dem Titel: „,Objektive Sensibilität‘. Über die epistemologischen Herausforderungen einer aristotelischen Gegenwart.“

Der Sonderforschungsbereich „Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 10,3 Millionen Euro gefördert. An dem wissenschaftlichen Großprojekt wirken rund 80 Forscherinnen und Forscher aus mehr als 20 Disziplinen mit. Sie untersuchen schrifttragende Artefakte aus Gesellschaften, in denen keine Verfahren der massenhaften Produktion von Geschriebenem verfügbar oder verbreitet sind – so religiöse Texte auf Rezitationsrollen des Alten Ägyptens, in Keilschrift beschriebene Tontafeln aus Mesopotamien, Schriftzeichen an mittelalterlichen Bauwerken oder buddhistische Inschriften auf Steintafeln.

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Quellen dieser Art werden im Zuge der Forschungsarbeiten vor allem auf ihre materiale Präsenz in einem bestimmten Raum- und Handlungszusammenhang hin untersucht: Wo war Geschriebenes in welcher Form vorhanden und wer hatte Zugang dazu? Wie wurde an, mit oder infolge von diesem Geschriebenen gehandelt – und inwieweit waren diese Praktiken der Rezeption durch die „Materialität“ und „Präsenz“ der schrifttragenden Artefakte beeinflusst? Die auf diese Weise ermittelten „materialen Textkulturen“ sollen wichtige neue Hinweise auf Bedeutungszuschreibungen an das Geschriebene in vergangenen und gegenwärtigen „non-typographischen“ Gesellschaften liefern.

„Der Sonderforschungsbereich 933 ist in seiner fachlichen Zusammensetzung und seiner Thematik deutschlandweit einzigartig“, sagt Sprecher Markus Hilgert. „Es handelt sich um den ersten Sonderforschungsbereich überhaupt, der aus dem Fach Assyriologie hervorgegangen ist.“ Das „übergeordnete Anliegen“ charakterisiert der Heidelberger Wissenschaftler als einen „Brückenschlag der altertumswissenschaftlichen und mediävistischen Disziplinen zur kulturwissenschaftlichen Theoriebildung“. Der SFB hat seine Arbeit zum 1. Juli 2011 für einen Zeitraum von zunächst vier Jahren aufgenommen.

Prof. Markus Hilgert im Campus-Report-Interview (mp3)

Hochschullehrer müssen mehr verdienen

Willkommenes Urteil: Bundesverfassungsgericht gab Marburger Chemieprofessor Recht

Es ist ein Urteil mit Signalwirkung: Das Bundesverfassungsgericht hat über die Professorenbesoldung in Hessen befunden. Geklagt hatte ein Marburger Professor, der die Rechtmäßigkeit der deutlich niedrigeren Grundgehälter infrage stellte, die der Gesetzgeber 2002 im Zuge der Einführung der W-Besoldung beschlossen hat. Die Karlsruher Richter gaben dem Chemieprofessor Recht: Die Besoldungsgruppe W 2, in die er eingruppiert ist, widerspricht – so wie in Hessen ausgestaltet – dem im Grundgesetz verankerten Alimentationsprinzip für Beamte und ist daher verfassungswidrig. Es wird erwartet, dass das Urteil auch Auswirkungen auf die Regelungen anderer Bundesländer hat. Nach einer Erhebung des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), der die Klage unterstützt hatte, variieren die Jahresgehälter in der Besoldungsgruppe W 2 deutlich zwischen 48 968 Euro in Berlin und 56 932 Euro in Bayern.

Der klagende Chemieprofessor war 2005 mit einem monatlichen Grundgehalt von rund 3890 Euro eingestellt worden. Die W-Besoldung sieht vor, dass dieses Grundgehalt durch variable Leistungszulagen ergänzt werden kann. Solche Zulagen werden im Zuge von Berufungs- und Bleibeverhandlungen, für Engagement in der akademischen Selbstverwaltung oder für besondere Leistungen gewährt. Der Kläger selbst erhielt Leistungszulagen von etwa 24 Euro.

Die Karlsruher Richter urteilten, dass die dem Kläger gewährte Besoldung „evident unzureichend“ sei, obschon man ein zweigliedriges Besoldungssystem, das aus einem festen Grundgehalt und variablen Leistungsbezügen besteht, für grundsätzlich möglich halte. Im konkreten Fall bedeute dies, dass die Leistungsbezüge, „um kompensatorische Wirkung für ein durch niedrige Grundgehaltssätze entstandenes Alimentationsdefizit entfalten zu können, für jeden Amtsträger zugänglich und hinreichend verstetigt sein“ müssten. Davon sei dann auszugehen, „wenn die Kriterien für die Vergabe der Leistungsbezüge vom Gesetzgeber hinreichend bestimmt ausgestaltet sind und wenn der einzelne Professor […] unter klar definierten, vorhersehbaren und erfüllbaren Voraussetzungen einen einklagbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung von Leistungsbezügen hat.“ Ein derartiger Rechtsanspruch besteht nach dem Urteil des Verfassungsgerichts in Hessen nicht. Das Alimentationsdefizit werde durch die Leistungsbezüge in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nicht kompensiert.

Wie das Gericht weiter ausführte, seien die Grundgehaltssätze der W-Besoldung in Hessen zu niedrig, „um dem Professor nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit einen angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen.“ Insbesondere die Grundgehaltssätze in der Besoldungsgruppe W 2 würden „den hohen Anforderungen an den akademischen Werdegang“, der „Qualifikation der Inhaber dieser Ämter“ und den „vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben in Forschung und Lehre sowie administrativer Art“ nicht gerecht.

(HIS: tm)

Siehe auch Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts: W 2-Besoldung der Professoren in Hessen verfassungswidrig

Siehe auch Pressemitteilung der HRK: Verfassungsgerichtsurteil stützt HRK-Forderung nach wettbewerbsfähiger und attraktiver Professorenbesoldung