Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Planeten – so weit die Teleskope reichen

Jeder Stern der Milchstraße wird im Schnitt von mindestens einem Planeten umkreist. Das hat ein internationales Astronomen-Team, in dem Wissenschaftler des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) eine führende Rolle spielen, mit Hilfe des sogenannten Mikrogravitationslinseneffekts herausgefunden. Die Forscher kommen nach einer umfassenden statistischen Analyse ihrer sechs Jahre dauernden Messungen von mehreren Millionen Sternen zu dem Schluss, dass die Existenz von Planeten im Umfeld anderer Sterne – diese werden als Exoplaneten bezeichnet – nicht die Ausnahme sondern der Normalfall ist. Die Ergebnisse ihrer Studie erschienen im Januar in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“.

In den vergangenen 16 Jahren haben Astronomen mehr als 700 Exoplaneten entdeckt und bereits damit begonnen, die Spektren und Atmosphären von einzelnen dieser fernen Welten zu erforschen. Eine der entscheidenden Fragen aber ist nach wie vor offen: Wie häufig sind Planeten in unserer Milchstraße?

Aufgespürt wurde der Großteil der heute bekannten Exoplaneten entweder durch die gravitative Anziehungskraft des Planeten auf seinen Mutterstern oder durch die winzige Abschwächung des Sternenlichts, die zustande kommt, wenn ein Planet auf seiner Umlaufbahn von der Erde aus gesehen direkt vor dem Stern vorbeizieht. In beiden Fällen – also mit der Radialgeschwindigkeitsmethode oder der Transitmethode – lassen sich vor allem Planeten nachweisen, die massereich sind oder nur einen geringen Abstand zum Stern haben. Viele der fernen Planeten werden daher bislang einfach übersehen, da sie unterhalb der Nachweisgrenze dieser Methoden liegen.

Prof. Dr. Joachim Wambsganß, Direktor des ZAH, fahndet mit seiner Arbeitsgruppe mit einer anderen Methode nach Exoplaneten: Durch den Mikrogravitationslinseneffekt lassen sie sich über die Wirkung ihrer Gravitationsfelder auf das Licht dahinterliegender Sterne nachweisen. Stern und Planet wirken dabei wie eine Linse, die die Lichtstrahlen des Hintergrundsterns zum Beobachter hin fokussiert und ihn so für einige Tage heller erscheinen lässt. Der Verlauf der Helligkeitsänderung, die Lichtkurve, hat eine sehr charakteristische Form. Dabei ist der Einfluss des Planeten aber oft nur für einige Stunden messbar.

Die künstlerische Darstellung vermittelt einen Eindruck davon, wie häufig Sterne der Milchstraße von Planeten umkreist werden. Die Exoplaneten, ihre Umlaufbahnen und ihre Muttersterne sind im Vergleich zu ihren tatsächlichen Abständen sehr stark vergrößert dargestellt. Ein internationales Wissenschaftler-Team, das im Zuge einer sechsjährigen Studie mit Hilfe des Mikrogravitationslinseneffekts mehrere Millionen Sterne untersucht hat, konnte zeigen, dass Exoplaneten nicht die Ausnahme sondern der Normalfall sind.
Abbildung: Europäische Südsternwarte (ESO)/M. Kornmesser

Mit dieser Technik ist es nun möglich, Planeten aufzuspüren, die einen größeren Abstand zum Stern haben und über einen großen Massebereich verteilt sind. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering: „Um ein einziges stellares Mikrogravitationslinsenereignis beobachten zu können, muss die Helligkeit von einigen Millionen Sternen mehrmals pro Woche gemessen werden. Und selbst wenn alle so entdeckten Sterne einen Planeten aufweisen, zeigt sich dieser in weniger als einem Prozent der Fälle“, erläutert Prof. Wambsganß.

„Wir haben die Daten aus sechs Jahren Beobachtungszeit durchforstet. Tatsächlich hat sich dabei herausgestellt, dass Planeten in unserer Milchstraße häufiger vorkommen als Sterne“, weiß der Erstautor des Fachartikels, Dr. Arnaud Cassan, der bis 2010 als Postdoktorand bei Prof. Wambsganß am ZAH forschte und inzwischen am Institut d'Astrophysique de Paris (Frankreich) tätig ist. Die Forschungsergebnisse basieren zu einem großen Teil auf Arbeiten Cassans während seiner Zeit in Heidelberg. Für die Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler aus Australien, Chile, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Kroatien, Neuseeland, Österreich, Polen, Südafrika und den USA – unter ihnen Forscher der Europäischen Südsternwarte (ESO) – Daten der Beobachtungs-Teams PLANET (Probing Lensing Anomalies NETwork) und OGLE (Optical Gravitational Lensing Experiment).

Die Astronomen haben zwischen 2002 und 2007 immer wieder die Helligkeit von mehreren Millionen Sternen gemessen. Dabei wurden insgesamt 3247 durch Sterne erzeugte Mikrogravitationslinsenereignisse entdeckt. Bei drei dieser Lichtkurven wurden eindeutig Planeten nachgewiesen: eine „Supererde“ und jeweils ein Planet mit Neptun-ähnlicher und mit Jupiter-ähnlicher Masse. Das internationale Forscher-Team kombinierte die Daten dieser drei Entdeckungen mit denen von sieben weiteren Exoplaneten, die ebenfalls mit dem Mikrogravitationslinseneffekt gefunden worden sind. Hinzugezogen wurde außerdem eine große Zahl von Sternen, bei denen während der sechs Jahre kein Planet nachgewiesen werden konnte. Diese Nicht-Detektionen sind nach den Worten von Dr. Cassan für die statistische Analyse ebenso wichtig wie die entdeckten Planeten.

Durch Vergleich mit intensiven Computer-Simulationen fanden die Wissenschaftler heraus, dass etwa jeder sechste Stern von einem Jupiter-ähnlichen Planeten umkreist wird. Die Hälfte aller Sterne haben danach Planeten mit Neptun-Masse und zwei Drittel werden von einer „Supererde“ begleitet. Die Studie erfasste Planeten, deren Abstände von ihrem Stern 75 Millionen bis 1,5 Milliarden Kilometer betragen und deren Massen von fünf Erdmassen bis zur zehnfachen Jupiter-Masse reichen.

Kontakt:

Prof. Dr. Joachim Wambsganß
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg
 (ZAH)
Telefon: 0 62 21/54-18 00
E-Mail: jkw@uni-hd.de

Carolin Liefke
ESO Science Outreach Network
Haus der Astronomie (Heidelberg)
Telefon: 0 62 21/528 226
E-Mail: eson-germany@eso.org

A. Cassan, D. Kubas, J.-P. Beaulieu, M. Dominik, K. Horne, J. Greenhill, J. Wambsganss, J. Menzies, A. Williams, U. G. Jørgensen, A. Udalski, D. P. Bennett, M. D. Albrow, V. Batista, S. Brillant, J. A. R. Caldwell, A. Cole, Ch. Coutures, K. H. Cook, S. Dieters, D. Dominis Prester, J. Donatowicz, P. Fouqué, K. Hill, N. Kains, S. Kane, J.-B. Marquette, R. Martin, K. R. Pollard, K. C. Sahu, C. Vinter, D. Warren, B. Watson, M. Zub, T. Sumi, M. K. Szymanski, M. Kubiak, R. Poleski, I. Soszynski, K. Ulaczyk, G. Pietrzynski & Ł. Wyrzykowski: One or more bound planets per Milky Way star from microlensing observations. Nature (12 January 2012)