Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Sehr lebendige tote Sprachen

Von Mirjam Mohr (Text) und Oliver Fink (Foto)

In der Schule lernte Melanie Möller Latein erst als dritte Fremdsprache – inzwischen ist sie auf dem besten Weg zu einer Professur für Latein oder Altgriechisch. Die 39-jährige Dozentin am Seminar für Klassische Philologie, die auch für die Frankfurter Allgemeine Zeitung über aktuelle geisteswissenschaftliche Themen schreibt, hat eines der begehrten Heisenberg-Stipendien zur Vorbereitung auf eine Professur erhalten.

Zu ihrem Lateinstudium kam Möller eher durch Zufall: „Ich wollte auf jeden Fall Geisteswissenschaften und Sprachen studieren – da habe ich einfach an der Universität in verschiedene Fächer reingehört“, erzählt die gebürtige Bielefelderin. Darunter war auch Latein, „und das hat mich dann am meisten angesprochen, weil man hier am nächsten an der Basis, den Texten, gearbeitet hat.“

Nach dem Latein- und Germanistik-Studium in Bielefeld kam Melanie Möller im Jahr 2000 zusammen mit ihrem Doktorvater Prof. Dr. Paul Schwindt an die Ruperto Carola: „Herr Schwindt hat den Lehrstuhl von Michael von Albrecht übernommen und hatte in diesem Rahmen eine Assistentenstelle zu vergeben. Dieses verlockende Angebot konnte ich nicht ablehnen, und so habe ich mich für eine Laufbahn an der Universität statt an der Schule entschieden.“

Neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit begann Möller 2005 zusätzlich Altgriechisch zu studieren, zwei Jahre später legte sie ihr Staatsexamen auch in diesem Fach ab. Im vorvergangenen und vergangenen Jahr vertrat sie für zwei Semester den Gräzistik-Lehrstuhl an der Freien Universität Berlin, im jetzt endenden Wintersemester vertrat sie die Latinistik-Professur an der Universität Münster. Wenn Melanie Möller voller Begeisterung darüber spricht, wie man in der Literatur der Antike Antworten auf moderne Fragen findet, widerlegt sie damit überzeugend das weitverbreitete Klischee der „toten Sprachen“. Vorurteile über schrullige und weltfremde Altphilologen bekomme sie natürlich immer wieder zu hören. Sie selbst ist das beste Gegenargument.

Für ihr neuestes Forschungsvorhaben hat Melanie Möller eines der begehrten Heisenberg-Stipendien erhalten, die als „kleiner erster Ruf“ gelten. Diese Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) soll es herausragenden Wissenschaftlern ermöglichen, sich auf eine Professur vorzubereiten und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen zu bearbeiten.

Das Thema des Projekts „Die Lesbarkeit der alten Welt. Zur Funktion der Antike im Werk Hans Blumenbergs“ folgt Möllers übergeordnetem Anliegen: „Ich will antike und moderne Literatur und Philosophie zueinander ins Verhältnis setzen, in antiken Texten die Spur eines noch die Moderne bestimmenden Denkens freilegen und umgekehrt moderne Methoden nutzen, um die antiken Texte besser zu verstehen – so lässt sich zum Beispiel zeigen, mit welchen Kunstgriffen sich der Dichter Catull dem direkten Zugriff des Lesers auf seine Person zu entziehen suchte.“ Und weiter: „Der Philosoph Blumenberg hat sich den Texten der Vergangenheit zwar in der Absicht gewidmet, die Unvergleichlichkeit der Moderne aufzuzeigen. Doch bietet die Antike eine Fülle komplexer Vorstellungen, die freigelegt werden müssen, um modernem Denken überhaupt erst Kontur zu verleihen. Wenn jemand wie Blumenberg die Frage aufwirft, wie der moderne Mensch in seiner Welt leben kann, dann wird die Antwort nicht ohne das intensive Studium antiken Denkens auskommen können.“

In Melanie Möllers 2009 vorgelegter Habilitationsschrift mit dem Titel „Ciceros Rhetorik als Theorie der Aufmerksamkeit“ hat sie ebenfalls moderne theoretische Ansätze – auch aus der Psychologie und den Neurowissenschaften – auf ihren Nutzen für die Deutung antiker Texte befragt: „Wenn sich aus einer genauen Textlektüre weiterführende Fragestellungen ergeben, finde ich das spannend. Die besten Ideen kommen einem oft in intensiven Unterrichtslektüren oder in Gesprächen mit Kollegen benachbarter Philologien und Geisteswissenschaften. Unter diesen Bedingungen ist der intellektuelle Austausch äußerst reizvoll.“

Neben ihrer Arbeit an der Universität schreibt Möller für die FAZ über aktuelle geisteswissenschaftliche Themen: „Hier stelle ich Forschungsansätze vor, von denen ich glaube, dass sie über die Fachgrenzen hinaus wichtig sind – etwa einen Aufsatz zur Frage, ob Amerika das neue Imperium Romanum ist.“ Ihr früheres Hobby, Film und Kino, kann Möller dagegen seit einiger Zeit nicht mehr pflegen – denn die Klassische Philologin ist seit drei Jahren auch Mutter eines kleinen Sohnes.

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